Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi hat für das kommende Wochenende überraschend eine Feuerpause ankündigen lassen. In einer Mitteilung des Verteidigungsministeriums, die von der staatlichen Nachrichtenagentur Jana veröffentlicht wurde, heißt es am Donnerstag, man wolle in der Nacht von Samstag auf Sonntag «alle Militäroperationen gegen die bewaffneten terroristischen Banden einstellen». Die Feuerpause solle um Mitternacht beginnen. Sie habe den Zweck, allen Libyern, die von der Generalamnestie profitieren wollten, die Gelegenheit zu geben, ihre Waffen abzugeben.
" class="infobox_img" />In vielen Orten sind die Aufständigen auf der Flucht vor Gaddafis Luftwaffe.
Der libysche Machthaber hat aber etwas später mit einem Blutbad in der Rebellenhochburg Bengasi gedroht. Er werde die Stadt möglicherweise schon in wenigen Stunden angreifen lassen, drohte er am Donnerstagabend im libyschen Rundfunk. Für diejenigen Libyer, die dann noch nicht ihre Waffen abgegeben hätten, werde es harte Strafen und «keine Gnade» geben. Jedes einzelne Haus werde durchsucht werden.
Aufständische unter Druck
Die Luftwaffe des libyschen Diktators hatte am Donnerstag den internationalen Flughafen von Bengasi bombardiert. Zugleich gelang es den Aufständischen, in verlustreichen Kämpfen ihre Positionen bei Adschdabija und Misurata zu behaupten.
Die Regimetruppen setzten die von ihnen eingeschlossene Stadt Misurata, 210 Kilometer östlich von Tripolis, mit Artilleriefeuer unter Druck. Dabei seien 18 Menschen getötet worden, sagte ein Kämpfer der Regimegegner dem arabischen Nachrichtensender Al-Arabija. Im Osten griffen Gaddafi-Truppen mit Geschützen und Panzern die Stadt Adschdabija, 160 Kilometer südlich von Bengasi an. Ein Augenzeuge berichtete in Al-Arabija, nach den heftigen Luftangriffen am Vortag im Krankenhaus der Stadt die Leichen von 30 Zivilisten – Frauen, Kindern und alten Leuten – gesehen zu haben.
Propaganda
Das libysche Staatsfernsehen zeigte in der Nacht zum Donnerstag Bilder von der angeblichen Einnahme der Stadt durch die Regimetruppen. Die in Siegerpose aufmarschierenden Pro-Gaddafi-Soldaten hätten sich aber in Wirklichkeit am westlichen Eingang der Stadt befunden, berichtete der Nachrichtensender Al-Dschasira. Auf den Bildern war auch kein städtisches Umfeld zu erkennen.
Die Bombardierung des Flughafens von Bengasi richtete zunächst keine Schäden an, sagte ein Oppositionssprecher zu Al-Dschasira. «Es schien uns wie eine Warnung, wie eine Herausforderung der internationalen Gemeinschaft», erklärte er dem Sender. Der Flughafen liegt nur zehn Kilometer östlich von Bengasi. Auch andere Ziele in der Umgebung der Stadt wurden aus der Luft angegriffen. Das Rote Kreuz verlegte seine internationalen Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen in die 450 Kilometer entfernte Stadt Tobruk nahe der ägyptischen Grenze.
Zügiges Eingreifen gefordert
Deutsche und französische Intellektuelle riefen gemeinsam zum zügigen Eingreifen in Libyen auf. «Es muss schnell gehandelt werden, um Gaddafi zu schwächen, die Aufständischen zu stärken und der arabischen Jugend die Hoffnung zu geben, dass demokratischer Wandel möglich ist», heißt es in dem in der Zeitung «Le Monde» (Freitag) veröffentlichten Schreiben, das unter anderem Wolf Biermann und der Schriftsteller Hans Christoph Buch unterzeichnet haben. «Der UN-Sicherheitsrat muss das Mandat zu einer Intervention erteilen», heißt es weiter, ohne dass dies konkretisiert wird. Von französischer Seite unterzeichneten unter anderem Ex-Außenminister Bernard Kouchner und der Publizist Bernard Henry Lévy.
Der Weltsicherheitsrat in New York trat am Donnerstag zu einer neuen Sitzung zusammen, um über ein mögliches Flugverbot für Libyen zu reden, für das Frankreich ein als «abstimmungsreif» angekündigtes Papier vorlegte. Es sieht ein Flugverbot vor, aber auch weitere Sanktionen. Das mächtigste UN-Gremium konnte sich am Mittwoch auch nach sechsstündiger Beratung nicht auf ein Flugverbot und weitere Sanktionen einigen.
Ein Völkermord droht
Ein vom Libanon im Namen der Arabischen Liga eingebrachter Resolutionsentwurf, der auch von Frankreich und Großbritannien unterstützt wird, fordert «die Einrichtung einer Zone, in der zum Schutze der Zivilisten alle Flüge unterbunden werden». Frankreich, durch Außenminister Alain Juppé vertreten, wollte am Donnerstag ein abstimmungsreifes Papier vorlegen.
Ohne ein sofortiges Flugverbot droht nach den Worten von Libyens Vizebotschafter Ibrahim Dabbashi ein Völkermord. «Gaddafi hat den Verstand verloren. Er greift mit Kampfflugzeugen Zivilisten in dichtbewohnten Städten an», sagte er in New York. Dabbashi hatte sich vor einem Monat von Gaddafi losgesagt. «Wenn die Weltgemeinschaft nicht sofort handelt, dann wird es einen furchtbaren Völkermord geben.»
Entschuldigungen verlangt
Der libysche Diktator zeigte sich inzwischen gnädig, aber streng. «Falls der Westen zu mir kommt und sich für seine Fehler entschuldigt, können wir die guten Beziehungen und die Zusammenarbeit im Erdöl-Geschäft wieder aufnehmen», sagte Gaddafi in einem Interview, das der englischsprachige TV-Sender Russia Today am Donnerstag ausstrahlte.
Zu der «Entschuldigung» gehöre auch die Aufhebung der jüngsten UN-Sanktionen gegen Libyen. Russland, China und Indien würden aber nunmehr bei Ölgeschäften bevorzugt. «Wir trauen dem Westen nicht mehr», sagte Gaddafi.
Der Diktator drohte im Falle der Einrichtung einer Flugverbotszone oder einer Militärintervention mit Attacken auf Flugzeuge im gesamten Mittelmeerraum.
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