Bei der Aufarbeitung des Bundestagswahl-Debakels hat der SPD-Vorsitzende Martin Schulz demonstrativ den Schulterschluss mit seinem Stellvertreter Olaf Scholz geübt. Es gebe viel Übereinstimmung zwischen dem, was Hamburgs Bürgermeister vorschlage, und dem, was er selbst am 6. November im Leitantrag für den Parteitag im Dezember vorlegen wolle, sagte Schulz am Samstag in Hamburg. «Entgegen der landläufigen Auffassung gibt es zwischen Olaf Scholz und mir inhaltlich eigentlich mehr Übereinstimmungen als Differenzen.»
Bei der ersten von acht Regionalkonferenzen beriet die Parteispitze gemeinsam mit rund 700 Mitgliedern aus Norddeutschland knapp drei Stunden lang, welche Konsequenzen aus der Wahlschlappe zu ziehen seien. Das Treffen habe gezeigt, dass es in der SPD einen organisatorischen und inhaltlichen Input gebe, «der uns alle hoffnungsvoll stimmt», sagte Schulz.
Die Parteispitze habe sich weitgehend zurückgehalten und dafür die Mitglieder reden lassen. Eine Vielfalt von Vorschlägen sei auf den Tisch gekommen. «Toller Nachmittag, der allen Beteiligten richtig Spaß gemacht hat», sagte Schulz.
«Wofür steht die SPD?»
Nach Angaben von Teilnehmern des Treffens hinter verschlossenen Türen ging es etwa um Fragen wie «Wofür steht die SPD?» oder «Wie kann die Partei Vertrauen zurückgewinnen?». Mehrere Parteimitglieder bezeichneten das neue Format, bei dem vor allem die Basis zu Wort kommt, als sehr gelungen.
Mit Blick auf die jüngst öffentlich-gemachten Überlegungen seines Stellvertreters Scholz sagte Schulz, sie hätten in einem Gespräch am Morgen festgestellt, dass es sogar noch mehr Übereinstimmungen gebe, als sie selbst gedacht hätten. Der Vorstoß von Scholz, den viele Beobachter als potenziellen Gegenspieler von Schulz sehen, bezeichnete der SPD-Chef als «sehr gutes Papier». Der vor und nach der Konferenz neben ihm stehende Scholz sagte: «Es ist gut, dass jetzt diskutiert wird, und dass politische Positionen ausgetauscht werden.»
Scholz hatte am Freitag ein Papier veröffentlicht, in dem er eine «schonungslose Betrachtung der Lage» fordert. Es dürfe «keine Ausflüchte» mehr geben bei der Ursachenforschung. Anders als Schulz, der zuletzt mehr Mut zur Kapitalimuskritik gefordert hatte, wirbt Hamburgs Bürgermeister darin für einen pragmatischen Kurs, der Wirtschaftswachstum, Fortschritt und soziale Gerechtigkeit verbindet.
Jeder soll sich mitreden
SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles sagte, es würden sich in der Debatte sicher noch weitere Parteimitglieder zu Wort melden. «Ich glaube, wir können jeden dieser Beiträge gebrauchen.»
Parteivize Ralf Stegner, der sich zuletzt in einem Papier für einen Linkskurs der Partei ausgesprochen hatte, sagte, die SPD brauche unterschiedliche Milieus und Flügel, wenn sie in die Gesellschaft hineinwirken wolle. Zugleich erneuerte er seine Unterstützung für Schulz, der auf dem Parteitag als SPD-Chef bestätigt werden will: «Ich bin fest davon überzeugt, dass man sehen wird, dass die Zustimmung und die Zuneigung in der SPD Martin Schulz gilt.»
Schulz sagte der Funke-Mediengruppe mit Blick auf die Wahlpleite, bei der die SPD mit ihm als Kanzlerkandidat auf 20,5 Prozent abgestürzt war: «Wir dürfen nicht so tun, als sei das einfach nur ein Betriebsunfall gewesen. Meine Aufgabe als Vorsitzender ist es, die Partei zu reformieren, sie programmatisch und organisatorisch neu aufzustellen.»
Jusos fordern Linkskurs
Die scheidende Juso-Chefin Johanna Uekermann forderte einen Linkskurs ihrer Partei. «Die SPD muss linker werden, ein klares Profil entwickeln, die großen Zukunftsfragen beantworten und deutlich machen, für wen sie Politik macht», sagte Uekermann der dpa.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) riet Schulz, er solle ein Ohr für die Mitglieder haben. «Es ist gut, dass Martin Schulz bei den Dialogveranstaltungen erstmal zuhört», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Bereits an diesem Sonntag steht die nächste Konferenz in Leipzig an.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können