Läuft alles nach Plan, werden bis Ende 2014 alle ausländischen Truppen Aghanistan verlassen haben. Bis dahin kann noch viel passieren, doch gewisse Abzugserscheinungen sind bereits zwei Jahre zuvor unverkennbar: Boten Helikopter-Schwärme lange ein gewohntes Bild am afghanischen Himmel, ist ihre Zahl inzwischen deutlich gesunken. Sie sind das effektivste Transportmittel im schwierigen Terrain am Hindukusch und haben bisher selbst die entlegensten Außenposten problemlos mit Nachschub versorgt.
Damit wird bald Schluss sein. Mit dem Abzug der internationalen Truppen übernehmen afghanische Soldaten zunehmend die Verantwortung für manche dieser Außenposten. Gleichzeitig müssen sie Wege finden, diese ohne Helikopter zu versorgen. Auf der Suche nach einem geeigneten Ersatz sind sie auf eine alte Lösung gestoßen: «Esel sind die afghanischen Helikopter», sagte ein afghanischer Oberst gegenüber der «Washington Post».
Afghanen wollen modernes Kriegsgerät
Hunderte dieser treuen Grautiere sind bereits im Einsatz und bringen Soldaten Wasser, Essen und Munition. Die Amerikaner hofften ursprünglich, damit ein «nachhaltiges, afghanisches» Modell gefunden zu haben, das die Versorgung der zahlreichen Außenposten nach ihrem Abzug sichern würde. Die aghanische Führung ist darüber nicht glücklich: Sie hat sich an die modernen Waffen der Nato-Truppen gewöhnt und will auf manche Annehmlichkeit nicht mehr verzichten.
Laut «Washington Post» wollen die Afghanen Nachtsichtgeräte, schwere Waffen undSprengstoff-Detektoren, doch die USA sind nicht bereit, dafür zu bezahlen. Mit den über 50 Milliarden Dollar, die Washington im vergangenen Jahrzehnt in die afghanische Armee investiert hat, hat diese vor allem Fahrzeuge und Gewehre gekauft. Doch ganz zuoberst auf ihrer Wunschliste stehen Helikopter, von denen sie ganze 31 besitzen – ein Klacks gegen die mächtige US-Flotte in Afghanistan. Ob sie mehr bekommen, ist ungewiss.
US-Armee arbeitet an «Esel-Problem»
Leider scheint die afghanische Armee zudem in den zehn Jahren Hightech-Krieg ihre ureigensten Fähigkeiten verlernt zu haben. Über eigene Esel verfügt sie nicht mehr – sie mietet die überlebenswichtigen Tiere von Bauern. Einige dieser Subunternehmer haben seit bald einem Jahr kein Geld mehr für ihre Dienste gesehen und überlegen sich, von ihren Verträgen mit der Armee zurückzutreten.
Ohne Geld keine Esel, ohne Esel kein Nachschub, ohne Nachschub keine Außenposten und ohne Außenposten keine Verteidigung gegen die Taliban. Diese Kausalkette wird innerhalb der US-Truppen inzwischen als «Esel-Problem» bezeichnet, an dessen Lösung hektisch gerarbeitet wird. Einige können sich der Ironie nicht erwehren: «Wer hätte gedacht, dass am Ende dieses Krieges Esel-Verträge im Zentrum stehen?», sagte Oberstleutnandt Brandon Newton. Dafür sei er nicht ausgebildet worden.
Grundproblem Korruption
Das Grundproblem ist seit langem bekannt: Irgendwo zwischen dem afghanischen Verteidigungsministerium und den Außenposten verschwinden Gelder, Treibstoff, Ersatzteile und Waffen in den Taschen korrupter Beamter oder Offiziere. In Washington macht man sich offenbar keine Illusionen darüber, was dies für den näherrückenden Abzug bedeutet: Die afghanische Regierung werde nach 2014 wahrscheinlich nicht in der Lage sein, alle Armee-Außenposten aufrechtzuerhalten, heißt es in einem aktuellen Bericht der US-Armee.
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