Im Wettlauf gegen die nukleare Katastrophe in Fukushima versucht Japan Zeit zu gewinnen. Der AKW-Betreiber Tepco hofft, dass er die havarierten Reaktoren 1 und 2 am Samstag über die wiederhergestellte Stromleitung versorgen kann, wie der Sender NHK am Freitag berichtete. Die Helfer hoffen, dass dann die Kühlung des AKW-Wracks in Gang kommt. Fast 140 Einsatzkräfte der Feuerwehr Tokio verspritzten zudem mit 30 Spezialfahrzeugen Wasser auf den Reaktor 3. Er ist wegen seiner Plutonium-Brennstäbe besonders gefährlich. Eine Woche nach dem Erdbeben stand die Lage weiter auf der Kippe.
Die erneuten Kühlversuche seien erfolgreich gewesen, betonte Regierungssprecher Yukio Edano. Der Fernsehsender zeigte auch einen Armeesprecher, der über Block 3 berichtete: «Wir haben das Ziel getroffen.» Das Wasser soll eine Kernschmelze verhindern.
Zusätzliches Krisenkommando
Ein zusätzliches Krisen-Kommando aus Technikern, Soldaten und Feuerwehrleuten soll unter extremer Strahlenbelastung die vier beschädigten Reaktoren abkühlen. Insgesamt hat Fukushima Eins sechs Blöcke. Die Kühlversuche per Wasserwerfer sollen auch auf Reaktor 1 ausgeweitet werden.
In einem Gebäude neben Block 1 wurde unterdessen ein Stromverteiler installiert, meldete der staatliche Sender NHK unter Berufung auf Tepco. Nun werde an einer Verbindung zum Transformator am Block 2 gearbeitet.
Wind wird ungünstig drehen
Der Wind am Unglücksreaktor soll zu Beginn kommender Woche in Richtung der Millionen-Metropole Tokio drehen. «Wie weit sich die Radioaktivität dann ausbreitet, kann man aber noch nicht sagen», sagte Christina Speicher vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Zunächst wehe er – und damit die stahlenden Teilchen – bis zum Wochenende aber weiter auf den Pazifik hinaus.
Das US-Militär bot Japan Unterstützung durch 450 Strahlenexperten an. Die Einheit könne dem Land bei der Bewältigung seiner Nuklearkrise helfen, sagte der Befehlshaber des US-Pazifikkommandos, Admiral Robert Willard, nach Angaben der japanischen Agentur Kyodo. Ein Team aus neun US-Spezialisten sei bereits nach Japan geschickt worden. Die US-Experteneinheit könne unter anderem zur Strahlenmessung und Dekontamination verstrahlter Menschen oder Objekte eingesetzt werden.
5. Stufe von 7. erreicht
Japan stufte die Gefährlichkeit des Störfalls im Atomkraftwerk Fukushima Eins auf das INES-Level 5 hinauf. Damit liegt der Unfall zwei Stufen unter der Katastrophe von Tschernobyl. Diese Atomkatastrophe erreichte vor rund 25 Jahren mit der Stufe 7 das höchste Level der internationalen INES-Skala.
Mit der Skalierung kann die Größenordnung von Atomunfällen eingeordnet werden. Nach der Definition wird die Lage in Fukushima nun als «Unfall mit weiterreichenden Konsequenzen» beschrieben, wie die Internationale Atomenergiebehörde IAEA am Freitag mitteilte. Bisher hatten die japanischen Behörden den Störfall als «Unfall mit lokalen Konsequenzen» auf der INES-Stufe 4 eingeordnet.
Experten sind skeptischer
Damit liegt Japan weiter hinter der Sicht internationaler Experten zurück: Schon vor Tagen hatten die französische Atomsicherheitsbehörde (ASN) und das unabhängige US-Institut für Wissenschaft und Internationale Sicherheit (Isis) den Unfall auf der zweithöchsten Stufe 6 – «ernster Unfall» – eingeordnet.
Auf die massive Kritik am Krisenmanagement der japanischen Regierung hat Ministerpräsident Naoto Kan mit dem Versprechen reagiert, mehr Informationen über die Atomkrise zu liefern. «Ich möchte versprechen, dass wir der IAEA so viele Informationen wie möglich zur Verfügung stellen wollen, auch der ganzen Welt», sagte Kan nach einem Treffen mit IAEA-Chef Yukiya Amano in Japan.
«Sehr ernste Situation»
Von Journalisten zur Lage in Fukushima befragt, sprach Kan von einer weiterhin sehr ernsten Situation: Diese erlaube keinen Optimismus. Die Lage werde aber «in nicht weiter Ferne» unter Kontrolle gebracht.
Noch mehr als 30 Kilometer vom Katastrophen-AKW Fukushima entfernt wurde am Donnerstag und Freitag eine deutlich erhöhte Strahlenbelastung festgestellt. Die Verstrahlung nordwestlich der havarierten Anlage lag bei 170 Microsievert am Donnerstag und 150 Microsievert am Freitag, wie das japanische Wissenschaftsministerium mitteilte. Dies berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo.
Die höchste Belastung habe dabei in einer Zone gelegen, die bisher nicht evakuiert worden ist. Die Menschen hier wurden lediglich aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben. Nach Expertenmeinung nehmen Menschen bei der gemessenen Belastung innerhalb von sechs bis sieben Stunden so viel Strahlung auf, wie sonst innerhalb eines Jahres gerade noch verträglich wäre.
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