Es konnte kaum schneller gehen. Die CSV hatte am Dienstagmittag die 163 Mitglieder des Nationalrats ins Strassener Centre culturel Paul Barblé gerufen, um über den Eintritt der Partei in die Koalitionsverhandlungen abzustimmen. Etwa hundert Mitglieder waren bei strahlendem Sonnenschein gekommen. Neben der Parteiführung aus dem Nationalkomitee gehören dem Nationalrat die Mitglieder der Bezirksvorstände, der Kammerfraktion, die früheren Parteipräsidenten, jeweils fünf Mitglieder der Nationalkomitees der Unterorganisationen an – der Nachwuchsorganisation CSJ und der CSV-Frauen sowie der CSV-Gemeinderäte und der CSV-Senioren. Festgelegt werden sollte außerdem laut Parteistatut die prinzipielle Orientierung der Verhandlungen und die Verhandlungsdelegation.
Am Vorabend hatte das Nationalkomitee einstimmig grünes Licht gegeben. Währenddessen hatte sich auch das Bureau exécutif und das Comitée directeur der DP für Koalitionsverhandlungen ausgesprochen – ohne Anspruch der Liberalen auf den Premierministerposten. Großherzog Henri hatte Luc Frieden am Montagnachmittag zum neuen Formateur ernannt. Damit gilt der CSV-Politiker und frühere Minister als künftiger Regierungschef.
Nach dem kurzen Zusammentreffen des Nationalrats wiederholte der Abgeordnete und Käerjenger Bürgermeister Michel Wolter, einst selbst Parteichef und Innenminister der Christlich-Konservativen, was Luc Frieden bereits am Vortag gesagt hatte: „Wenn die Verhandlungen Erfolg haben, werden wir eine starke Mehrheit von 35 der insgesamt 60 Sitze in der Chamber haben.“ Wolter erwarte, dass man sich auf die zehn Hauptpunkte einigen könne, die die CSV in ihrem Wahlprogramm als Prioritäten herausgehoben hatte. „Wir müssen schauen, was bei den Verhandlungen herauskommt“, so Wolter. „Daraus ergibt sich dann eine Schnittmenge.“ Auch sagte er, dass die Energiewende und der Kampf gegen den Klimawandel nicht vom Tisch seien, aber gemeinsam mit den Menschen angegangen und nicht von oben herab entschieden werden müssten.
Programmatische Kohärenz
Dass es wichtig sei, möglichst schnell eine funktionierende Regierung aufzustellen, gab auch Luc Frieden zu erkennen. Er hatte bereits am Wahlabend deutlich signalisiert, dass die DP der bevorzugte „natürliche“ Koalitionspartner dieser Wunschkoalition sei, und sprach von einer „programmatischen Kohärenz“. Die Entscheidungen der Parteigremien seiner Partei fielen demnach schnell und einstimmig. Den Verhandlungen blickt Frieden als „Brückenbauer“ optimistisch entgegen.
In der Tat gibt es etliche programmatische Schnittmengen, etwa in der Finanz- und Wirtschaftspolitik, aber auch im Gesundheitswesen und in Sicherheitsfragen. Es ist davon auszugehen, dass die Kaufkraft gestärkt werden soll, ohne dass die Vermögenden besonders belastet werden sollen. Ziel dürfte es auch sein, bürokratische Hindernisse abzubauen, aber auch Privatisierungen im Gesundheitsbereich.
Das Online-Magazin Reporter.lu spricht von einer „liberal-konservativen Ideologie“, die CSV und DP verbindet. In wirtschaftlicher Hinsicht bedeutet das ein neoliberales Denken, also das Primat des freien Marktes vor staatlichen Initiativen. Ähnliches gilt für den Wohnungsbau, wo eindeutig der Privatsektor und weniger das Handeln des Staats Priorität hat. Konservativ sind beide eher in Sicherheitsfragen. „Aus dieser ideologischen Gemeinsamkeit lässt sich aber auch herauslesen“, so Reporter.lu, „was nicht zu den Prioritäten gehört, wie zum Beispiel die soziale Gerechtigkeit.“ Primär geht es den beiden künftigen Koalitionspartnern eher um die Wahrung der Besitzstände und der Vermögen als um die Sozialpolitik. Im Wahlkampf hatte Frieden Steuererleichterungen für alle versprochen, aber wenig über die Finanzierung dieser erklärt, außer dass sie sich quasi von selbst finanzieren sollen. In der Vergangenheit haben gerade die Liberalen gerne von „sozialer Selektivität“ gesprochen, unter deren Deckmantel häufig der Sozialstaat auszuhöhlen versucht wurde.
„Die Chemie muss stimmen“
Dass es auch zwischenmenschlich passe zwischen CSV und DP, konnte der Abgeordnete und hauptstädtische Schöffe Serge Wilmes nach dem Treffen des Nationalrats bestätigen. „Die Chemie muss stimmen“, sagte er und verwies auf die Koalition zwischen den beiden Parteien in der Hauptstadt. Er lobt die Zusammenarbeit mit der liberalen Bürgermeisterin Lydie Polfer, die man als Beispiel für eine Zusammenarbeit auf nationaler Ebene nennen könne. Wilmes verwies zudem auf die letzte CSV-DP-Koalition von 1999 bis 2004.
Im Vergleich zu den vergangenen Wahlen 2018, als man zu siegessicher gewesen sei, erklärte Wilmes, habe seine Partei aus diesen gelernt und die Fehler von damals nicht wiederholt. „Ich habe noch nie so eine große Harmonie gespürt“, sagt der 41-jährige CSV-Politiker. „Wir haben alle an einem Strang gezogen und klar gewusst, was wir wollten.“ Hinzu kam, dass Frieden ein „exzellenter Spitzenkandidat“ gewesen sei.
Die Vorsicht im Wahlkampf und die Zurückhaltung, was die Besetzung des Premierministerpostens angeht, sei bewusst gewählt worden. Das Fell des Bären sollte nicht verteilt werden, bevor dieser erlegt wurde. Vor fünf Jahren war noch am Wahlabend von einem Sieg der Christsozialen ausgegangen worden, bevor die Grünen mit dem Hinzugewinn von Restsitzen die Dreierkoalition retteten.
Umgang mit der ADR
Auf das Erstarken der Rechtspopulisten von der ADR angesprochen, sagte Wilmes: „Ich war mir dieses Gefahrenpotenzials bewusst, aber doch etwas überrascht, dass es der ADR gelungen ist, so stark abzuschneiden.“ Die ADR liegt mit fünf Parlamentssitzen vor den Grünen (vier) und vor den Piraten (drei). Man müsse diese Wähler, die am vergangenen Sonntag die ADR gewählt haben, auch ansprechen und zum Beispiel Themen wie die Sicherheit aufgreifen, ohne aber in deren Gewässern zu fischen, betonte Wilmes.
Nach den Wahlen am 14. Oktober 2018 waren die Delegationen der drei Parteien der Gambia-Koalition auch drei Tage nach dem Urnengang zusammengekommen, um die Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Am 3. Dezember 2018 wurde die Koalitionsvereinbarung unterzeichnet, zwei Tage später die Regierung vereidigt. 2013 hatte es vom 29. Oktober bis 4. Dezember gedauert, bis die erste blau-rot-grüne Regierung stand.
Am ersten Tag der diesjährigen Koalitionsverhandlungen werde es vor allem um organisatorische Dinge gehen, erklärte Claude Wiseler, Co-Präsident der CSV. Die Delegation seiner Partei besteht aus zehn Personen und wird von ihm angeführt. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen Arbeitsgruppen gebildet werden, zu denen auch Experten in den jeweiligen Dossiers herangezogen werden. Der Verhandlungschef auf der Seite der Liberalen ist Noch-Premierminister Xavier Bettel. Wenn die neue Regierung steht, wird er nicht mehr deren Chef sein.
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