Der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist er als Schimpfwort schon mehrmals an den Kopf geworfen worden: Der Begriff «Volksverräter» ist das «Unwort des Jahres 2016». Das Schlagwort werde «antidemokratisch und diffamierend verwendet», begründete die Sprecherin der «Unwort»-Jury, die Sprachwissenschaftlerin Nina Janich, am Dienstag in Darmstadt die Entscheidung.
Verwendet werde das Wort in sozialen Netzwerken und auch «massiv bei Demonstrationen» von Anhängern des 2014 entstandenen islam- und fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses oder der AfD. Das Wort sei ein «Erbe von Diktaturen», unter anderem der Nationalsozialisten, sagte Janich. «Ein solcher Sprachgebrauch würgt das ernsthafte Gespräch und damit die für Demokratie notwendigen Diskussionen in der Gesellschaft ab.»
«Hat die politische Debatte vergiftet»
Merkel wurde etwa im August 2015 bei einem Besuch in einer Flüchtlingsunterkunft in Heidenau in Sachsen als «Volksverräterin» beschimpft. Auch der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck, SPD-Chef Sigmar Gabriel und andere Politiker werden immer wieder entsprechend verunglimpft.
Zur «Unwort»-Wahl wollte sich Merkel am Dienstag nicht äußern. Die Generalsekretäre von CDU und SPD, Peter Tauber und Katarina Barley, begrüßten die Kür. «Der Begriff hat die politische Debatte vergiftet. Mit ihm wird anderen Menschen abgesprochen, dass sie in ihrem Tun das Wohl unseres Landes und seiner Menschen zum Maßstab nehmen», sagte Tauber der Deutschen Presse-Agentur. «Volksverräter» ist wirklich ein ekelhaftes Unwort», meinte Barley. «Wer andere als Volksverräter beschimpft, will nicht diskutieren, sondern provozieren.»
«Faschistisch und fremdenfeindlich»
Wissenschaftlerin Janich betonte: «Sprache sagt viel über Werthaltungen in einer Gesellschaft aus.» Der Jury zufolge steht der Wortbestandteil «Volk» – ebenso wie die in der Flüchtlingsdebatte genannten Begriffe «völkisch» oder «Umvolkung» – «dabei ähnlich wie im Nationalsozialismus nicht für das Staatsvolk als Ganzes, sondern für eine ethnische Kategorie, die Teile der Bevölkerung ausschließt».
«Volksverräter» sei ein Begriff «mit faschistischem und fremdenfeindlichem Hintergrund». Bei der «Unwort»-Wahl gehe «es nicht um einen Versuch der Zensur oder Sprachlenkung, sondern darum, für mehr Achtsamkeit im öffentlichen Umgang miteinander zu plädieren», hieß es in der Begründung. Wegen der besonderen Bedeutung von «Volksverräter» seien dieses Mal keine weiteren Begriffe gerügt worden.
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