Bei einem Raketenangriff der afghanischen Luftwaffe auf ein angebliches Talibantreffen in der nordafghanischen Provinz Kundus am Montag könnten um die 50 Zivilisten getötet worden sein. Das sagte am Dienstag ein Stammesältester und Augenzeuge aus dem betroffenen Bezirk Dascht-e Artschi, Hadschi Mohammed Naim. Er habe nach den Luftschlägen, die eine Koranschule getroffen hatten, viele tote Kinder und nur vier tote Talibankämpfer gesehen. Etwa 65 Menschen seien verletzt worden.
Auch Tolo TV berichtete von um die 50 toten Zivilisten. Der Leiter des Gesundheitssektors in Kundus, Abdul Matin Atifi, sagte, nur etwa 30 Opfer hätten es bis in die Klinik in der Provinzhauptstadt geschafft. Mehr als ein Drittel dieser Patienten seien Kinder. Die UN twitterten, dass sie eine Untersuchung eingeleitet hätten.
Wie der Stammesälteste Naim berichtete, hatten am frühen Montagmittag zwei Militärhubschrauber insgesamt acht Raketen in die große Menschenmenge geschossen, die sich rund um die Koranschule für einen Festakt und ein Mittagessen versammelt hätte. «Es war herzerreißend», sagte Naim. «Leute, die schrieen und rannten, Leichen und Verletzte, Rauch und Staub überall. Es war wie ein böser Traum.»
Das Militär wies die Berichte über zivile Opfer jedoch weiter zurück. Der Sprecher der 20. Pamir-Division in Kundus, Ghulam Hasrat Karimi, sagte, der Angriff habe sich gegen eine große Zusammenkunft von Taliban mitsamt Mitgliedern eines Führungsgremiums aus Pakistan gerichtet. Die Taliban hätten dort ihre Frühjahrsoffensive geplant. Es seien mehr als 20 Kämpfer getötet und mehr als 30 verletzt worden.
Ein hoher Polizeibeamter aus dem Bezirk sprach sogar von 84 getöteten und verletzten Talibankämpfern. Der Mann sagte, sie seien auch aus anderen Provinzen wie Samangan, Tachar, Baghlan and Badachshan gekommen. Der Stammesälteste Naim wiederum bezeichnete die Teilnehmer aus anderen Provinzen als Koran-Schüler.
Der Zugang zu dem in weiten Teilen von Taliban kontrollierten Bezirk ist schwierig. Talibansprecher Sabiullah Mudschahid bot allerdings am Dienstag in einer seltenen Geste Journalisten freies Geleit an.
Die noch junge, im Training begriffene afghanische Luftwaffe und Piloten der US-Luftwaffe haben 2016 und 2017 ihre Angriffe auf Talibanstellungen massiv ausgeweitet. Gleichzeitig ist die Zahl der zivilen Opfer durch Luftangriffe in die Höhe geschnellt. Sie machten 2017 nach dem jüngsten Zivilopferbericht der UN mit mehr als 630 Toten und Verletzten sechs Prozent aller zivilen Opfer aus.
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