Erst kam der Paukenschlag, dann ziemlich lange nichts: Vor einem Jahr kündigten die Regierungen in Paris und Berlin die Entwicklung eines gemeinsamen Kampfjets und eines Panzers an. Seither ringen Deutsche und Franzosen hinter den Kulissen miteinander darum, welche Anforderungen das Kriegsgerät erfüllen soll, wer welche Technologie beisteuert und welches Land wie viel der lukrativen Arbeitsanteile bekommt.
Von Sabine Siebold, Berlin
Beim Kampfjet, der ab 2040 Eurofighter und Rafale ablösen soll, haben sich Deutschland und Frankreich inzwischen immerhin auf die Kernaufgaben geeinigt. Wie aber die Ablösung für die Kampfpanzer Leopard und Leclerc ausschauen soll, steht in den Sternen. Die Industrie scharrt immer lauter mit den Hufen. Am heutigen Dienstag kommt in Meseberg bei Berlin der deutsch-französische Ministerrat erneut zusammen.
Große Fortschritte bei den gemeinsamen Rüstungsprojekten, die zusammen Kosten im hohen zweistelligen Milliardenbereich verschlingen dürften, sind bei dem Treffen allerdings eher nicht zu erwarten. Immerhin dürften einige Details zum Fahrplan bekannt werden. Für den gemeinsamen Jet sind die groben Konturen bereits bekannt, Deutschland und Frankreich peilen hier die Entwicklung eines ganzen Waffenverbunds an.
Das Flugzeug soll allein einsatzfähig sein, aber auch einen Schwarm von Drohnen steuern können. Und noch etwas verriet Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei der Luftfahrt-Messe ILA im April in Berlin: Führungsnation für die Entwicklung des Kampfjets soll Frankreich sein, beim Kampfpanzer dafür Deutschland.
Frankreich baut den Jet, Deutschland den Panzer
Die betreffenden Konzerne nannte die Ministerin nicht. Experten gehen jedoch davon aus, dass beim Kampfjet Dassault das Rennen machen dürfte. Das Familienunternehmen baut die Rafale, die im Krisenfall Frankreichs Atomraketen trägt. Dassault hat damit einen Einblick in einige der bestgehüteten Geheimnisse der «Grande Nation», der Airbus fehlt und der dem deutsch-französischen Konzern vermutlich auch nicht gewährt würde.
«Frankreich wird kein Interesse daran haben, Deutschland da reinschauen zu lassen», sagt ein Experte. Unklar ist, wie groß der Anteil von Airbus an dem Projekt ausfallen wird. Spekuliert wird, dass der deutsch-französische Konzern die Führung beim Rest des Waffenverbundes bekommen könnte, also den Drohnen.
In der Industrie wird unterdessen das Grummeln immer lauter, Deutschland treibe die Vorhaben nur zögerlich voran und scheue sich, so klar wie Frankreich für eigene Interessen einzutreten. Mit Verwunderung nahmen Rüstungsinsider zur Kenntnis, dass von der Leyen die Führung für den Kampfjet recht schnell Frankreich zusprach. Der fliegende Waffenverbund dürfte den Löwenanteil der Kosten für die gemeinsamen Rüstungsvorhaben verschlingen und gilt damit als ein besonderes Filetstück.
Andererseits scheint auch im Verteidigungsministerium eine gewisse Ernüchterung eingetreten zu sein. Die Franzosen gelten als schwierige Verhandlungspartner, die ihre eigenen Interessen durchaus vehement durchzusetzen verstehen. Manche Insider befürchten, am Ende könnte es dem Partner jenseits des Rheins vor allem darum gehen, günstig an deutsche Technologie und deutsche Entwicklungsgelder zu kommen. Andererseits ist allen klar, dass die Kampfjetentwicklung für ein Land allein viel zu teuer und auch der internationale Absatzmarkt für mehrere Flugzeuge aus Deutschland und Frankreich viel zu klein ist.
Der Teufel steckt im Detail
Die Arbeitsebene hat nun die knifflige Aufgabe, die Details so zu gestalten, dass die Projekte deutschen Interessen genügen – militärisch ebenso wie industriepolitisch.
Noch komplexer werden die Verhandlungen dadurch, dass die beiden Großprojekte Kampfjet und Kampfpanzer politisch miteinander verquickt sind. Eine Einigung über die Arbeitsteilung beim Kampfjet scheint ohne gleichzeitige Verständigung über das Prozedere beim Kampfpanzer unwahrscheinlich. Zumal die Deutschen aus den Spezialstählen für ihre Panzer und dem zugehörigen Know-how ein ähnliches Geheimnis machen wie die Franzosen aus ihrer Atomwaffentechnik. Noch ist offen, ob Deutschland bereit ist, diese Schlüsseltechnologie künftig mit Frankreich zu teilen.
Dies wirft auch Probleme auf für die deutsch-französische Panzerschmiede, die aus der Vereinigung des Familienunternehmens KMW mit dem Staatskonzern Nexter entstand und die sich nun KNDS nennt. Von KMW stammt der Kampfpanzer Leopard, von Nexter das französische Gegenstück Leclerc. Der neue Konzern tat mit dem Zusammenschluss genau das, was europäische Politiker seit vielen Jahren fordern: Er nahm die Konsolidierung der europäischen Rüstungsindustrie in Angriff.
Gemeinsame Entwicklung
An gemeinsamen Entwicklungsprojekten mangelt es KNDS bisher jedoch, sodass der Zusammenschluss auf der praktischen Ebene unvollendet bleibt. Denn weil keine der beiden Firmen ihr Know-how an den Partner weitergeben darf, bauen beide weiter die eigenen Produkte.
Erst eine gemeinsame Neuentwicklung wie der scherzhaft «Le Leo» oder «Leoclerc» getaufte deutsch-französische Kampfpanzer könnte den Zusammenschluss auch auf technologischer Ebene besiegeln. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Regierungen grünes Licht für den Technologietransfer geben. Sie müssten nach Angaben von Experten den Austausch eingestufter Informationen erlauben und es gestatten, Konstruktionsunterlagen an die jeweils andere Seite weiterzugeben. Ob die Bundesregierung dem zustimmen wird, ist bisher offen – der Panzerbau ist in Deutschland als Schlüsseltechnologie eingestuft.
Abgesehen davon sind die Grundzüge des neuen Kampfpanzers noch viel weniger klar als die des Kampfjets. Zwar stellen Deutschland und Frankreich nach Angaben von Insidern bereits seit 2006 Überlegungen zu einem gemeinsamen Kampfpanzer an. Bisher sei aber noch nicht einmal klar, ob die Regierungen künftig lediglich einen Panzer der neuen Generation oder analog zum neuen Kampfjet ein «System der Systeme» anpeilten, in dem der Panzer nur ein Bestandteil sei. Die Industrie jedenfalls sei an den Überlegungen bis heute nicht beteiligt.
Dazu kommt bei allen Rüstungsvorhaben das Problem, dass Deutschland eine deutlich restriktivere Rüstungsexportpolitik als Frankreich verfolgt. Eine gemeinsame Linie fehlt. «Wenn man Technologie austauscht, muss auch klar sein, nach welchen gemeinsamen Regeln man exportiert», mahnt ein Insider aus der Rüstungsindustrie. Frankreich werde ganz sicher nicht das restriktive deutsche Ausfuhrrecht akzeptieren. «Andererseits profitiert Frankreich von der gemeinsamen Entwicklung. Möglicherweise wird Paris deshalb bereit sein, zumindest den Export in manche Länder zu unterlassen.»
Genau solches Zeug brauchen wir, oder ?