Finstere Blicke, heitere Gesichter, winkende Menschen: Der Boulevard Roosevelt ist am Samstagnachmittag nicht wiederzuerkennen.
Ein Dutzend Sicherheitsbeamte kreisen um zwei Herren. Sie sind umringt von Polizisten, Mitarbeitern des Protokolls und neugierigen Passanten. «Bitte warten Sie», ruft ein Mitglied der Ordnungskräfte einem Paar zu. Sie wissen nicht so recht, was passiert.
Die Bodyguards
Direkt neben der Kathedrale verlässt eine große Menschengruppe den Ausgang des Staatsministeriums. Breitkreuzige, Sonnenbrillen tragende Bodyguards checken die Lage. Es bleibt ihnen jedoch kaum Zeit, sich großartig umzusehen. Die Protagonisten schreiten vorwärts und lassen sich nicht stören: John Kerry und Jean Asselborn haben es eilig.
Der US-Außenminister ist hochgewachsen, man kennt seinen schlacksigen Gang vom Fernsehen. In Echt wirkt das Ganze dann doch etwas eleganter. Man sieht Kerry jedoch trotz der guten Laune die Müdigkeit an. In der Nacht zu Samstag war er aus Moskau angereist, der türkische Putsch hat das Stress-Level sicherlich nicht gesenkt. Nun steht Kerry im Herzen Luxemburgs und schlendert herum.
Die Gedenkminute
Die beiden Herren plaudern, Zuschauer nehmen Fotos, während die Sicherheitsbeamte der Situation nicht so recht trauen wollen. Kerry hat wegen des Putschversuchs in der Türkei kaum Zeit zum Aufatmen gehabt. Nun muss er zur «Gëlle Fra». Man hat eine Gedenkminute für die Opfer des Terroranschlags von Nice organisiert.
«Mister Secretary, werden Sie Ihre Radfahrt genießen?», ruft eine Frau am Straßenrand in der Nähe der Place de la Constitution. Kerry lächelt und zeigt auf sein unsichtbares Fahrrad vor ihm: «Mir gefällt dieses Bike ziemlich gut.» Wer Asselborn in Luxemburg besucht, ein wenig sportlich ist und etwas Zeit hat, kommt nicht daran vorbei, eine Tour mit dem Fahrrad-Fan zu fahren.
«Wo kommen Sie her?»
Es wird gelacht, Kerry geht weiter, hört amerikanische Stimmen und dreht sich nochmal zur Menge. «Wo kommen Sie her?» Die Expats quasseln alle durcheinander. Man versteht kaum ein Wort. Der US-Chefdiplomat nimmt es souverän und pickt sich eine Stadt heraus, die halbwegs zu verstehen ist. Ein wenig Smalltalk, ein Handshake und Aufwiedersehen.
Vor der «Gëlle Fra» warten unter anderen die Bürgermeisterin der Hautpstadt, Lydie Polfer, Justizminister Felix Braz, Finanzminister Pierre Gramegna und Guy Yelda, der französische Botschafter in Luxemburg. Nach nettem Geplausch und Applaus von der Menge folgt der weniger heitere Teil.
Zwischenstopp Luxemburg
Es wird ruhig. Auch die Zuschauer zollen ihren Respekt. Keine Zwischenrufe oder Gerede, wie man es sonst von dieser Art Veranstaltung kennt. Kerry und Asselborn vor der «Gëlle Fra» zu sehen, hat etwas Surreales.
Dass Kerry Luxemburg mal eben als Zwischenstopp nutzt, um sich zu erholen, spricht Bände. Dies liegt nicht zuletzt an der politischen Zusammenarbeit, die Luxemburg während seiner Zeit als nicht-ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat und während seiner EU-Ratspräsidentschaft mit den USA pflegte.
«Guter Freund Jean Asselborn»
„Lassen Sie mich Ihnen sagen, welch große Freude es ist, hier zu sein, dies besonders auf Einladung und in Anwesenheit von meinem guten Freund Jean Asselborn», hatte Kerry noch vor dem Außenministerium in einer Ansprache gesagt. Asselborn klingt bei ihm eher nach „Asselbämm“.
«Jean und ich haben wirklich ein sehr enges und solides Arbeitsverhältnis gepflegt, seitdem ich Außenminister bin. Ich respektiere viele seiner Beiträge, die mit gesundem Menschenverstand und mit viel Mut ausgearbeitet wurden, um Herausforderungen zu meistern wie etwa die Anti-IS-Koalition», lobt der Secretary of State Luxemburgs Außenminister.
Schlecht vorbereiteter Putsch
Wie müde Kerry sein muss, hatte sich bei dieser Ansprache gezeigt, als er erklärte, wie er den Putsch-Versuch in der Türkei erlebt hat. „Letzte Nacht, als ich Moskau verlassen habe, sprach ich mich mit Präsident Obama ab. Wir haben uns ohne Umwege und ohne zu zögern für die Prinzipien einer demokratischen Führung ausgesprochen», hob Kerry hervor.
Er wisse immer noch nicht genau, was passiert sei. Eines stehe aber fest: „Es muss einen der Verfassung entsprechenden Umgang mit den Putsch-Verschwörern geben.» Er richtet sich damit direkt an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der zunehmend für seine diktatorischen Züge bekannt ist.
Weiterhin Kooperation
„Unsere Kooperation mit der Türkei hat sich nicht geändert in Sachen Nato-Zusammenarbeit und regionale Kooperation mit Blick auf Syrien und den IS“, so der US-Außenminister und weiter: „Ich bin sicher, dass es Vermutungen darüber geben wird, wer hinter diesem Putschversuch steckt. Die USA werden bei diesem Prozess behilflich sein. Hier muss es einen Prozess geben, der das Recht respektiert.“
Allerdings habe er noch keine Forderungen erhalten, was den Prediger Fethullah Gülen betrifft. Der ärgste Rivale des türkischen Präsidenten wird bereits von der türkischen Regierung als Drahtzieher hinter dem Putsch vermutet. Die Türkei hatte die USA bereits im Januar um die Auslieferung von Gülen gebeten.
Gülen und die USA
„Wir haben noch keine Forderungen der türkischen Regierung bezüglich Herrn Gülen erhalten. Wir gehen aber davon aus, dass es Fragen zur Person von Herrn Gülen geben wird. Wir werden aber, wie wir es immer tun, die türkische Regierung einladen, uns mit jeder Form von legitimer Information zu versorgen, die sie erhält», so Kerry. So viel stehe aber fest: Der Coup sei nicht besonders gut geplant gewesen.
Bei so viel Stress kommt der Trip in Luxemburg ganz gelegen.
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