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Warum Trump das Oberste Gericht zur konservativen Festung machen kann

Warum Trump das Oberste Gericht zur konservativen Festung machen kann
Anthony Kennedy war lange das entscheidende Zünglein an der Waage - und will jetzt zurücktreten

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Es war der Traum der Republikaner und ein Horrorszenario für die Demokraten: Ein Sitz am Obersten Gerichtshof wird frei, US-Präsident Donald Trump muss den Nachfolger benennen und kann das politische Kräfteverhältnis des mächtigen Gerichts mit einem Kandidaten seiner Wahl nach rechts verschieben – und es so für Jahrzehnte prägen.

Am Mittwoch trat genau das ein. Der 81 Jahre alte Anthony Kennedy verkündete seinen Rückzug vom neunköpfigen Supreme Court, Ende Juli will der moderate Richter in den Ruhestand gehen. Und Trump muss einen Nachfolger nominieren. Das Entsetzen unter Demokraten und Bürgerrechtlern war groß. Abtreibungsgegner rieben sich die Hände, die Republikaner feierten. Ihr Traum von einem konservativen Supreme Court, einer Festung ihrer Werte, ist in greifbare Nähe gerückt.

Wer verstehen will, welche Bedeutung dem Obersten Gericht in den USA zukommt, wie enorm politisch aufgeladen das Thema ist, muss nur zurückblicken auf die Wahl 2016. Es gibt Menschen, die den Kandidaten Trump rundherum ablehnten, ihn aber wählten, weil er einen konservativen Richter benennen würde, wenn ein Posten frei wird. Die Richter werden vom Präsidenten vorgeschlagen, der Senat muss sie bestätigen und damit haben die Republikaner freie Hand, denn sie haben in der Kammer die Mehrheit. Es ist ein Amt auf Lebenszeit.

Wie gespalten die USA sind, wie tief die Gräben zwischen links und rechts sind, lässt sich oft an den Fällen ablesen, die vor dem Supreme Court landen: Abtreibung, die Ehe für Alle, Waffen, Klimaschutz oder das große Zankthema Krankenversicherung.

Das Zünglein an der Wage

Kennedy gab in vielen großen Fällen die entscheidende Stimme ab. Er saß 30 Jahre lang auf der Richterbank. Trotz seines Nachnamens hat er nichts mit der berühmten Dynastie zu tun. Der 81-Jährige stammt ursprünglich aus Kalifornien. Ernannt hat ihn Ronald Reagan, ein erzkonservativer Republikaner. Kennedy war seine dritte Wahl.

Im Kräfteverhältnis des Gerichts hatte er einen Platz in der Mitte inne. Mal stimmte er mit den vier Richtern des linken Blocks, mal mit den vier Richtern des konservativen Blocks. Seine eigenwillige Rechtsauffassung habe es ihm erlaubt, einen Fuß in beiden Welten zu haben, meint Adam Liptak von der «New York Times». «In den konservativeren Fällen war er sehr konservativ. In den liberaleren Fällen war er sehr liberal.»

Am 26. Juni 2015 entschied der Supreme Court über die Ehe für Alle. Die vier Richter des liberalen Lagers – Ruth Bader Ginsburg, Stephen Breyer, Sonia Sotomayor und Elena Kagan – stimmten dafür, dass Homosexuelle heiraten dürfen. Sie alle wurden von demokratischen Präsidenten ernannt. Die vier Richter des konservativen Lagers – John Roberts, Antonin Scalia, Clarence Thomas und Samuel Alito – waren dagegen. Sie alle wurden von Republikanern berufen.

Kennedy stimmte mit dem linken Lager, die Ehe für Alle war legal. Vor dem Gerichtsgebäude lagen sich die Menschen in den Armen. Das Weiße Haus leuchtete in Regenbogenfarben. Auf den Tag genau drei Jahre später fiel das Urteil des Gerichts zu Trumps umstrittenem Einreiseverbot für Menschen aus mehreren, meist muslimisch geprägten Ländern. Auch hier war die Entscheidung knapp, auch hier war Kennedy das Zünglein an der Waage. Er und die vier konservativen Richter erklärten, die Maßnahme sei verfassungsgemäß.

Das Abtreibungsgesetz kippen

Trump hat nun die Chance, einen bleibenden Einfluss zu hinterlassen und den konservativen Block mit einem Kandidaten dauerhaft auf fünf Richter aufzustocken. Die Mitte fiele weg. Trump hat eine Liste mit mehr als 20 möglichen Kandidaten. Er hat versprochen, jemanden auszuwählen, der eine für das Abtreibungsrecht wichtige Grundsatzentscheidung neu aufrollen würde. Das Urteil aus dem Jahr 1973, das unter dem Kürzel «Roe v. Wade» bekannt ist, legalisierte Schwangerschaftsabbrüche in den USA. Den Konservativen ist es verhasst. Die Demokraten warnen davor, es anzutasten.

Das ohnehin vergiftete Klima zwischen beiden Seiten dürfte sich nun noch verschlimmern. Die Demokraten werfen den Republikanern ohnehin vor, dass sie ihnen einen Sitz am Supreme Court gestohlen hätten, weil sie Barack Obamas Kandidaten Merrick Garland 2016 keine Chance gaben und der Posten später von Trump mit dem Konservativen Neil Gorsuch besetzt wurde.

Die Republikaner werden alles daran setzen, Trumps Kandidaten noch vor den wichtigen Kongresswahlen im November durchzuboxen. Die Demokraten haben kaum eine Chance, das zu verhindern. Ihre einzige Hoffnung ruht darauf, dass die beiden Republikanerinnen Susan Collins und Lisa Murkowski möglicherweise Bedenken bei einem Abtreibungsgegner hätten. Als der Senat im Februar 1988 über Anthony Kennedy abstimmte, bekam er 97 Ja-Stimmen. Kein einziger Senator stimmte gegen ihn. Ein solches Szenario scheint heute undenkbar.

Jacques Zeyen
30. Juni 2018 - 8.20

" Von der politischen Neutralität der Justiz" wäre ein Thema für John Locke gewesen und die Gründerväter.
Ist aber,spätestens seit Daddy Bush der durch seinen engsten Freund und eben auch Bundesrichter,das Wahlresultat zu Gunsten seines tumben Dabbelju kippen ließ. Und wenn Trump sich selbst begnadigen kann ist das ganze ja nur Makulatur, oder? La loi-c'est pour les pauvres.

KTG
29. Juni 2018 - 18.13

Die Analyse des Artikels ist völlig richtig, zudem könnte es noch knüppeldicker kommen. Ruth Bader Ginsburg (tendiert zur demokratischen Seite) ist 85 Jahre alt. Die restlichen Richter sind noch relativ jung, Clarence Thomas und Samuel Alito (republikanisch) sind erst 70 und 68. Sollte Ginsburg sterben, bevor Trumps Amtszeit endet, wird es 6:3 für die Republikaner stehen, während mindestens 10-15 Jahren. Die Erblast der Baby Boomer würde die USA damit noch sehr lange an einem Aufschließen zu den Ländern der Ersten Welt hindern. Zudem ist dann auch das Risiko gegeben, dass Trump die Verfassung dauerhaft bestätigt bzw. Wahlen selbst sabotiert.