Galileo Galilei würde seinen Augen nicht trauen. Vor rund 400 Jahren schickte der Vatikan den Astronom in die Verbannung, weil er das katholische Weltbild, alles drehe sich um die Erde, kippte. Mehr als 350 Jahre mussten vergehen, bis die Kirche mit Galilei ihren Frieden machte und die Verurteilung widerrief. Heutzutage ist die Situation eine andere: Von Dienstag (9.5.) bis Freitag (12.5.) veranstaltet der Vatikan eine Konferenz mit den angesehensten Kosmologen und Physikern zum Thema Urknall und Schwarze Löcher. Wie passt das zusammen?
«Was passiert, wenn Du in ein Schwarzes Loch fällst? Was passierte beim Urknall? Was ist die letztendliche Bestimmung des Universums?» So lauten die Fragen, die der Kongress diskutieren will. Mit der Konferenz würdigt der Vatikan den belgischen Priester und Astrophysiker Georges Lemaitre (1894-1966), der als Begründer der Urknall-Theorie gilt. Eingeladen sind dabei keineswegs Kirchenvertreter sondern international renommierte Forscher wie der Physik-Nobelpreisträger Gerard ‹t Hooft.
«Mythos entzaubern»
Veranstaltungsort ist die vatikanische Sternwarte in Castel Gandolfo bei Rom, mit der Papst Leo XIII im 19. Jahrhundert den Ruf der Kirche als wissenschaftsfeindlich widerlegen wollte. Daran liegt dem Vatikan auch heute. Der Direktor der päpstlichen Sternwarte, Guy Consolmagno, erklärt das Ziel der Tagung: «Den Mythos entzaubern, dass die Religion Angst vor der Wissenschaft hat.» Die Erforschung der Wahrheit führe zu Gott. Dass der Vatikan durchaus Sinn für Humor hat, davon zeugt die Frage auf der Homepage der Sternwarte. Ob der Vatikan im Universum wohl Aliens taufen wolle? «Nein, auch wenn das manche Leute vermuten», heißt es.
Nach jahrhundertelangen Kämpfen zwischen Kirche und Forschung bemühte sich der Vatikan in den letzten Jahrzehnten tatsächlich verstärkt um eine Annäherung. Der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften gehören Top-Forscher wie der Astrophysiker Stephen Hawking («Gott ist überflüssig») an, den Papst Franziskus bereits zu einer Audienz empfangen hat. Die Evolutionstheorie von Charles Darwin über die Entstehung der Arten hält der Kirchenstaat mittlerweile mit dem Glauben an die Schöpfungsgeschichte vereinbar.
Rote Tücher
Für Aufsehen sorgte die Rede von Franziskus zur Vollversammlung der Päpstlichen Akademie. «Wenn wir im Buch Genesis den Schöpfungsbericht lesen, so riskieren wir, uns vorzustellen, Gott sei ein Magier gewesen mit einem Zauberstab, der alle Dinge verwirklichen kann. Dem ist nicht so», sagte er 2014. «Der Urknall, den man heute an den Anfang der Welt setzt, steht nicht in Widerspruch zum göttlichen Schöpfungsplan, er verlangt nach ihm. Die Evolution in der Natur steht nicht im Kontrast zum Begriff Schöpfung, denn die Evolution setzt die Erschaffung der Wesen voraus, die sich entwickeln.»
Scharf greift der Kirchenstaat dagegen – wenig überraschend – Atheismus-Thesen wie die des Biologen Richard Dawkins an, der die Evolution für einen Beweis dafür hält, dass es Gott nicht geben kann. Auch Gentechnik und medizinische Entwicklungen wie zum Beispiel künstliche Befruchtung und Pränataldiagnostik sind rote Tücher für den Vatikan.
Zahlreiche Kampffelder
Im Theologie-Studium finde die Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften immer noch nicht statt, sagte Professor Dirk Evers vom Institut für Systematische Theologie und Praktische Theologie und Religionswissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. «Dies sollte Einzug erhalten.»
Mit einem Kongress wie dem derzeitigen und der Akademie der Wissenschaften verfolgt der Vatikan zudem nicht nur Öffentlichkeitsarbeit. «Der Vatikan will sich entsprechende Expertise ins Haus holen und kann bei Interesse darauf zugreifen. Es geht dabei natürlich auch um ein Hineinwirken in die akademische Welt.» Während die Fragen der Kosmologie am wenigsten umstritten seien, gebe es viel größere Differenzen zwischen Kirche und Forschung bei der Evolutionstheorie.
Auch wenn die Wissenschaft mittlerweile für den Vatikan mehr Partner als Gegner sein soll – Kampffelder wird es wohl immer geben. «Trotz aller Bemühungen und positiven Signale muss die Theologie noch einen langen Weg zurücklegen, um die Wissenschaft als eine wahre Herausforderung und Inspiration anzuerkennen und sie in den theologischen Lebenslauf zu integrieren», heißt es in einem Artikel des Religions- und Wissenschaftsmagazins «Zygon». Aber wie der damalige Papst Johannes Paul II. in seiner historischen Galileo-Wiedergutmachungsrede im Oktober 1992 sagte: «Nie wieder ein Fall Galilei.»
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