„Es sind immer die gleichen hundert Typen. Männer und Frauen im ganzen Land. Überall, wo ich hinreise. Das macht mir Angst. Ihr werdet die USA retten.“
Steve Bannon wickelt seine Zuhörer um den Finger. Lange vor der Trump-Ära war die Ideologie von „The Donald“ geboren. Jedes einzelne Wort, das Trump heute ausspuckt, stammt aus der Feder von Bannon.
Ohne Bannon, keine Tea Party
Am 25. Oktober 2011 steht Bannon vor einer kleinen Gruppe und legt dar, was später Präsident Trumps Ideologie sein wird. China, der Kampf der Kulturen, die muslimische „Bedrohung“. Ohne Bannon keine Tea Party.
Die immer gleichen Hundert, vor denen er spricht, werden durch ihn, den Trump-Flüsterer, radikalisiert.
Die rechte Webseite Breitbart News ist nur das Symptom einer viel tiefer liegenden Krankheit.
Die meisten Beobachter stellen Bannon zu einseitig dar. Wer wirklich verstehen will, was gerade im Weißen Haus vor sich geht, sollte sich jene Rede aus dem Jahr 2011 genauestens anhören.
Navy, Goldman Sachs, Medien…
Bannon ist antisemitisch und fischt seit jeher am rechten Rande. All dies ist bekannt. Zu wenig wird jedoch über die intellektuelle Explosivität von Trumps Riefenstahl berichtet. Navy-Veteran, ein „Master of Business Administration“ (MBA), Goldman-Sachs-Banker, Filmproduzent, Medienmogul, propagandistisches Bollwerk und nun gefährlichster Mann in 1600 Pennsylvania Ave NW, Washington.
Zurzeit wird Bannon lediglich in den Medien thematisiert, wenn er sie mit stupiden Phrasen angreift und alle das Spiel mitmachen. Dabei liegt die von ihm ausgehende Gefahr gar nicht in dieser Form von verbalen Entgleisungen. Im Gegenteil.
Es sind die ruhigen, paranoiden Momente, in denen Bannons wahre Vorhaben deutlich werden. „Sie haben sich über die Tea Party lustig gemacht. Sie haben diese Grassroot-Organisationen lächerlich gemacht.Ich habe alle meine Filme gedreht, weil meine Kumpels an der Wallt Street immer wieder gesagt haben: ‹Schau dir mal diesen erbärmlichen Haufen an›. Aber wenn die Eliten so gut sind: Warum sind wir an diesem Punkt angelangt?“
Gegen das Establishment
Seit Jahren wettert Trumps Strippenzieher gegen das Establishment. Dass gerade er nun an der Spitze dieses Apparates steht, ist aus seiner Perspektive nicht weniger als der erhobene Mittelfinger Richtung republikanische Parteispitze.
Es ist nicht weniger als eine feindliche Übernahme der Partei, in der Trump Bannons Marionette ist. All die „Fake News“ von Breitbart und sämtliche Verschwörungstheorien erhalten vor diesem Hintergrund eine andere Grundlage.
Sie sind nicht die Ergüsse eines geistig gestörten Ideologen. Im Gegenteil. Bannon benutzt den Informationskrieg seit jeher, um seine Ziele zu erreichen. Es fing mit seinen Filmen an, erreichte aber den Höhepunkt in seinen von Lügen und Halbwahrheiten nur so übersprudelnden Medienergüssen.
„Lenin wollte den Staat zerstören und das ist auch mein Ziel“
„Lenin wollte den Staat zerstören und das ist auch mein Ziel. Ich will alles krachend zum Einsturz bringen und das gesamte heutige Establishment zerstören.“ Mit dieser Wortgewalt traf Bannon den Nerv seiner Anhänger.
Trump musste die Hassmaschinerie mit ihrer stumpfen, aber effektiven Rhetorik nur übernehmen, um erfolgreich zu sein. Dass „The Donald“ selbst streckenweise am Konzept zweifelte, wurde nach den Wahlen bekannt, als niemand mehr so recht hinhören wollte.
Doch gerade bei seiner „Thank you“-Tour sagte Trump seinen Wählern, dass er sie veräppelt hatte. „Ich sagte: ‹Nein, das ist zu albern.› Sie meinten aber: ‹Doch, doch. Drain the swamp funktioniert.› Ich versuchte es also und siehe da: Ihr habt es alle gemeinsam mit mir geschrien. Es war unglaublich.“
Philosophen aus China und Indien
Trump konnte es demnach selbst nicht glauben, dass Bannons Konzept funktionieren würde. Der Erfolg sprach für ihn. Bannon kam zu Trump, als dieser im August sein Team radikal umbaute. Er war bereits angezählt. Bannon witterte seine Chance – und wurde Chef des gesamten Wahlkampfstabes.
Dass es für diese Art des Aufstiegs mehr als nur einen Verschwörungstheoretiker braucht, liegt auf der Hand. Umso interessanter sind Bannons ideologische Wurzeln. Wer ihn als unkultivierten Hillbilly darstellt, irrt.
In seinen jungen Jahren faszinierten Bannon Werke des chinesischen Militärstrategen und Philosophen Sunzi. Vor allem „Die Kunst des Krieges“ begeisterte Bannon laut Julia Jones, seine langjährige Schreibgefährtin.
Die Bhagavad Gita
Auch die Bhagavad Gita, der für die Hindus heute wichtigste Text des Epos Mahabharata, faszinierte Bannon. Und in genau dieser Gita spiegelt sich sehr, sehr viel von Bannons Selbstbild wider. Der Text ist vor allem wegen der Selbstoffenbarung Krishnas bekannt worden.
Allerdings steht auch die Bhagavad Gita für die moralische Vorbereitung auf die große Schlacht von Kurukshetra.
Der Kampf „Gut gegen Böse“ entscheidet sich auf diesem Schlachtfeld, indem sich zwei verfeindete Clans gegenüberstehen – und Familienmitglieder sich für eine Seite entscheiden müssen, was letztlich dazu führt, dass selbst Geschwister gegeneinander kämpfen.
Passend zu Bannons Abgesang auf die westliche Kultur und Zivilisation, die dabei seien, zerstört zu werden, steht die Gita für den Heiligen Krieg, der selbst vor Familienmitgliedern keinen Halt macht.
Krieg für die „Wahrheit“
So kämpft am Ende der Fürst Arjuna, Krishnas ins Exil geschickte Schützling, gegen seinen eigenen Großonkel Bhishma. In Bannons Logik passen solche Kräfteverhältnisse gut zu seinem Weltbild: Seine Tea Party war ähnlich wie Arjuna zu lange der Outsider.
Bhishma steht für das republikanische Establishment, das ihm so nahe ist – es aber für eine neue Weltordnung und die „Wahrheit“ zu töten gilt. Dass Bannon sich selbst messianische Züge zuschreibt, dürfte nicht übertrieben sein. Er sieht sich als Retter der Welt des einfachen Mannes.
Cargohose, Hemd über der Hose, schmuddliges Haar, fettiger Dreitagebart: Bannon legt wenig Wert aufs Äußere. Er ist durch und durch auf seine Mission fixiert. Vor 9/11 soll er Schreibpartnerin Jones zufolge noch liberale Überzeugungen verfolgt haben. Plato und Sokrates gehörten zu einigen seiner Lieblingsgesprächsthemen.
9/11 radikalisierte ihn
Die Terrorattacke in New York radikalisierte ihn aber scheinbar. Schwarz-Weiß-Denken, wie man es aus religiösen Texten kennt, gehörte zunehmend zu Bannons neuen Charakterzügen. Genau wie in der Gita und in biblischen Texten wurden die Absolute für ihn Priorität.
Bannon erkennt vier große Krisen der US-Geschichte: die Revolution, den Bürgerkrieg, die Great Depression und die aktuelle Weltlage nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008.
„Das hier ist der vierte Wendepunkt unserer Geschichte. Am Ende dieser Krise werden wir etwas vollkommen anderes sein.“ Was dies sein soll, weiß Bannon nur allzu gut. Er will Washington brennen sehen und eine neue Weltordnung schaffen. Ob ihm dies gelingt, hängt letztlich von der Widerstandsfähigkeit der amerikanischen Bevölkerung ab.
Zu was der radikale Widerstand am Ende führen könnte, ist jedoch ungewiss.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können