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Raus aus dem Betonkorsett: Luxemburg renaturiert seine Bäche

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Viele Luxemburger Bäche sind zubetoniert. Mehr Grün muss her. Das Wasserwirtschaftsamt renaturiert seit Jahren die Gewässer des Großherzogtums. Ein Überblick.

Wie ist der Zustand der Luxemburger Gewässer?

Keines der Luxemburger Oberflächengewässer ist laut Europäischer Union in einem guten Zustand. Das Bewertungssystem der EU geht von der Note fünf (sehr schlecht) bis eins (sehr gut). Die Hälfte der Gewässer des Großherzogtums sind laut Martine Peters vom Wasserwirtschaftsamt in einem biologischen Zustand der Kategorie drei, ein Viertel in der vierten und ein Fünftel in der fünften. Dabei ist das Großherzogtum – genau wie alle anderen EU-Mitglieder auch – verpflichtet, die nationalen Gewässer in einen guten Zustand zu bringen. – Leichter gesagt als getan: Die ursprüngliche Frist war 2015. „Sie wurde verlängert, weil die Länder diese Ziele nicht erreicht haben“, sagt Peters.

Welche Rolle spielen zugebaute Bäche?

Claude Prim (l.) und Martine Peters (r.) vom Wasserwirtschaftsamt
Claude Prim (l.) und Martine Peters (r.) vom Wasserwirtschaftsamt Foto: Editpress/Alain Rischard

Etwa 90 Prozent der Oberflächengewässer Luxemburgs sind laut Umweltministerium teilweise begradigt, verbaut oder sogar überbaut. Das ist einer der Gründe für den schlechten Zustand der Luxemburger Gewässer. Der Mensch hat sich in der Vergangenheit oft neben fließenden Gewässern niedergelassen und diese dann seinen Bedürfnissen angepasst. So wurden die Bäche mit Betonriegel aufgestaut, um Strom für Mühlen zu produzieren. Schmutzwasser wurde ungefiltert in die Bäche geleitet. „Und damit dieses Wasser schnell weiterfließt, wurden die Bäche betoniert oder kanalisiert“, erklärt Claude Prim, stellvertretender Leiter der Abteilung für Hydrologie. Und: Die Landwirtschaft hat geschlängelte Bäche begradigt, um die Bewirtschaftung ihrer Felder zu erleichtern. „Das alles trägt dazu bei, dass der Lebensraum Bach nicht mehr so existiert, wie das der Fall sein müsste“, sagt Prim.

Was ist der Vorteil von renaturierten Gewässern?

„Eine Renaturierung versucht einen Bach, der gestört wurde, in einen relativ natürlichen Zustand zurückzubringen“, erklärt Martine Peters. Natürliche Bäche und Flüsse haben etliche Funktionen: Sie bieten einen Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten, agieren als natürliche Kläranlagen und versorgen uns mit Trinkwasser. Und: „Je nachdem, wie der Bach renaturiert wird, kann er ein Hochwasserschutz sein“, sagt Prim. Diese Überschwemmungsflächen können große Wassermengen aufnehmen und zurückhalten. Umweltministerin Joëlle Welfring sagte im September 2022, dass Luxemburg bisher etwa 38 Kilometer Wasserläufe renaturiert hat.

Was beinhaltet eine Renaturierung?

Der Aufwand von Renaturierungen kann unterschiedlich hoch sein. Bei manchen Projekten muss das Wasserwirtschaftsamt während Monaten mit dem Bagger ein neues Bachbett buddeln. Bei anderen reichen ein paar Strömungslenker wie umgestürzte Bäume aus, um den Verlauf des Wassers zu verändern. „Man stimuliert das mit kleinen Maßnahmen, damit sich diese Dynamik über ein paar Jahre von selbst entwickelt“, sagt Peters. Durch die gewundenen Pfade und Steine wird der Bach auf natürliche Weise mit Sauerstoff angereichert, gereinigt und gekühlt.

Die Dipbach in Esch

Die Renaturierung der Dipbach in Esch beginnt im Oktober. Das schrieb die Stadt Esch am Montagmorgen in einer Pressemitteilung. Die Gesamtkosten des Projektes – Renaturierung und Landschaftsgestaltung – belaufen sich auf etwa 2,4 Millionen Euro. Der Staat beteiligt sich mit rund einer Million. Auf einer Länge von 800 Metern wird das bestehende Betonbett entlang des Stadtteils Nonnewisen aufgebrochen und die Landschaft in ein Biotop verwandelt. Die Dipbach wird ausgebreitet und durch ein tieferes Bett fließen. Mit der ausgehobenen Erde wird eine Erhöhung geschaffen, um das Gelände abwechslungsreicher zu gestalten. Verschiedene nicht heimische Bäume – insbesondere Nadelbäume – werden entfernt. An ihrer Stelle werden Bäume zur Stabilisierung der Ufer gepflanzt. Büsche sollen den Vögeln und Kleintieren Schutz bieten und ein Obstgarten wird ebenfalls angelegt. „Derzeit sind ein Spielplatz, Kletterbäume, Fitnessgeräte, ein Boule- und ein Fußballplatz sowie ein eingezäunter Bereich für Hunde geplant“, schreibt die Gemeinde. Gewundene Wege und kleine Brücken werden die einzelnen Bereiche miteinander verbinden. Die Arbeiten sollen sieben Monate dauern.

Die Petruss in Luxemburg-Stadt

Ein Projekt, auf das Claude Prim und Martine Peters besonders stolz sind, ist die Renaturierung der Petruss in Luxemburg-Stadt. Die Arbeiten haben 2019 begonnen – im Herbst soll der erste Teil der Bauarbeiten fertig sein. Die alte Betonrinne wurde entfernt und durch ein natürliches Flussbett ersetzt. Ein neuer Fischpass ermöglicht eine Fischwanderung zwischen Alzette und Petruss. Für spätestens Frühling 2024 ist der Start der zweiten Phase geplant. Für diese hieß der Gemeinderat vergangene Woche einstimmig einen Kostenvoranschlag in Höhe von rund 15 Millionen Euro gut – rund zehn Millionen für die Renaturierung, weitere rund fünf für die Gestaltung des Parks. „Wenn man sieht, wie sich die Petruss entwickelt hat, das ist gelungen“, meint Prim.