Headlines

Ohnmächtige Athleten

Ohnmächtige Athleten
(Alain Rischard/editpress)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Utopie des sauberen Leistungssports

Die Olympischen Sommerspiele in Rio sind laut Sportmediziner Perikles Simon die „gedoptesten Spiele aller Zeiten“. Eigentlich wenig überraschend, wenn man einen Blick auf die Entwicklung des Leistungssports der letzten Jahre wirft. Überraschender ist das Verhalten einiger Sportler, die sich öffentlich gegen vermeintlich dopende Kollegen aussprechen. Wie zum Beispiel der australische Schwimmer Mack Horton, der, auf seinen chinesischen Konkurrenten Sun Yang angesprochen, meinte, er habe weder Zeit noch Respekt für Doping-Betrüger. Sein französischer Kollege Camille Lacourt wurde noch deutlicher: „Sun Yang pinkelt lila“, und legte nach, „es macht mich traurig, meinen Sport so zu sehen. Ich habe den Eindruck, bei der Leichtathletik zu sein mit zwei oder drei gedopten Sportlern in jedem Finale.“ Auch die Luxemburgerin Christine Majerus fand ähnlich deutliche Worte nach dem Straßenradrennen der Damen: „Dass die dopende Russin Olga Zabelinskaya mitfahren darf, ist eine Ultra-Sauerei und sie hat mir schon in London einen Platz geklaut.“

Es sind ungewohnte Aussagen von Sportlern, die sich in letzter Zeit häufen. Aussagen, die Athleten vor einigen Jahren noch die Karriere kosten konnten. Wie den französischen Radprofi Christophe Bassons, der 1999 auf Druck des Pelotons – angeführt von einem gewissen Lance Armstrong – die Tour de France vorzeitig verlassen musste, weil er sich in seiner Kolumne für den Parisien öffentlich gegen Doping ausgesprochen hatte und damit zur Persona non grata geworden war. 2001 beendete er seine Karriere im Alter von 27 Jahren.

Nun scheint die Omertà im Profisport vielleicht doch zu bröckeln. Die Aussagen von Horton, Majerus und Co. sind ein Fortschritt im Kampf gegen Doping, doch ohne einen Mentalitätswechsel bei den mächtigen Sportfunktionären und Politikern bleibt es beim berühmten Tropfen auf den heißen Stein. Denn die können wesentlich mehr für den Anti-Doping-Kampf tun als Athleten. Politiker sehen den Leistungssport immer noch allzu oft als Stellvertreterkrieg. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière zum Beispiel forderte vor den „gedoptesten Spielen aller Zeiten“ mindestens ein Drittel mehr Medaillen von seinen Athleten und hat zugleich das Anti-Doping-Gesetz mit auf den Weg gebracht.

IOC-Präsident Thomas Bach hatte im Fall Russland die Möglichkeit, hart durchzugreifen, und hat es bevorzugt, den Schwarzen Peter an die internationalen Verbände weiterzugeben. Nun setzt er allerdings die Propaganda-Maschinerie in Gang und will dafür kämpfen, dass Sportler mit einer Doping-Vergangenheit bei Olympia nicht mehr startberechtigt sind. Schwer zu glauben, denn bislang hat Bach in seiner Amtszeit vor allem dafür gekämpft, dass Doping nicht das Problem des Internationalen Olympischen Komitees ist. Diese konsequente Inkonsequenz ist der Todesstoß für jeglichen Anti-Doping-Kampf.

Solange es kein Umdenken an der Spitze der Sportbewegung gibt und resolut gegen Betrug und Korruption vorgegangen wird – wofür es allerdings nicht die geringsten Anzeichen gibt –, bleibt der saubere Leistungssport eine Utopie. Da können leider auch Majerus, Lacourt und Horton nur wenig dran ändern.