Im Machtkampf im westafrikanischen Elfenbeinküste rückt eine militärische Entscheidung näher. Nach einer dramatischen Nacht tobten am Freitag weiter schwere Kämpfe in der Hafenstadt Abidjan, in der sich auch alle wichtigen Ministerien und der Präsidentenpalast befinden. Dabei standen sich Truppen des von der internationalen Gemeinschaft unterstützten Wahlsiegers Alassane Ouattara und der Armee gegenüber, die teils noch dem abgewählten Präsidenten Laurent Gbagbo die Treue hält.
Am Freitagmittag wurde bekannt gegeben, dass der abgewählte Präsident der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo möglicherweise abgetaucht ist. «Niemand weiß, wo er sich aufhält», sagte der französische Botschafter in Abidjan, Jean-Marc Simon, am Freitag dem Sender France-Info. In seiner Residenz sei er jedenfalls nicht, denn die sei in der Nachbarschaft der Botschafterresidenz. «Gbagbo scheint in der Nacht den Präsidentenpalast verlassen zu haben», berichtet die Zeitung «Le Monde» am Freitag online. Sein Aufenthaltsort sei unbekannt.
Eine Flucht ins Ausland wäre jedoch nur schwer möglich, da Wahlsieger Alassane Ouattara die Grenzen hat schließen lassen. (dpa)
Ouattara rief die Armee in einer Fernsehansprache auf, die Waffen niederzulegen und einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Die Republikanischen Truppen (FRCI) hätten Abidjan erreicht, ein weiteres Blutvergießen sei sinnlos. «Ich rufe Sie auf, sich ihrem Land zur Verfügung zu stellen und zur Legalität zurück zu kehren», sagte Ouattara im Sender TCI.
Viele Überläufer
Mehrere hohe Offiziere von Gbagbos Armee haben dem Herrscher, der sein Amt nicht abgeben will, bereits den Rücken gekehrt. Ein Sprecher der UN-Friedenstruppen UNOCI sprach von rund 50.000 Soldaten und Offizieren, die zu Ouattaras Truppen übergelaufen seien oder die Waffen niedergelegt hätten.
Anwohner berichteten über schwere Kämpfe in der Umgebung des Präsidentenpalastes, der von Rebellen attackiert wurde. Bei einer Schießerei wurde eine 30-jährige schwedische UN-Mitarbeiterin getötet, die am Donnerstag vermutlich versehentlich zwischen die Fronten geraten war.
Flucht zu den Franzosen
Hunderte Ausländer flüchteten französischen Medienberichten zufolge auf das Gelände französischer Truppen in Abidjan. Das schnelle Vorrücken der Ouattara-Truppen, die am Mittwoch auch die politische Hauptstadt Yamoussoukro unter ihre Kontrolle gebracht hatten, hatte viele nach dem monatelangen politischen Tauziehen überrascht.
Ouattaras Sprecher Patrick Achi sagte dem Fernsehsender CNN, es werde nur noch «Stunden vielleicht Tage» dauern, bis Gbagbo stürzen werde. Die Armee will nicht für Gbagbo kämpfen. In Abidjan kursierten am Freitagmorgen Gerüchte, Gbagbo und seine wichtigsten Gefolgsleute seien in der Nacht aus dem Präsidentenpalast geflohen. Eine sichere Bestätigung hierfür gab es allerdings nicht.
Kein aktuelles Programm mehr
Seit dem spätem Donnerstagabend sendet der staatliche Fernsehsender kein aktuelles Programm mehr, sondern strahlte nur noch Dokumentarsendungen aus. Viele Abidjaner in den Stadtteilen, die mehrheitlich Ouattara unterstützen, verbrachten die Nacht am Radio oder vor dem Fernseher, um sich über die Entwicklung auf dem Laufenden zu halten.
«Wir hören Schüsse aus der Stadt, aber hier schießen die FRCI-Soldaten nur in die Luft, um zu zeigen, dass sie die Kontrolle haben», sagte einer von ihnen am Freitagmorgen im britischen Rundfunksender BBC.
Gbagbo im Stich gelassen
Alain Leroy von der UN-Mission in der Elfenbeinküste (UNOCI) sagte dem französischen Fernsehsender France 24, seiner Einschätzung nach hätten die meisten Sicherheitskräfte Gbagbo im Stich gelassen. Der Chef der UNOCI, Choi Young Jin, sagte dem Sender France Info, Gbagbo könne nur noch auf die Republikanische Garde und seine Spezialeinheiten zählen.
Gbagbo weigert sich trotz Wahlniederlage im November 2010, die Macht dem international anerkannten Wahlsieger Ouattara zu übergeben. Gbagbo geht dabei seit Monaten mit Waffengewalt gegen seine Widersacher vor und attackiert auch immer wieder die mittlerweile etwa 10.000 UN-Friedenssoldaten im Land. Die UN-Truppen übernahmen die Kontrolle über den Flughafen Abidjans.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnte vor einer «humanitären Katastrophe» in Abidjan. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen haben die Kämpfe zwischen den Anhängern von Gbagbo und Ouattara bisher etwa 500 Todesopfer gefordert. Etwa eine Million Menschen seien auf der Flucht.
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