Viereinhalb Wochen nach Beginn des Aufstands in Libyen haben Frankreich, Großbritannien und die USA am Wochenende erstmals die Streitkräfte von Machthaber Muammar al Gaddafi angegriffen. Ziele der Aktion unter dem Codenamen «Odyssee Dawn» waren offiziellen Angaben zufolge Flugabwehrstellungen und andere militärische Einrichtungen an der Mittelmeerküste des nordafrikanischen Landes.
Arabische Liga kritisiert Luftangriffe
Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, hat die internationalen Luftangriffe auf Libyen kritisiert. Sie führten zum Tod von Zivilisten und gingen weiter als jene Schritte, die die Arabische Liga gebilligt habe, sagte er am Sonntag.
Die Unterstützung der Arabischen Liga für eine Flugverbotszone über Libyen galt im Westen als Bedingung für einen Militäreinsatz. Der UN-Sicherheitsrat hatte aber nicht nur eine Flugverbotszone, sondern auch «alle notwendigen Maßnahmen» zum Schutz der Zivilbevölkerung zugelassen.
dapd
Gaddafi kündigte am Sonntag einen «langen Krieg» gegen die internationale Streitmacht an. In einem Telefonat mit dem staatlichen Fernsehen sagte Gaddafi, er werde bei der Bekämpfung des Aufstands im Osten des Landes nicht lockerlassen. Er habe die Waffenlager für die Bevölkerung geöffnet, damit sich jeder mit «automatischen Waffen, Mörsergranaten und Bomben» ausrüsten könne. «Wir versprechen euch einen langen Krieg», sagte Gaddafi. Bereits am Samstag hatte er die alliierten Angriffe scharf als «Aggression von Kreuzzüglern» verurteilt, gegen die sich sein Land verteidigen werde.
Zwei Ziele
US-Vizeadmiral William Gortney sagte vor Journalisten im Pentagon, dies sei die erste Phase zur Durchsetzung der vom UN-Sicherheitsrat autorisierten Flugverbotszone in Libyen, mit der Gaddafi an Angriffen auf die eigene Bevölkerung gehindert werden solle. Die Militäraktion habe zwei Ziele: Angriffe der Gaddafi-Truppen auf Rebellen zu unterbinden und die Fähigkeit der libyschen Streitkräfte zu mindern, sich gegen die Flugverbotszone zu wehren.
Während die USA zunächst mitteilten, die Wirkung der ersten Angriffe könne nicht exakt festgestellt werden, meldete das libysche Staatsfernsehen 48 Tote und 150 Verletzte. Es berief sich auf das libysche Oberkommando; die Angaben konnten nicht unabhängig bestätigt werden. Aus dem US-Verteidigungsministerium verlautete, man sei zuversichtlich, dass die libysche Flugabwehr von der ersten Welle schwer getroffen worden sei. In der Nacht zum Sonntag war in Tripolis das Feuer von Flugabwehrgeschützen zu hören.
Tief besorgt
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) teilte in einer Erklärung mit, es sei über die Sicherheit der Zivilbevölkerung «tief besorgt». Es rief alle Kriegsparteien auf, sich an das internationale humanitäre Recht zu halten, indem man zwischen Zivilbevölkerung und Kampfeinheiten unterscheide und humanitären Organisationen sicheren Zugang gewähre.
Die ersten Luftangriffe wurden am Samstag von 20 französischen Kampfflugzeugen geflogen, die nach Angaben von Militärsprecher Thierry Burkhard alle sicher zu ihren Stützpunkten zurückkehrten. Danach feuerten amerikanische und britische Kriegsschiffe im Mittelmeer 112 Tomahawk-Marschflugkörper auf mehr als 20 Ziele ab. Der britische Generalmajor John Lorimer sagte, auch britische Kampfflugzeuge seien im Einsatz gewesen.
Waffenstillstand durchsetzen
Zuvor hatten auf französische Initiative hin an einem Libyen-Gipfel in Paris Regierungsvertreter von 22 Staaten teilgenommen. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy teilte mit, alle hätten darin übereingestimmt, dass alles dafür getan werden müsse, die Flugverbotszone und einen Waffenstillstand durchzusetzen.
Am Samstag wurden vor allem Kämpfe aus der ostlibyschen Rebellenhochburg Bengasi gemeldet. Am Sonntag schienen die Waffen Gaddafis dort zu schweigen.
US-Präsident Barack Obama erklärte zum Beginn der Kampfhandlungen bei einem Besuch in Brasilien, diese Entwicklung hätten sich weder die USA noch ihre Verbündeten gewünscht. «Wir können nicht tatenlos zusehen, wenn ein Tyrann seinem Volk sagt, er werde keine Gnade walten lassen», sagte Obama. Der britische Premierminister David Cameron erklärte, die Maßnahmen seien «notwendig, rechtmäßig und gerecht».
Größte Intervention
Die Militäraktion gegen Libyen ist die größte internationale Intervention in einem Staat seit dem Irak-Krieg. Sie unterstützt einen Aufstand, der nach anfänglichen Erfolgen am Rande einer Niederlage gegen Gaddafis Truppen stand.
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