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Wieder einmal deutsch

Wieder einmal deutsch
(Heinz-juergen Goettert)

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Das Nein der Saarländer war ein Ja zu Deutschland. Vor 60 Jahren stimmten sie gegen ein europäisches Saar-Statut. Wenig später wurde das Saarland zu einem deutschen Bundesland.

Das waren noch Zeiten. Als die Olympiamannschaft des Saarlandes 1952 in Helsinki mit 36 Sportlern unter einer blau-roten Flagge mit einem weißen Kreuz auftrat. Oder 1954, als die saarländische Fußballnationalmannschaft unter Leitung von Helmut Schön die Deutschen von Sepp Herberger an der Reise nach Bern hätte hindern können – wenn sie nicht doch im entscheidenden Qualifikationsspiel 1:3 gegen Deutschland verloren hätte. Mit solchen Sportereignissen ist es aus und vorbei, seit 67,7 Prozent der Saarländer vor 60 Jahren, am 23. Oktober 1955, bei einer Volksabstimmung über das sogenannte Saar-Statut mit Nein stimmten.

Dieses Nein zum gemeinsamen Vorschlag des deutschen Kanzlers Konrad Adenauer und des französischen Premiers Pierre Mendès France wird am Freitag (23. Oktober) gefeiert. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt. Denn das Nein zu einem «europäischen Statut» gilt vor allem als Beginn der späten Wiedervereinigung des Saarlandes mit Deutschland. Paris erkannte das Votum von 1955 als klare Absage an ein zu Frankreich gehörendes Saarland an. Den Verlust ließ es sich aber mit Kohleabbaurechten und mit der Schiffbarmachung der Mosel teuer bezahlen. Am 1. Januar 1957 trat das Saarland der Bundesrepublik bei.

So groß wie Luxemburg

Knapp eine Million Menschen leben im Saarland, das abgesehen von den drei Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin mit 2570 Quadratkilometern das flächenmäßig weitaus kleinste Bundesland ist. Aber es ist auch ebenso groß wie das EU-Gründungsmitglied Luxemburg und gar achtmal so groß wie das kleinste EU-Mitglied Malta.

Die Tatsache dass man nicht nur klein, sondern auch arm ist, tut aber der Lebensfreude keinen Abbruch. Nicht erst seit Tatort-Kommissar Max Palu (Jochen Senf) in Begleitung attraktiver Damen mit dem Baguette und/oder der Flasche Rotwein unter dem Arm lässig in seinen schwarzen Citroën stieg, gilt das Saarland als eine Art Vorstufe des französischen Savoir-vivre. Dazu passt, dass Verbraucherschutzminister Reinhold Jost (SPD) einen «Lyoner-Gipfel» einberief, als eines der wichtigsten Kulturgüter des Landes den EU-Namensschutz zu verlieren drohte: die saarländische Lyoner Fleischwurst, auch bekannt als «Steak des Bergmanns». Das wurde abgewendet, aber die Vorstellung, die Pfälzer könnten ihre Fleischwurst künftig auch Lyoner nennen, sorgte für Wallung.

«Entspanntes Verhältnis zum Genuss»

Ein entspanntes Verhältnis zum Genuss verkörpern auch so unterschiedliche Politiker wie Oskar Lafontaine (Linke) oder Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU). Reiner («Calli») Calmund, lebt seit 2012 in Saarlouis und ist begeisterter Neu-Saarländer: «Die Menschen hier sind weniger aufdringlich als im Rheinland», sagt die rheinische Frohnatur. Schlagersängerin Nicole («Ein bisschen Frieden») sagt: «Wir Saarländer sind sehr gesellig. Es gibt keinen Haushalt, in dem ein Schwenker fehlt.» Der dreibeinige Schwenkgrill hat Kultcharakter – die Grillsaison beginnt im Saarland am 1. Januar und endet am 31. Dezember, Weihnachtsgrillen gilt nicht als ungewöhnlich.

Das Saarland ist anders als jene meinen, die beim Namen des Bundeslandes an rauchende Schlote und schwarze Kokshalden denken. Knapp ein Drittel des Landes ist von Mischwald bedeckt, es grünt überall. Und an schönen Fleckchen, wo Natur auf zum Teil römische Kultur und exquisite Weinlagen trifft, mangelt es nicht. Seit Juni 2012 gibt es den Steinkohlebergbau nicht mehr, der über gut 200 Jahre hinweg Leben und Wirtschaft im Saarland bestimmte. Die gigantische Völklinger Hütte lädt jetzt als Industriedenkmal und Weltkulturerbe zur Besichtigung.

Das bedeutet aber auch: Fast 100.000 Arbeitsplätze gingen seit 1950 in der Montanindustrie verloren. Und von diesem Aderlass erholt sich das Land nur allmählich. Mittlerweile beläuft sich die Staatsverschuldung des Saarlands auf 32,7 Milliarden Euro. Mit einer Schuldenlast von 17 600 Euro pro Kopf wird das Land nur noch von Bremen übertroffen. Ohne den Länderfinanzausgleich, bei dem reiche Bundesländer für ärmere zahlen, und ohne Bundeshilfen wäre das Saarland schon lange pleite.