Papst Benedikt hat gleich zum Auftakt seines Deutschlandbesuchs zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber der Religion beklagt. Gleichzeitig prangerte der 84-Jährige Individualismus und mangelnde gesellschaftliche Verantwortung an. «Im menschlichen Miteinander geht Freiheit nicht ohne Solidarität», sagte er am Donnerstag im Garten von Schloss Bellevue, wo er von Bundespräsident Christian Wulff offiziell begrüßt wurde.
Schon auf dem Flug nach Deutschland war Benedikt kurz auf den Missbrauchsskandal eingegangen. Die Kirche müsse lernen, solche Skandale auszuhalten und jeden Missbrauch zu bekämpfen, sagte er auf Journalistenfragen. Er könne verstehen, dass Menschen, die den Opfern sexuellen Missbrauchs durch Priester nahestünden, nicht mehr in dieser Kirche sein wollten. Ob er im Verlauf der Reise Opfer treffen wird, ist unklar.
«Über Gott sprechen»
Auf seiner 21. Auslandsreise besucht der Papst bis Sonntag noch Erfurt, das Eichsfeld in Thüringen und Freiburg. Der Papst betonte, er sei nicht in erster Linie gekommen, «um bestimmte politische oder wirtschaftliche Ziele zu verfolgen, sondern um den Menschen zu begegnen und über Gott zu sprechen.»
Die Erwartungen an den Besuch des Pontifex in seinem Heimatland sind groß. Die katholische Kirche steckt in einer tiefen Krise, wurde vom Skandal um den vielfachen Missbrauch Minderjähriger in katholischen Einrichtungen erschüttert. Viele Gläubige haben das Vertrauen in den Klerus verloren und wünschen sich Reformen. Eine Forderung ist, wiederverheirateten Geschiedenen die Teilnahme an der Kommunion zu ermöglichen. Viele hoffen auf Signale für ein besseres Miteinander von Katholiken und Protestanten.
Messe der Superlative
Der Bundespräsident – selbst Katholik, geschieden und in zweiter Ehe verheiratet – spielte auf die Probleme an. Die Kirche sei herausgefordert von Fragen wie: «Wie barmherzig geht sie mit den Brüchen in den Lebensgeschichten von Menschen um? Wie mit den Brüchen in ihrer eigenen Geschichte und mit dem Fehlverhalten von Amtsträgern?»
Mit Spannung wurde am Nachmittag der erste Auftritt eines Papstes im Bundestag erwartet. Etwa 100 der 620 Parlamentarier wollten nicht dabei sein, weil sie das Trennungsgebot von Staat und Kirche missachtet sehen. Im Berliner Olympiastadion wurden am frühen Abend 70.000 Gläubige zu einer Messe der Superlative mit Benedikt erwartet.
Zahlreiche Proteste angemeldet
Auch Kirchenkritiker machten in der Hauptstadt mobil: Die Veranstalter einer Demonstration parallel zur Papstrede im Bundestag rechnen mit 10.000 Teilnehmern. Der Papst sieht die Kritik an seinem Besuch gelassen. «Das ist normal in einer freien Gesellschaft.»
Der in Bayern geborene Joseph Ratzinger besucht Deutschland zum dritten Mal als Papst. Er ist seit 2005 Kirchenoberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken. «Ich komme freudig nach Deutschland», sagte er schon auf dem Flug nach Berlin. Die Visiten beim Weltjugendtag 2005 in Köln und in Bayern 2006 waren ausschließlich pastoraler Natur, also dem Glauben gewidmet. Der jetzige Deutschland-Besuch bis 25. September kostet die katholische Kirche 25 bis 30 Millionen Euro. Auch Bund, Ländern und Kommunen – also dem Steuerzahler – entstehen Millionenkosten.
Zu Demaart





















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