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Der Mann mit Hut: Großbritanniens berühmtester Brexit-Demonstrant

Der Mann mit Hut: Großbritanniens berühmtester Brexit-Demonstrant

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Steve Bray demonstriert seit mehr als einem Jahr vor dem Westminster Palace in London gegen den Brexit. Warum tut er sich das an?

Vor dem Parlament in London steht ein Mann mit blauem Hut. Er steht dort jeden Tag, seit über einem Jahr. Der Mann heißt Steve Bray, ist 49 Jahre alt und kommt aus Port Talbot, einer kleinen Hafenstadt im Süden von Wales. Auf seinem Hut steht in großen Buchstaben und auf gelbem Grund: «STOP BREXIT». Er ist Großbritanniens bekanntester Brexit-Gegner. Viel Zeit bleibt ihm für seinen Protest nicht mehr: In drei Monaten – am 29. März – wird Großbritannien die Europäische Union voraussichtlich verlassen.

Bekannt wurde er, weil er seinen Protest bis ins Fernsehen trug. Britische TV-Sender berichteten in den vergangenen Monaten immer wieder live vor dem Parlament über den geplanten EU-Austritt oder führten Interviews mit Politikern. Währenddessen stellte sich Bray mit seinen Plakaten stumm ins Bild. Um ihn loszuwerden, wechselten die Sender binnen Sekunden die Kameraeinstellung. Das half aber nichts, denn Bray machte zwei Schritte zur Seite – und stand wieder mittendrin.

Jeden Tag bei jedem Wetter

Die Journalisten trieb er damit in den Wahnsinn. Seit einigen Wochen berichten Sender wie die BBC und Sky News aus etwa fünf Metern Höhe, von eigens installierten Plattformen. Mehrere rechteckige Konstruktionen aus Metallstreben mit weißem Plastikdach reihen sich auf dem Rasen vor dem Parlament aneinander. Sicher waren die Journalisten und Politiker aber auch in der Höhe nicht: Bray bastelte sich kurzerhand Stangen an seine Schilder, von nun an ragten sie von unten ins Bild. Also ließ man am Rand der Wiese einen Metallzaun aufstellen, um Bray vom Rasen fern zu halten.

An diesem Zaun steht er seitdem mit den anderen Demonstranten und brüllt «Ihr zerstört das Land» und «Großbritannien, der größte Witz der Welt» durch die kalte Winterluft. Die Sender ziehen ihre Interviews mit den Politikern trotzdem durch, sie sind Bray gewöhnt. Bray schreit und wedelt mit seinen Schildern täglich weiter.

Jeden Tag? «Außer am Wochenende.» Bei jedem Wetter? «Bei jedem Wetter», sagt er. Manchmal 15 Stunden pro Tag. Macht er dazwischen wenigstens Pausen? «Ich esse und ich trinke, aber alles im Stehen.»

«Seine Freunde kann man sich aussuchen, seine Familie nicht.»

Bray kam im September 2017 zum Protestieren nach London. Warum er das machte? «Weil ich eine Ahnung hatte, welche soziale Ungerechtigkeit er [der Brexit] auslösen würde.» Außerdem fühlt er sich von der Regierung betrogen und will sich dagegen wehren. Er habe zunächst eine Woche freiwillig auf der Straße gelebt und nachts im Hyde Park geschlafen, erzählt er. Zum Essen ging er in die Suppenküche. Bray hatte ein kleines Online-Geschäft mit Münzen. Viele davon verkaufte er vor seiner Abreise nach London.

Mittlerweile lebt er in einer Wohngemeinschaft mit jemandem, der angeblich Boris Johnson sehr ähnlich sieht. Der britische Politiker hatte die Kampagne der Befürworter des EU-Austritts angeführt. «Ich gehe also von hier nach Hause zu Boris Johnson, welch› eine Ironie», sagt Bray und lacht. Eine Freundin stellt ihm die Wohnung mietfrei zur Verfügung, ihren Namen will er nicht nennen. Aber auch sie würde sich gegen den Brexit einsetzen.

In seiner Heimat Wales hat die Mehrheit für den Austritt aus der EU gestimmt. Durch das Referendum habe er viele Freunde verloren. «Alle Freunde, die ich jetzt habe, sind Brexit-Gegner.» Und wie hat seine Familie gewählt? Bray zögert, dann sagt er: «Seine Freunde kann man sich aussuchen, seine Familie nicht.» Seit seinem Protest in London bekommt er sogar Morddrohungen. «Ich schüttle das einfach ab und mache weiter.» Bray ist überzeugt, dass Großbritannien letztlich doch nicht aus der EU austreten wird. Aber was, wenn doch? Dann würde er das Land verlassen. Damit es dazu nicht kommt, protestiert er weiter. «Man muss sich für das einsetzen, woran man glaubt», sagt er und kehrt zurück zu den Demonstranten.

Grober J-P.
28. Dezember 2018 - 12.07

Alle Achtung, der Waliser scheint Rückgrat zu haben, kann man nicht von den meisten Politikern sagen.