Die Zutatenliste der nussig schmeckenden Nudeln des «Atelier des pâtes» ist zugegebenermaßen gewöhnungsbedürftig: Neben Dinkelmehl, Bio-Eiern und Salz sind dort auch zermahlene Grillen und Heuschrecken aufgeführt. Doch mit der Insekten-Pasta ist dem kleinen Betrieb in den französischen Vogesen ein wahrer Coup gelungen. Auch wenn der Gedanke an tote Krabbeltiere bei vielen vor allem Ekelgefühle weckt – Insekten gelten als Lebensmittel der Zukunft.
«Was uns anwidert, ist der Name der Zutat», sagt Alain Limon, während er im «Atelier des pâtes» eine neue Ladung Nudeln mit Grillenmehl vorbereitet. «In Wirklichkeit ist es köstlich, vor allem mit Wild.» 15 Kilogramm Dinkelmehl, eineinhalb Kilo Grillenmehl und vier Kilo Ei vermischt der 52-Jährige zu einem braunen Nudelteig, der dann zu Radiatore – Nudeln, die ein bisschen aussehen wie kleine Heizkörper – geformt und getrocknet wird.
Hoher Proteingehalt
«Insekten sind das Eiweiß der Zukunft», ist Limons Chefin Stéphanie Richard überzeugt. «Es hat eine sehr hohe Qualität und wird vom menschlichen Körper sehr gut aufgenommen.» Schon 2012 öffnete die Französischlehrerin in der Ortschaft Thiéfosse in den ostfranzösischen Vogesen einen kleinen Nudelbetrieb. Als sie im vergangenen Jahr Nudeln mit hohen Proteingehalt für Sportler entwickeln wollte, trat ein französisches Unternehmen an sie heran, das Insekten für den menschlichen Verzehr vertreibt.
Richard ließ sich von der Idee begeistern – und brachte kurz vor Weihnachten ihre erste Reihe Insekten-Pasta in den Laden. «Radiatore mit Grillen und Steinpilzen, Radiatore mit Grillen, Radiatore mit Heuschrecken, Radiatore mit Grillen und Heuschrecken», zählt Richard die vier in ihrem Geschäft aufgereihten Sorten auf. Mehr als 500 Nudel-Packungen hat die Ladenbesitzerin seit Dezember verkauft. «Das Produkt hatte einen gewaltigen Erfolg, weil es Neugier geweckt hat.» Jetzt will die Frau mit lockigem blonden Haar einen weiteren Mitarbeiter einstellen.
Nahrungsmittel-Alternative
Natürlich sind die Insekten-Nudeln noch ein Nischenprodukt für Wagemutige – auch bei Richard machen sie nur einen kleinen Teil des Pasta-Sortiments aus. Während in einigen Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas Insekten schon lange eine Selbstverständlichkeit auf dem Speiseplan sind, herrscht bei Europäern und Nordamerikanern noch eine gehörige Abneigung.
Doch Insekten gelten angesichts der wachsenden Weltbevölkerung mit ihrem Heißhunger auf Eiweiß auch als verheißungsvolle Nahrungsmittel-Alternative – sie könnten eine Lösung sein, um in Zukunft Unterernährung zu verhindern. Grillen, Mehlwürmer und Co. sind reich an Proteinen und zugleich fettarm, ihre Aufzucht ist außerdem viel umweltverträglicher als die von Rindern oder Schweinen: Es werden zehn bis hundert Mal weniger Treibhausgas freigesetzt als bei der traditionellen Viehzucht, auch werden keine großen Weideflächen benötigt.
Insektenmehl-Nudel
Das Mehl von Insekten könnte auch in der Viehmast eingesetzt werden und beispielsweise Soja ersetzen. Visionäre sehen Insekten aber auch als Zutat auf den Speiseplänen von immer mehr Menschen. Ein südfranzösischer Spitzenkoch bietet in seinem Restaurant bereits ein Menü an, für das er Grillen und Mehlwürmer zusammen mit edlen Zutaten kunstvoll auf dem Teller anrichtet.
Aber auch hier müssen die meisten Feinschmecker wohl einen leichten Würgereiz überwinden, bevor sie die erste Gabel zum Munde führen. Das ist der Vorteil der Insektenmehl-Nudeln aus dem «Atelier des pâtes» in den französischen Vogesen: Auch wenn der Verbraucher weiß, was er isst – Nudeln lassen sich doch viel einfacher verzehren, wenn keine Insektenfüßchen oder Fühler hervorstehen.
Ganz billig sind die ausgefallenen Nudeln nicht: 6,70 Euro kostet die 250-Gramm-Packung im Internet-Versand. Doch dafür könnten Hobby-Köche ja an anderer Stelle sparen, sagt Ladenbesitzerin Richard: Die gesunden und sättigenden Nudeln seien quasi ein Fleischersatz.
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