In dem sechsköpfigen Leitunggremium der Bank ist derzeit ein Platz frei. Der Spanier Jose Manuel Gonzalez-Paramo hat Ende Mai das Direktorium verlassen. Seitdem gibt es im Hintergrund Machtkämpfe um den freien Sitz. Spanien besteht darauf, den Platz mit einem anderen Spanier zu besetzen. Die nordeuropäischen Mitgliedsstaaten der Eurozone bestehen auf einer ausgeglichenen Besetzung. Präsident Mario Draghi ist Italiener, sein Stellvertreter Vitor Constancio ist Portugiese.
Spanien hat als Nachfolger Antonio Sainz de Vicuna nominiert, der der Chefjurist der Europäischen Zentralbank ist. Weitere Kandidaten kommen aus Slowenien. EU Minister Mitja Gaspari bewirbt sich um den Posten. Er ist der ehemalige Notenbank-Gourveneur Sloweniens. Die Niederlande und auch Finnland sollen ebenfalls darüber nachdenken, Kandidaten zu benennen. Nominierungen mussten bis Freitag Abend erfolgen, damit die Finanzminister der Eurozone am kommenden Montag über die Besetzung des Postens beraten können.
Ein «Falke»
Yves Mersch ist der luxemburgische Notenbank-Gouverneur seit der Errichtung der luxemburgischen Zentralbank im Jahre 1998. Dass Luxemburg über einen Dauersitz im Rat der Europäischen Zentralbank ist seiner Argumentation bei der Aufteilung der Sitze zu verdanken. Mersch gilt im Zentralbank als ein «Falke», der sich in der Vergangenheit gegen den Ankauf von Anleihen aus europäischen Krisenländern ausgesprochen haben soll, der auch konsevative Ansichten im Bezug auf die Zinspolitik der EZB hat. Mersch hat sich in den vergangenen sechs Monaten auch in der Öffentlichkeit weltweit immer wieder dagegen gewendet, dass die Europäische Zentralbank Staaten finanziert. «Wir sind nicht der Rettungsanker für Staaten», wiederholte er stetig.
Merrsch war das Mitglied der EZB, das den Staaten unaufhörlich sagte, dass sie ihre Finanzen in Ordnung bringen müssten. Er war aber auch der, der zu Ruhe aufrief, wenn de Märkte zu hektisch wurden. Mersch brachte in die Diskussion grundlegende Ansichten ein. Er mahnte die Märkte, sich daran zu gewöhnen, dass Demokratien Zeit brauchten, um Probleme zu lösen. Durch die öffentlichen Auftritte und die klaren Positionen, die Mersch vertrat, gewann der Chef der Luxemburger Zentralbank an Statur.
Respekt erworben
Premierminister Jean Claude Juncker hat in der Vergangenheit nie versucht, personalmäßig in der Europäischen Zentralbank Einfluss zu gewinnen. Er hat auch in der Vergangenheit selbst dann nicht, als aussichtsreiche Posten zu vergeben waren, einen Luxemburger Kandidaten ins Spiel gebracht. Die Anmeldung der Kandidatur von Yves Mersch erfolgt jetzt mit einer Person, die sich Respekt erworben hat. Mersch ist als Mitglied des Zentralbankrates überdies sehr präsent in der islamischen Welt. Er hat erstmals in Europa in Luxemburg die Chefs der Finanzaufsichten der islamischen Welt zu einem westlich-islamischen Kongress zusammengeführt, bei dem die unterschiedlichen und gemeinschaftlichen Auffassungen erarbeitet wurden. Im November 2011 unterzeichnete Mersch einen Kooperationsvertrag zwischen den Zentralbanken von Katar und Luxemburg. Der Zentralbankchef Katars wird als Gast in Luxemburg erwartet.
Mersch ist 1949 geboren. Er hat in Paris internationales Recht studiert. Er ist Mitglied der Rechtsanwaltskammer Luxemburgs. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich bezeichnete ihn bei einem internationalen Kongress als «führendes Mitglied» der Europäischen Zentralbank.
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