Während der Behandlung mit dem Gerinnungshemmer Pradaxa sind fünfmal so viele Schlaganfall-Patienten zu Tode gekommen wie bislang bekannt. Wie das Nachrichtenmagazin «Spiegel» berichtet, wurden von März 2008 bis Anfang November diesen Jahres weltweit 256 Todesfälle im Zusammenhang mit der Einnahme des Medikaments des Herstellers Boehringer Ingelheim gemeldet. Das Magazin beruft sich auf Zahlen der europäischen Arzneimittelbehörde EMA. 21 Todesfälle traten demnach in Europa auf, vier davon in Deutschland. Laut «Zeit Online» hatte der Konzern bislang öffentlich nur eine Größenordnung von rund 50 Todesfällen eingeräumt. Das Medikament wird auch in Luxemburg verschrieben.
Boehringer Ingelheim hatte Anfang November nur «gemeldete Fälle» bestätigt. Zahlen nannte ein Sprecher zu dem Zeitpunkt nicht, mit dem Hinweis, die Einzelfallprüfungen liefen noch. Am Samstag bestätigte das Unternehmen nun, dass die Zahl der weltweit gemeldeten Verdachtsfälle von tödlichen inneren Blutungen im Zusammenhang mit der Pradaxa-Einnahme seit März 2008 bei 260 liege. Darüber hinaus seien 80 Verdachtsfälle bekanntgeworden, die sich auf schwerwiegende Blutungen mit anderer oder unbekannter Todesursache beziehen.
Hersteller weist Kritiken zurück
Die Firma wies Kritik an der Wirksamkeit oder Sicherheit von Pradaxa zurück: Bei allen Medikamenten zur Blutverdünnung könne es zu unerwünschten Blutungen kommen. Klinische Studien hätten ergeben, dass Pradaxa – bei richtiger Dosierung – denselben Schutz vor Schlaganfällen bietet, wie die bisher eingesetzten Medikamente, allerdings bei einer höheren Sicherheit vor Blutungen.
Boehringer Ingelheim hatte kürzlich nach eigenen Angaben EU-weit einen Brief an Ärzte und Apotheker verschickt, der die Empfehlungen für die Verschreibung von Pradaxa ergänzt. Zuvor hatte es ähnliche Warnungen in Japan gegeben, nachdem dort insgesamt 14 Patienten nach schweren inneren Blutungen gestorben waren, wie der «Spiegel» berichtete. Auch in Australien und Neuseeland hatten die Gesundheitsbehörden Alarm geschlagen.
Auf jeden Fall den Arzt konsultieren
Risikofaktor ist laut einer Mitteilung des Unternehmens eine eingeschränkte Nierenfunktion bei Patienten. «Die Rate der Verdachtsfälle von tödlichen Blutungen ist niedriger als in den klinischen Studien, die zur Zulassung des Medikaments geführt haben», betonte ein Unternehmenssprecher. «Patienten sollten das Medikament auf keinen Fall ohne Rücksprache mit ihrem Arzt absetzen.»
Unter dem Namen Pradaxa wird der Wirkstoff Dabigatran vertrieben. Das Medikament ist seit 2008 als Thrombosevorsorge nach Operationen und seit Ende 2010 zur Vorbeugung gegen Schlaganfälle bei Patienten mit Vorhofflimmern zugelassen. Der Gerinnungshemmer soll das Medikament Marcumar ersetzen und gilt als künftiges Milliardengeschäft.
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