Am Donnerstag stellt die luxemburgische Rapperin Nicool ihr erstes Album «Den Ufank vum N» im Gudde Wëllen in Luxemburg-Stadt vor. Das Tageblatt hat sich mit der zielstrebigen jungen Künstlerin unterhalten.
Seit der Bekanntgabe, dass Nicole Bausch alias Nicool ihre erste Platte rausbringen wird, schlagen zahlreiche Medien sowie Kulturschaffende förmlich Purzelbäume: Eine Frau in Luxemburg, die Hip-Hop macht! Wie der Satzstellung zu entnehmen ist, steht das eigentliche Thema, nämlich die Kunstrichtung beziehungsweise das Musikgenre, an letzter Stelle.
Dass sie nunmal eine junge Frau ist, ist eigentlich nicht ihr eigenes Verdienst, sondern das Ergebnis einer zwischenmenschlichen Zusammenkunft, deren fleischgewordenen Ausgang niemand vorhersehen konnte und auf den Bausch keinen Einfluss hatte.
Für Nicool ist das alles schon etwas befremdlich, da sie ihr Geschlecht selbst nicht in den Vordergrund stellt. Sie nimmt es trotzdem gelassen und merkt an: «Ein wenig schade ist es schon, gewissermaßen nur darauf reduziert zu werden, weil mir geht es in erster Linie um meine Musik.» Sie wollte rappen und hat es durchgezogen. Jetzt möchte Bausch über das Resultat ihrer Arbeit sprechen.
Außerdem erinnert Nicool daran, dass sie längst nicht die einzige Frau ist, die in Luxemburg rappe. Es sei nur eben so, dass ihr neustes Projekt nun einen etwas offizielleren Charakter habe, als dies vielleicht bei anderen der Fall sei, die weniger Aufmerksamkeit bekämen. Einerseits freut sich die luxemburgische Rapperin über die ihr zugestandene Plattform.
Anderseits falle ihr aber auch auf, dass sie medial gesehen „à part“ abgehandelt werde, statt sich einfach in das größere – derzeit noch männlich dominierte – Gefüge einfügen zu dürfen. „Ich glaube, dass das viel mit der aktuellen Haltung in der Gesellschaft zu tun hat, die sich derweil noch auf solche Dinge fokussieren möchte. Vielleicht verlagert sich dieser Fokus ja innerhalb des nächsten Jahrzehnts und dann ist es ganz normal, dass Frauen luxemburgischen Hip-Hop produzieren.“
New kids on the block
Es steht ohne Zweifel eine neue Phase in der in den vergangenen zehn Jahren stetig gewachsenen Hip-Hop-Szene Luxemburgs an. Obwohl die Herren rund um «de Läb» sowie das «Läbbel» beileibe noch nicht als Amiperas-ähnliche Truppe gelten dürfen, machen sich neue Akteure bemerkbar, die im Gegensatz zu ihnen unter 30 sind und ihre Belange auf eine andere Art und Weise in Worte fassen. Somit ist die 23-jährige Nicole Bausch Teil einer neuen Generation von Hip-Hoppern, zu denen unter anderem auch das Stayfou-Kollektiv gehört. In diesem Zusammenhang könnte der eigentlich aus den 80ern stammende, sich auf den US-amerikanischen Raum beziehende Begriff des New School Hip Hop für den luxemburgischen Kontext neu definiert werden.
Nicole Bausch verfügt über eine klassische Musikausbildung, besuchte das Konservatorium und war in einem Musikverein aktiv. Erst mit der Zeit kamen immer wieder neue Musikrichtungen hinzu, bis sie dann beim Hip-Hop landete: «Ich hatte das nicht wirklich in der Hand. Ich besuchte ein Konzert von einem Rapper, der mich absolut in seinen Bann zog.» Die Faszination führte zu einer eingehenderen Beschäftigung mit dem Genre, sie besuchte Workshops, testete sich aus und beschloss, nicht mehr lockerzulassen, zu üben und einen eigenen Flow zu entwickeln. «Diesbezüglich bin ich unter anderem meiner Mitbewohnerin zu ewigem Dank verpflichtet, denn sie bewies sehr viel Geduld, wenn ich zum zigsten Mal sehr laut die ein oder andere Line ausprobierte», so die junge Rapperin lachend.
Gemeinsam ist man stärker
Es seien aber noch zahlreiche andere Menschen in eben diesen kreativen Prozess eingebunden gewesen, die sich mit ihr auseinandergesetzt und sie durch ihren Input weitergebracht hätten, betont Nicole Bausch. Hierzu zählen nicht nur Freunde, sondern auch Beatmaker, die eigens für sie Beats produzierten, und nicht zu vergessen der Rapper David Fluid, welcher an sie geglaubt hatte und dieses künstlerische Abenteuer vor mehr als einem Jahr mit ihr einging.
Wer in die ersten beiden veröffentlichten Tracks von Nicool reinhört, merkt relativ zügig, dass hier weder politische Feindbilder angegriffen werden noch dass die junge Frau ausufernde Manifeste für oder gegen irgendwas Bestimmtes verfasst hat. Die angeschnittenen Themen bewegen sich im Bereich des Alltags, der Liebe, des Zuhauses und dessen, was einen antreiben kann im Leben. Laut Nicole Bausch liegt dies auch daran, dass sie schon sehr lange schreibt und die Texte anfänglich nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren. Als sie anfing, ihre Gedanken zu verschriftlichen, dachte sie nicht im Traum daran, dass sie mal zu Nicool werden würde und aus diesen Zeilen Rap-Songs werden könnten.
Alles andere als faul und bequem
Der letzte Woche online präsentierte Track «Faul an bequem» (mit dazugehörigem Video) behandelt beispielsweise die Prokrastination, also das für viele Altersgenossen nicht unübliche Verschieben auf morgen, übermorgen oder den Sankt-Nimmerleins-Tag. Ein Phänomen, das eigentlich erst möglich wird, wenn man sich nicht in einer existenzbedrohlichen Situation befindet.
Demnach spielt natürlich auch der Entstehungsort eine Rolle. Es sind heute nicht mehr unbedingt die Bronx oder irgendeine Banlieu, in der Rap-Texte entstehen. Was hierzulande irgendwann die Lauscher der Zuhörer erreicht, kommt unter anderem aus dem «Minett», dem Ösling oder im Fall von Nicool aus Bonneweg, dem sie auch den Track «130 Säiten» widmet. Also einem Ort, an dem nicht Patronen aus unregistrierten Waffen, sondern fairgetradete Smoothies aus verwöhnten Kinderhänden geschossen werden.
Löst Luxemburg nicht ausreichend Wut in ihr aus, um verstärkt Stellung zu beziehen oder muss das vielleicht auch im Hip-Hop nicht immer sein? Darauf gibt es Nicole Bausch zufolge mehrere Antworten auf mehreren Ebenen: «Mir scheint es schwierig, stets nur eine Seite zu vertreten, weil es meiner Auffassung nach zu jedem Punkt zumindest immer zwei verschiedene Meinungen geben kann. Außerdem wäre es anmaßend von mir, zu glauben, über alles informiert zu sein oder somit zu jedem Thema einen Standpunkt haben zu können. Ich nehme es mir daher nicht automatisch raus, darüber zu richten, wer recht und wer unrecht hat.»
Dies bedeute dennoch nicht, dass sie sich nicht engagieren würde, ergänzt Nicole Bausch und fügt an, dass sie dafür nur nicht prioritär den Hip-Hop einsetze. Sie sei zum Beispiel bei den Pfadfindern und habe dort kürzlich intensiv im Rahmen der anstehenden Europawahlen mitgearbeitet. Die Studentin bringt noch einen weiteren Punkt ins Gespräch, den man hierzulande definitiv nicht zum ersten Mal hört und der in Zusammenhang mit einer eher gedämpften Angriffslust steht: «Luxemburg ist klein. Und vergisst nicht so schnell.»
Das Große im Kleinen
Dass die von ihr behandelten Themen eher gediegen ausfallen, erklärt sie abschließend wie folgt: «Mir geht es mehr um die kleinen Momente. Das Leben wird immer komplizierter und ich glaube, dass wir da mal wieder zu den einfacheren Dingen zurückfinden müssen.»
In Bezug auf den Sprachgebrauch hat Nicool definitiv ihren eigenen Standpunkt: „Meine Sprache soll auch meine Sprache bleiben. Ich bin nicht bereit, mit fremden Zungen zu sprechen, da das dann einfach nicht mehr ich wäre. Mein Hip-Hop soll mich reflektieren.“ Daher vermittle sie auch lieber Botschaften zwischen den Zeilen, als jemand Bestimmtes direkt bei Namen und Vornamen zu nennen.
Das Rappen konfrontierte Nicole Bausch auf einer neuen Ebene mit ihrer Muttersprache, die ja ohnehin schon je nach Alter und sozialem Background nochmals von mehreren Begriffen aus anderen Sprachen und Slangs geprägt ist. Selten zuvor habe sie derart viel darüber nachgedacht und mit Freunden über bestimmte Worte diskutiert, erklärt Nicool. Dabei sei es auch zu einer eingehenderen Beschäftigung mit dem Sinn und Klang von Begriffen gekommen. Ein wirkliches Lieblingswort möchte Nicool eigentlich nicht benennen, aber sie gesteht, dass sie das Wort «muusseg» irgendwie mag – auch wenn er nicht direkt als einsatzfähig im luxemburgischen Hip-Hop gelten kann.
Ihr Ziel sei es nun, immer besser zu werden, gibt Nicool auf die Frage hin, was die Zukunft bringe solle, an. Aber an was kann man das Gutsein denn eigentlich messen? Die junge Rapperin hält sich hier an die Temperaturmessung beim Publikum: «Man muss einfach spüren, ob es einem gelungen ist, mit den Menschen, die vor einem stehen, eine Verbindung herzustellen. Wenn ich feststelle, dass der ein oder andere gelächelt hat oder sichtlich einen schönen Moment verbracht hat, dann gibt das mir eine Zufriedenheit, die schwer in Worte zu fassen ist.»
Lesen Sie dazu den Kommentar von Anne Schaaf.
Top Geschier! Ganz gudd gemeet! Ass kee Featuring mam Corbi geplangt? Wier dach cool, e Fraen-Duo am letzeboier Hip Hop!