Der seit Oktober 2015 suspendierte und im Januar 2017 vom Berufungsgerichtshof seines Amtes enthobene und in den Ruhestand geschickte 47-jährige Richter wird beschuldigt, eine sogenannte Treuhandschafts-Maßnahme («Curatelle») gegen eine Frau aufgehoben zu haben, mit der er seit Juni 2012 eine intime Beziehung unterhielt.
Sein Verteidiger, Me Rosario Grasso, sprach in diesem Zusammenhang von einem obskuren Wortlaut des Strafantrags der öffentlichen Anklage, die Amtsmissbrauch und illegale Interessenwahrnehmung verwechsele. Laut dem Beschuldigten habe er sich auf Anfrage der Familie des jungen Mädchens selbst mit dem Prozess beauftragt. Es gab kein Schriftstück.
Beschuldigter hätte Rollen als Richter und intimer Freund strikt getrennt
Als er die junge Frau, die vor allem mit ihrem Vater einen brutalen Konflikt hatte, persönlich kennenlernte, entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen ihnen. Die trotzdem von ihm ausgesprochene Treuhandschaft war für die Frau als Testphase gedacht, damit diese von ihrem Alkoholproblem loskommen konnte. Die „Curatelle“ ist eine Zwangsmaßnahme, die vorsieht, dass Personen, die mental nicht mehr in der Lage sind, eigenständig zivilrechtliche Entscheidungen zu treffen, von einem Treuhänder assistiert werden. Gründe hierfür können eine Psychose, Demenz oder körperliche wie mentale Behinderungen sein.
Die Frage des Vorsitzenden, warum er das Dossier nicht spätestens 2012 abgegeben habe, als er die Treuhandschaft sprach, beantwortete der Angeklagte damit, dass er sich in seiner Objektivität nicht behindert gefühlt habe. Er habe seine Rollen als Richter und intimer Freund strikt voneinander getrennt. Er schließe nicht aus, während der Prozedur eine intime Beziehung mit der Schutzbefohlenen gehabt zu haben, was seine Arbeit aber nicht tangiert haben soll. Formal habe nie ein Interessenkonflikt bestanden, so der Angeklagte.
Kausaler Zusammenhang
Me François Moyse konstituierte sich als Nebenkläger für den sorgenden Vater. Nachdem er die bereits schriftlich im Dossier vermerkte Geschichte der inzwischen bei einem Autounfall verstorbenen Frau in all ihren peinlichen Details mündlich in der öffentlichen Sitzung preisgegeben hatte, forderte er für die verzweifelten Eltern 100.000 Euro an moralischem Schadenersatz.
Vom Vorsitzenden nach dem kausalen Verhältnis zwischen dem erlittenen Schaden und dem vorgeworfenen Strafbestand befragt, antwortete der Anwalt mit dem Argument, dass die nicht neutrale vormundrichterliche Erlaubnis, ein Auto zu besitzen, im kausalen Zusammenhang mit ihrem tragischen Tod stehe.
Gewaltentrennung
Me Grasso widersetzte sich der Nebenklage und basierte sich dabei auf die Gewaltentrennung zwischen Staatsbeamten und Magistrat, dem auch Neutralität abverlangt und Unabhängigkeit zugesichert wird. Der Straftatbestand, der immerhin eine Haftstrafe von fünf Jahren vorsieht, sei inexistent.
Der Gesetzgeber habe wohl die Korruption, jedoch nicht ihre Voraussetzungen in die Texte geschrieben, weil das in Luxemburg, wie ein illustrer Kollege von ihm regelmäßig beklagt, nur sehr schwer zu bewerkstelligen sei, so Me Grasso weiter. Die Eltern der Frau seien vom Richter jedenfalls nie benachteiligt worden.
Wegen unethischen Verhaltens sei er disziplinarisch belangt worden, doch er habe als Richter seine Arbeit richtig getan. Er soll den Vater als Treuhänder ausgebootet haben, um dessen Tochter zu beschützen. Auch hätten die «schwarzen Roben» Einspruch erheben können. Er forderte eine Aussetzung des Urteils und subsidiarisch den Freispruch.
Staatsanwalt: Angeklagter habe bewusst rote Linien überschritten
Der öffentliche Ankläger Jean-Paul Frising sah die ganze Sache anders. Ein öffentlicher Funktionär dürfe eine private oder sogar intime Beziehung mit einem Rechtssuchenden eingehen, jedoch dann nicht in einen Prozess mit einem solchen verwickelt sein oder werden. «Richter und Lover» statt «Richter oder Lover», das sei hier die Frage.
Frising pochte auf den im Strafantrag angeführten illegalen Amtsmissbrauch, was nicht mit Korruption zu verwechseln sei, wie die Verteidigung plädierte. Er ging dann kurz auf die sehr hohen gesetzlichen Ansprüche gegenüber den Autorität ausübenden Beamten in allen staatlichen Verwaltungen ein.
Der Angeklagte habe bewusst rote Linien überschritten und könne jetzt nicht von Objektivität reden. Als Richtlinie für die Schwere des Vergehens verwies er auf das richterliche Disziplinarverfahren, in dem von einer «faute d’une gravité particulière» die Rede war. Er forderte dann auch eine Haftstrafe und ein Amtsverbot. Das Urteil wird am 13. Juli 2017 gesprochen.
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