Wie und wann merkt ein Heranwachsender, dass seine Sexualität sich anders entfaltet, als von ihm erwartet wird? Wie geht er damit um, wie kommt seine Umgebung damit klar? Auf all diese Fragen sucht der kanadisch-amerikanische Film „Love, Simon“ von Greg Berlanti in einer romantischen Komödie nach (oberflächlichen) Antworten.
Wir sind in einem ruhigen Wohnviertel von Atlanta. Die eleganten Villen liegen in schönen Gärten, Bäume und Grünanlagen verhindern eine allzu invasive Nachbarschaft. In dieser sorgenfreien, komfortablen Welt wächst Simon (Nick Robinson) auf, wohl behütet von seinen gebildeten, verständnisvollen Eltern Emily und Jack (Jennifer Garner und Josh Duhamel), gut aufgehoben in seiner Clique, in der ihm seine langjährige Freundin Leah (Katherine Langford) und die neu hinzugezogene, attraktive Abby (Alexandra Ship) Rückhalt geben. Doch allmählich findet Simon in dieser schön geordneten, heilen Welt seinen Platz nicht mehr; er spürt, dass er irgendwie anders ist, dass seine Erwartungen an das Leben und an die Liebe, die es als Teenager zu entdecken gilt, anders aussehen, als er und seine Umgebung das von ihm erwarten. Doch zwischen diesem diffusen Verspüren eines bislang undefinierbaren Gefühls und dem klassischen Outing liegt ein langer, steiniger Weg.
Gefühl des Alleinseins
Der Auslöser des Gefühlschaos in Simons Herz und in seinem Leben ist Simons beste Freundin Leah, die ihm von einem Post auf dem kleinen Blog der High School erzählt, in dem ein User namens „Blue“ auf Facebook erzählt, dass er schwul ist. Weil jedoch keiner etwas davon weiß, fühlt er sich sehr alleingelassen. Dieses Gefühl kennt Simon gut. Deshalb schreibt er an „Blue“, teilt seine Eindrücke. Ohne sich zu kennen, verstehen sich die beiden gut, sie erkennen sich in dem anderen. Aus der zarten Freundschaft wird bald mehr.
Wein Simon unglücklicherweise seinen Account nicht richtig schließt, bekommt der unmögliche Klassenclown Martin (Logan Miller) Wind von dieser Korrespondenz. Weil er selbst es bislang ohne Erfolg auf Simons Freundin Abby abgesehen hat, setzt er den jungen Mann unter Druck, erpresst ihn regelrecht. Wenn Simon ihm den Weg zu Abby nicht ebnet, dann wird er ihn vor der ganzen Schule outen.
Monotone Aufbauphase
Natürlich kann der unglückliche Teenager der Erpressung nichts entgegensetzen. Aus Angst vor einer öffentlichen Anschuldigung vor der ganzen Schule verrät er seine Freunde.
Doch wie bei jeder Erpressung ist es mit einmaligem Nachgeben nicht getan. Als Martin sich trotz allem einen Korb von Abby einfängt, sinnt er auf Rache. Er verrät den Gleichaltrigen. Dieser verliert daraufhin nicht nur seine Freunde, sondern fühlt sich auch noch bloßgestellt.
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Becky Albertalli aus dem Jahr 2015 ist der Film in drei Kapitel unterteilt. In einer ersten, langen, mitunter etwas monotonen Aufbausphase lernen wir Simon kennen. Er ist bis dahin ein gut integriertes Mitglied seiner Gesellschaftsschicht.
Wir können dann beobachten, wie dieses Universum durch die Ankunft von „Blue“ erschüttert wird, als sich der junge Mann erstmals seiner Sexualität und seines Begehrens bewusst wird. Trotz hervorragender schauspielerischer Leistungen bekommt der Film erst im letzten Fünftel der 110-minütigen Handlung mit dem Zerbersten der Kindheit, dem schmerzhaften Übergang zu etwas Neuem, wieder etwas mehr Spannung.
Brutales Outing
Der Film verschweigt die dramatischen Folgen eines brutalen Outings bei einem 17-jährigen Schüler zwar nicht, durch die scheinbare Ausgeglichenheit, die vermeintliche Ruhe bleibt er jedoch leider zu sehr auf dem oberflächlichen Niveau einer Teenie-Komödie stehen.
Simon und seine heile Vorstadtwelt sind zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Von der Gleichberechtigung bis zur ethnischen und religiösen Vielfalt bleibt alles im Lot.
Eltern und Lehrer kennen zwar die psychischen Auswirkungen eines Outings, sie bringen es jedoch fertig, den Schein der perfekten amerikanischen Vorstadt-Idylle aufrechtzuerhalten. Mehr noch, Simon kann Empathie erzeugen und somit zwischen den verschiedenen Lebensformen vermitteln.
Das Werk wurde im März in den USA begrüßt, auf der Filmkritik-Webseite „Rotten Tomatoes“ gab es 92% positives Feedback. Auch die deutschen Fachleute werten die Tatsache positiv, dass aus dem Schwulsein kein tödliches Drama wurde, sondern eine Welt geschaffen wird, in die sich mancher Teenie und Erwachsener flüchten und Mut schöpfen kann, weil sie ihm zeigt, wie man überleben kann. Auch in Frankreich wurde die Thematik von der Kritik als „befreiend für die schwule Jugend“ bezeichnet. Insofern ist „Love, Simon“ die interessante Weiterentwicklung einer Thematik, die dem internationalen Kino zurzeit sehr am Herzen liegt.
„Love, Simon“, läuft im Kinepolis auf Kirchberg
und in Belval. Die genauen Uhrzeiten finden Sie auf www.kinepolis.lu.
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