Auf der Grundlage von William Goldings „Herr der Fliegen“ schuf Serge Wolf das Kindertheaterstück „Lîle sauvage“, eine moderne Robinsonade.
Ein Gruppe von Jugendlichen strandet auf einer einsamen Insel. Ohne überlebenden Erwachsenen sind sie auf sich allein gestellt und müssen sich organisieren, um zu überleben. Während der größte Teil der Gruppe den Aufenthalt auf der Insel als Abenteuer sieht und jagen will, sorgt sich eine Minderheit um die Aufrechterhaltung einer zivilisierten Ordnung und um eine eventuelle Rettung.
Dafür muss ein Feuer unterhalten werden, damit eventuell vorbeifahrende Schiffe sie sehen können. Die Gruppe der Jäger vernachlässigt diese Aufgabe, verroht immer mehr und bringt am Ende eines der Kinder um.
Inseln sind oft benutzte Themen in der Literatur: „Die Schatzinsel“, „Die geheimnisvolle Insel“, „Robinson Crusoe“, „Die Insel des Dr. Moreau“ und noch andere benutzen die Abgeschiedenheit eines Eilands, um die Protagonisten mit essenziellen Lebensfragen zu konfrontieren. William Golding griff in seinem Roman „Herr der Fliegen“ etwa die Frage auf, wie Gemeinschaften und Individuen sich entwickeln, wenn sie auf sich allein gestellt sind, abseits der Zivilisation und konfrontiert mit den Kräften der Natur.
Serge Wolfs Stück übernimmt größtenteils die Geschichte von „Herr der Fliegen“; Details übernimmt er von anderen Werken wie z.B. Jules Vernes „L’île mystérieuse“ oder Daniel Defoes „Robinson Crusoe“. Doch der Autor vereint nicht nur verschiedene literarische Quellen, sondern auch verschiedene Themen. Wie in Goldings Roman steht auch in „L’île sauvage“ das Thema der Gewalt im Vordergrund. Wie viel Potenzial davon steckt in uns? Bei Golding werden wohlerzogene Kinder zu Wilden und gehen mit Speeren aufeinander los. Niedere Instinkte gewinnen bei der Mehrheit schnell die Oberhand über anerzogene Sozialkonventionen.
Der Wald auf der Insel wird zum Ort der geheimsten Ängste aber auch von Sehnsüchten. Im Wald sehen sich die Kinder mit ihren Ängsten und ihrem Unterbewusstsein konfrontiert. Das Überleben auf der Insel wird zum Kampf gegen die eigenen Dämonen. Dieser Kampf findet auf zwei Ebenen statt: auf der psychologisch-individuellen, verdeutlicht durch die Albträume eines der Kinder, sowie auf einer sozialen, im Kampf zweier Gruppen, zweier Weltanschauungen gegeneinander. Ein paradiesisches Eiland wird zur Hölle, analog zu Sartres „Die Hölle, das sind die anderen“.
Serge Wolf (als Autor unter dem Pseudonym Serge Wolfsperger) gelingt mit „L’île sauvage“ ein Überraschungscoup. Die Interpretationen der Kinder erfreuen durch eine erfrischende Spontanität. Allerdings wird der Spielfluss durch unnötige Längen unterbrochen. Ohne Text der Schauspieler zu streichen, gibt es Zeitsparpotenzial, vor allem bei den Erklärungen aus dem Off. Während die jungen Schauspieler auch in der letzten Reihe sehr gut zu verstehen sind (was man von luxemburgischen „Profis“ oft nicht behaupten kann), klingt die Stimme aus dem Off (eine gealterte Protagonistin, die die Geschichte aus dem Gedächtnis erzählt) stellenweise so unverständlich und genuschelt, dass Streichen hier wohl die beste Lösung wäre.
Bühnenbildnerin Trixi Weis lieferte eine sehr gute Arbeit: Mit Ästen bauen die Kinder Hütten; eine Leinwand als Hintergrund stellt die Einsamkeit der Wildnis dar. Wände links und rechts engen die Bühne ein und symbolisieren die gesellschaftlichen Zwänge, die auch auf einer abgeschiedenen Insel entstehen. Alles in allem ein Theaterstück, das nicht nur den Mitwirkenden, sondern auch dem Publikum Spaß macht.
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