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Fußball, Gewalt und Wahlen: Mexiko unter Hochspannung

Fußball, Gewalt und Wahlen: Mexiko unter Hochspannung

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Von unserem Korrespondenten Günther Bading

Am Sonntag wählt Mexiko einen neuen Präsidenten, den Kongress und viele Bürgermeister. Die Wahlen werden überschattet von Gewalt mit über 120 getöteten Kandidaten. Aber sie werden überstrahlt von Siegen der Nationalelf.

Da nutzten auch die schalldichten Fenster im Hotel Camino Real nichts. Als «Chuky» Lozano das Siegestor der mexikanischen Nationalelf gegen den amtierenden Weltmeister Deutschland schoss, ließ der Jubel der Fans von Mexiko-Stadt überall in der 20-Millionen-Metropole die Fenster wackeln. Angeblich schlugen sogar die Seismografen der Erdbebenwarte aus. Genau eine Woche vor der Entscheidung von 89,3 Millionen wahlberechtigten der 125 Millionen Mexikaner über einen neuen Präsidenten, neue Senatoren und Abgeordnete, 1.600 Bürgermeister und acht Gouverneure stand der Sieger der mexikanischen Herzen fest: El Tri.

So wird die Nationalmannschaft genannt, weil sie unter der Trikolore Mexikos antritt. Und das hält über den Wahltag am 1. Juli hinaus. Zudem hatte man dann auch noch Südkorea zwei zu eins geschlagen, den ersten Platz in den Gruppenspielen erreicht.Im fußballverrückten Lateinamerika kann so etwas die Politik verändern. Immerhin war es 1969 zwischen Honduras und El Salvador zum «Fußballkrieg» mit 2.000 Toten wegen Streits um die Qualifikation für die WM 1970 in Mexiko gekommen.

Zahlreiche Probleme müssen angegangen werden

Ganz oben auf Mexikos Welle der Euphorie schwimmt Präsidentschaftskandidat Andres Manuel Lopez Obrador, von seinen Anhänger AMLO abgekürzt. Der Führer des Wahlbündnisses Morena ist einer der vier Kandidaten für die Nachfolger von Enrique Peña Nieto. Dem in allen Umfragen führenden AMLO folgen Ricardo Anaya (PAN-PRD), José Antonio Meade von der bisher regierenden Partei PRI. Und dann gibt es noch «El Bronco» (Der Wilde) Jaime Rodriguez, ein unabhängiger Kandidat.

AMLO gibt sich als Kandidat des Volkes und das sieht ihn auch so. Obwohl er zum dritten Mal für das höchste Staatsamt kandidiert, hat er es geschafft, sich irgendwie als Außenseiter darzustellen, als wäre er neu im politischen Geschäft. So führt er auch seinen Wahlkampf. Lopez Obrador (66) legt sich nicht fest, blieb in den drei Fernsehdebatten der Kandidaten auf die meisten Fragen, etwa nach der Wirtschaft und Energiepolitik des Ölproduzenten Mexiko, konkrete Antworten schuldig. Aber er schimpft kräftig auf das Establishment, die PRI und auch die PAN und PRD mit ihrem Kandidaten Anaya.

Er selber ist aus der PRD ausgetreten. Mit Versprechen wie «Frieden und gegen die Korruption» begeisterte er die AMLO-Gefolgschaft, auch wenn das nicht nach politischem Programm riecht. Bei der Wahl am 1. Juli 2012 erhielt er 15,5 Millionen Stimmen, damals noch als Kandidat der PRD. Sieger wurde Enrique Peña Nieto von der PRI mit 18,7 Millionen Voten. Doch der zeigte sich als Präsident schwach, war nicht in der Lage, die ausufernde Gewalt der «Narcos», der Drogenkartelle, unter Kontrolle zu bringen. Hinzu kommt die Korruption in den Vereinigten Staaten von Mexiko (Estados Unidos Mexicanos), eine hohe Inflation und nachlassendes Wirtschaftswachstum.

Anaya setzt auf die Zukunft

All das macht dem in Umfragen drittplatzierten Kandidaten Meade (49) zu schaffen. Er tritt für Peña Nietos PRI an. Und die setzen die Mexikaner mit dem glücklosen Präsidenten gleich. Auch wenn Meade die Unterstützung eines Netzwerks von mehr als 30.000 kleinen, mittleren und großen Unternehmern genießt, gelten seine Chancen als gering. Dennoch gibt er sich siegessicher, hofft auf die «schweigende Mehrheit», die sich in Umfragen nicht erfassen lässt.

Ricardo Anaya (39) bietet sich als Mann der Vernunft an, zwischen dem in der Wirtschaftspolitik linken, ansonsten aber nationalistischen Lopez Obrador und dem wirtschaftsfreundlichen Meade. Nicht Rechts, nicht Links sondern modern und der Zukunft zugewandt, könnte man die Wahlkampfaussagen des Zweitplatzierten stark verkürzt zusammenfassen. Aber mit den Siegen der «Tri» lieben die Menschen eher ihren AMLO.