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Schuler Deschryver: „Der Friedensnobelpreis ist ein zweischneidiges Schwert“

Schuler Deschryver: „Der Friedensnobelpreis ist ein zweischneidiges Schwert“

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Christine Schuler Deschryver ist Vizepräsidentin der Panzi-Stiftung und Direktorin des Zentrums „City of Joy“, wo „survivors“ wieder für die Arbeitswelt aufgebaut werden. Ein Modell, das viele Nachahmer findet. Deschryver spart nicht mit Lob für Luxemburgs Großherzogin und wirft einen kritischen Blick auf die Konferenz der Dr.-Denis.- Mukwege-Stiftung.

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Tageblatt: Was hat es mit dem begehrten Modell der „City of Joy“ auf sich?

Christine Schuler Deschryver: City of Joy ist ein Projekt der Panzi-Stiftung im Kongo. Erstmal lade ich alle dazu ein, einen Dokumentarfilm auf Netflix mit dem Namen „City of Joy“ anzuschauen. Ich weiß, dass es ein Modell ist, das jeder jetzt nachahmen möchte. Es geht darum, wie man Strafen in Macht umsetzen kann.

Das müssen Sie genauer erklären …

„Survivors“ werden hier aufgebaut und fit für die Arbeitswelt gemacht. Wir wollen die misshandelten Frauen zu Führungspersonen ausbilden. Wir haben viele Nachfragen von außerhalb, die ebenfalls so ein Zentrum eröffnen wollen. Die nächsten Zentren werden voraussichtlich in Afghanistan und in New Orleans in den USA entstehen. Die Idee stammt von kongolesischen Frauen. Wird ein solches Projekt in einem Land wie den USA kopiert, dann wäre das natürlich schon bemerkenswert für uns.

Was hat Ihnen an der Konferenz am besten gefallen?

Hier zu sein und das Engagement der luxemburgischen Großherzogin zu sehen. Ich habe sehr viel von ihr erzählen gehört – aber die vergangenen Jahre habe ich es vorgezogen, mich voll auf meine Arbeit zu konzentrieren, statt zu reisen. Es war wirklich schön, zu sehen, dass sich Menschen, die nicht aus dem Kongo, sondern aus Ländern wie Luxemburg stammen und nicht solche Probleme haben, derart mit Herzblut engagieren und dadurch so viele Ressourcen und Mitmenschen mobilisieren. Es ist eine ehrliche Solidarität mit dem Leid vieler Frauen, die misshandelt wurden und deren Geschlechtsorgane zerstört wurden. Würden mehr Frauen so denken wie die Großherzogin, dann wären wir fähig, glaube ich, dieses Böse, das in der Welt grassiert, auszuschalten.

Welches Fazit ziehen Sie aus der Konferenz?

Also um ehrlich zu sein, kennen wir ja alle die politische Sprache. Ich habe mir mehr Engagement erwartet und war sehr enttäuscht von der doch sehr ausweichenden Antwort der Vereinten Nationen, die durch Pramila Patten vertreten wurden. Aber das hat mich nicht wirklich gewundert, Patten hat wiederholt den Begriff „amplify“, also „verstärken“, benutzt. Sie hat den Fokus darauf gelegt, die Stimmen der Opfer zu bestärken. Dabei brauchen wir niemanden, der unsere Stimmen bestärkt, denn wir tun bereits viel Sensibilisierungsarbeit. Was wir brauchen, ist Aktion, Aktion und nochmal Aktion. Die UN soll konkret was tun dagegen, nach dem Motto Aktion, Reaktion. Und nicht nur leere Versprechungen vor sich herreden in einer politischen Sprache, die uns seit 20 Jahren alle langweilt.

Sie wollen also konkrete Aktionen?

Ja. Wie Esther Dingemans, Direktorin der Dr.-Denis-Mukewege-Stiftung, bereits gesagt hat: Im Panzi-Krankenhaus stehen zahlreiche Menschen auf der Warteliste, um operiert zu werden. Wir wollen die Frauen nicht abweisen, haben aber nicht die Möglichkeiten, sie direkt zu behandeln. Wir brauchen konkrete Zusagen. Wir können selbst unsere Stimme erheben, durch die sozialen Medien haben wir ein enormes Sprachrohr für unseren Kampf. Doch ohne finanzielle Mittel bringt uns das recht wenig. An die UN: Wenn ihr nicht mit konkreten Zusagen hierherkommt, dann braucht ihr gar nicht zu kommen.

Mit dem Friedensnobelpreis erleben Sie aber sicherlich einen Aufschwung in Ihrem Kampf, oder?

Der Friedensnobelpreis ist für mich ein zweischneidiges Schwert. Für eine kurze Zeit wird es die Problematik der Vergewaltigung als Kriegswaffe ins Rampenlicht setzen, jeder spricht davon. Dr. Mukwege hat sämtliche Auszeichnungen bekommen, die man haben kann – und nun den Friedensnobelpreis. Doch das setzt ihn zunehmenden Gefahren aus. Es gibt viel Eifersucht und Neid. Helle Lichter werfen große Schatten. Ich hoffe zumindest, dass wir im Kongo diesen Nobelpreis für uns maximal nutzen können, denn er gehört uns allen dort. Für die Arbeit, die wir tun, für alle „survivors“, zumindest was die internationale Anerkennung betrifft. Wir werden uns im Dezember zusammensetzen und sehen, wie wir diesen Nobelpreis am besten einsetzen können, damit es keinen „Day after“ (dem Nobelpreis) gibt.

Das andere Problem ist, dass ich Angst habe, dass man Dr. Mukwege ständig überallhin einlädt und dass wir ihn nicht mehr in Panzi sehen werden. Ich habe ein wenig das Gefühl, dass man ihn uns klaut. (lacht) Einige „Survivors“ haben diese Angst ebenfalls. Sie haben zu mir gesagt: So, nun ist Mukwege nicht mehr der unsere. Ich habe dann probiert, zu erklären, dass er immer noch der unsere ist, aber dass er mit der Stiftung mehr unterwegs sein wird.

 

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