Donnerstag11. Dezember 2025

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Virtuose der Aromen

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Harald Wohlfahrt gehört zu den besten Köchen weltweit. In Tonbach im Schwarzwald hat der Maestro seine Visionen wahr gemacht. Resultat: Die „Schwarzwaldstube“ vom Hotel Traube Tonbach wurde zum Drei-Sterne-Gourmettempel.

Herr Wolhlfahrt, seit nunmehr fast 20 Jahren – 1992 erhielten Sie die maximale Michelin-Sternebewertung – gehören Sie zur Elite der weltbesten Köche. In Ihrer Heimat sind Sie die absolute Nummer eins und als Meister Ihres Fachs kochen Sie sich in der Champions-League in die Herzen aller Gourmets hinein. Was ist Ihr Rezept hierfür?

Logo" class="infobox_img" />Harald Wohlfahrt will seine drei Michelin-Sterne noch mindestens fünf Jahre verteidigen.

Zur Person
Geboren im November 1955 in Loffenau (bei Baden-Baden), verlebt er dort auch seine Kindheit und Jugend. Nach der Schulzeit von 1970 bis 1973 Kochlehre in Mönchs Waldhotel in Dobel. Die Berufswahl resultiert aus Kindheitserlebnissen bei den Großeltern, die Nebenerwerbslandwirte waren und seinen Sinn für Naturprodukte weckten.
1974-1976: Koch im damaligen Zwei-Sterne-Restaurant „Stahlbad“ in Baden-Baden
1976: Saucier in der Traube Tonbach. Die „Schwarzwaldstube“ befand sich zu jener Zeit in der Planung.
1978: stellvertretender Küchenchef in der neu eröffneten „Schwarzwaldstube“
1980: Bestehen der Küchenmeister-Prüfung und Berufung zum Küchenchef der „Schwarzwaldstube“
1991: Koch des Jahres im Gault Millau.
1992: Drei Sterne im Michelin
Seit 1992: Als einziger Koch in Deutschland die Höchstbewertung in allen Restaurantführern.

Buchveröffentlichungen:
1998: „Feines aus
meiner Küche“
2000: „Feine Desserts aus unserer Küche“
2006: „All about Cocktails and Barfood“, in Zusammenarbeit mit Bernhard Stöhr (Barchef im Hotel Traube Tonbach)
2007: „Kunst und Magie in der Küche – Kleine Geheimnisse eines großen Kochs“

Harald Wohlfahrt: „Ich bin jetzt schon einige Jahre im Geschehen und in der Branche hat man in den Jugendjahren natürlich die Ziele, dass man sich weiterentwickelt, dass man nach vorne kommt und gesetzte Ziele, in dem Fall Sterne und Anerkennung, um Gault-Millau-Punkte zu erobern, und in allem, was man sich so erobern kann, sich weiterentwickelt und wenn der Erfolg sich einstellt, ist dies eine Riesenbestätigung für die Arbeit, die man abliefert, denn es wird sehr kritisch beäugt, was wir machen, und in alle Welt hinausgetragen. Insofern ist dies immer wieder eine große Motivation, um, wenn man auf dem Erfolgsweg ist, auch weiterzumachen und dann persönlich die maximalen Grenzen auszuloten.“

War dies bereits IhreMarschroute bei der Berufswahl?

H.W.: „In der Ausbildung wusste ich noch nichts von Michelin-Sternen und Gault-Millau-Punkten, das war damals in dieser Art noch nicht in der Gesellschaft verankert wie heute. Aber nach der Ausbildung habe ich mich in Restaurants bewegt, die Sterne hatten, wie das ‚Stahlbad‘ in Baden-Baden als einer der Betriebe, die prägend für mich waren. Das war damals ein Zwei-Sterne-Restaurant und da habe ich für mich gespürt, das ist meine Welt, wo man den eigenen Geschmack verfeinert und die eigene Kreativität auslebt, um dann letztendlich auch die eigene Marke aufzubauen.“

Sie behaupten sich seit zwei Jahrzehnten im Spitzenranking der „Haute Cuisine“, das ist eine lange und harte Zeit. Denken Sie nicht an Entspannung?

H.W.: „Zum einen ja, aber Bocuse ist jetzt 40 Jahre dabei, also da habe ich noch einen weiten Weg, wenn ich mir das als Zielsetzung nehme, also insofern bin ich auf dem guten Pfad, man muss nach vorne denken, wenn man weiterhin erfolgreich sein will. Die Sterne zu erhalten, das ist der Anspruch, den ich habe, und eigentlich bin ich noch viel zu jung, um ans Zurücklehnen zu denken. Ich bin jetzt 55, also habe ich noch einige Jahre vor mir und außerdem, was soll ich zu Hause machen? Ich bin jetzt seit 41 Jahren in der Küche, arbeite dort täglich 12 bis 14 Stunden, ich würde mich zu Hause gar nicht zurecht finden, nein, das ist nicht meins… Ich muss mich selber bestimmen können, brauche Aktivität, brauche auch Menschen um mich rum und eine Aufgabe, die mich erfüllt, und wenn ich den ganzen Tag gekämpft habe, ist dies für mich sehr befriedigend und erst dann gehe ich auch zufrieden zu Bett. Ich will die drei Sterne wenigstens noch fünf Jahre verteidigen.“

Moderne Küche ist in aller Munde, man spricht von fettärmerem Kochen, weniger Butter, leichterer Sahne usw. Wird dies von der Kundschaft gefordert oder gibt es eher ein Umdenken in der Branche?

H.W.: „Ach schauen Sie, ein Esslöffel Butter oder Sahne hat noch niemandem geschadet und Fett ist natürlich auch Geschmacksträger. Nur es in einer solchen Üppigkeit einzusetzen wie am Anfang der 80er Jahre, wo man stolz war, diese „Crème double“ zwischen 38 und 42 Prozent Fettstufe zu verarbeiten – ich meine, das ist nicht bekömmlich, und wenn man dann drei Teller gegessen hat und ist so erschlagen, dass man sich dabei nicht mehr wohlfühlt, dann ist ansatzweise schon umzudenken. Aber heute sind die Küchen facettenreicher und variabler geworden, man schenkt anderen Produkten, die man zur damaligen Zeit nicht mehr registrierte, wieder mehr Aufmerksamkeit. Man versucht heute, alle essbaren Landschaften im Grunde genommen dazu zu erschließen, wo in der jeweiligen Zeit die Landschaft blüht, um auch diese Produkte in die Küche zu nehmen und daraus Streicheleinheiten für den Gaumen zu schaffen.“

Sie haben eine Vorliebe für natürliche und gesunde Produkte. Verarbeiten Sie hauptsächlich regionale Erzeugnisse oder schauen Sie sich auch weiter um?

H.W.: „Also zunächst sind wir sehr regional auf unser Umfeld konzentriert. Warum? Weil was die Natur hier reif werden lässt, hat sie auch für diesen Raum hier vorgesehen, denn nur so werden die Produkte am optimalsten. Nur dürfen wir eines nicht vergessen; wir leben hier in Tonbach auf 650 Höhenmetern und haben nur begrenzte Erntezeit im Jahr. Im November ist unsere eigene Saison durch, also muss man jetzt im Sommer einkaufen und einlegen, dass man im Winter auch noch etwas verkaufen kann, oder man schaut sich an, was es auf der anderen Seite der Erde gibt. Entfernungen gibt es heute keine, durch den Flugverkehr geht die Ware in zehn Stunden um die halbe Welt und Kirschen, die in Chile wachsen, warum sollten die dort schlechter sein als hier, wenn dort drüben Saison ist? Seit nunmehr zwei Jahren gibt es bei uns schwarze Trüffel aus Australien, dort ist jetzt Winterzeit. Vor 15 Jahren hat man 15.000 Eichen aus dem Gebiet des Périgord, mit den Trüffelsporen in der Erde, nach Australien gepflanzt. Heute ernten die Trüffel mit dem Aroma der Périgord-Trüffel, welche diese große Wertschätzung in der Küche haben. Die australischen Trüffel kommen zu 90 Prozent an die französische Qualität ran, und wenn ich solch ein Produkt für drei bis vier Wochen beziehen kann, fließt es in meine Küche ein und findet Akzeptanz, weil es ein hervorragendes Produkt ist.“

Sterne- und Starköche preisen frische Zutaten, doch so manche werben für Fertigprodukte. Wird hier dem Verbraucher was vorgetäuscht?

H.W.: „Da muss man zweimal hinschauen, für was man seinen Namen hergibt. Also ich mache keine Werbung für Konvenienzprodukte, auf die ich keinen Einfluss habe und in die ich nicht etwas einbringen kann, dass es was Besonderes wird. Unter den deutschen Drei-Sterne-Köchen sehe ich auch keinen, der eine solche Werbung macht, das sind eher Köche, die zwar medial sehr gut aufgestellt sind und sich überall zeigen, in allen Fernsehkochsendungen mitmachen und sich da auch vermarkten. Das ist nicht meine Philosophie und da wirke ich auch nicht mit.“

Kochen unterm Scheinwerferlicht und Fernsehauftritte, das ist also nicht Ihre Welt?

H.W.: „Das sollte man so nicht sagen, aber ich betreue ein Drei-Sterne-Restaurant, das mittags und abends geöffnet hat. Wann sollte ich das machen? Wenn man wirklich kocht und sich um die Gäste kümmern will, dann bleibt für so was die Zeit nicht übrig. Die hier auftreten, kümmern sich ums Fernsehen, nicht aber um ihre Betriebe zu Hause, und das ist auch nicht die absolute Spitze, die hier in Erscheinung tritt.

Was bedeutet gesunde Ernährung für Sie?

H.W.: „Dass man den Körper ausreichend mit Vitaminen, Mineralstoffen und Kohlehydraten versorgt, so dass man sich im eigenen Körper wohl und vital fühlt, Lust aufs Essen hat und dabei den Organismus so pflegt, dass der Körper die Versorgung hat, die er wirklich braucht.“

Ein paar Worte zu Tiefkühlkost und Fastfood?

H.W.: „Bei Tiefkühlkost muss man unterscheiden, auch gefrorenes Gemüse ist Tiefkühlkost. Fertiggerichte oder Halbfertiggerichte werden bei mir nicht verarbeitet. Privat, wenn es mal ganz schnell gehen muss, hab ich auch schon mal eine gefrorene Pizza in den Ofen geschoben, aber grundsätzlich ist dies in meinem Ernährungsplan nicht verankert. Meine Kinder sind so erzogen, dass sie den Weg ins Fastfood-Restaurant nicht suchen. Man muss den Leuten zu Hause und in den Schulen beibringen, wie man sich gesund ernährt, es ist eine Frage der Erziehung. Als ich in der Grundschule war, hatten die Mädchen noch Haushaltslehre und haben in der Schule sogar etwas kochen gelernt. Wenn wir alle, Frauen wie Männer, etwas mehr über Kochtechniken, gesunde Ernährung ausreichend lernen würden, wäre dies sehr sinnvoll, denn das begleitet uns zwangsläufig ein ganzes Leben lang. Ich behaupte, dass es eine Erziehungsfrage ist, denn wenn ein Kind mit Vollkornbrot großgezogen wird, dann wird es irgendwann das Weißbrot liegen lassen. Wer erinnert sich nicht an Großmutters Küche, da war doch immer alles ganz toll. Die Gerichte, die bleiben einem, weil der Geschmack sich festgesetzt hat, und da ist es eben sehr wichtig, dass man eben nicht auf Fertigsuppen zurückgreift, sondern das Huhn selber kocht und eine Hühnerbrühe macht oder mal einen Rindfleischknochen gart, das muss nicht kompliziert und teuer sein, ein toller Eintopf kann ein tolles Essen sein. Es wird heute ganz einfach zu wenig in den Familien gekocht, aber das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Wer den ganzen Tag im Betrieb war und noch eine Stunde auf dem Nachhauseweg ist, dem bleibt die Zeit nicht mehr, um richtig und sinnvoll zu kochen.“

Eine Ihrer Publikationen hat den Titel „Kunst und Magie in der Küche – Kleine Geheimnisse eines großen Kochs“. Was ist für Sie Kunst und Magie?

H.W.: „Kunst ist, die Küche als Kunst zu sehen, das Künstlerische im Kochen aufzunehmen. Kochen hat etwas Künstlerisches, man hat ganz subtile und virtuose Zusammenstellungen, die einem im Gaumen etwas bringen, wo man völlig überrascht ist, dass so was harmoniert. Zum anderen gibt es Techniken, um Dinge umzusetzen wie die sehr künstlerischen Gestaltungen auf den Tellern, wozu man wiederum eine ganz große künstlerische Fertigkeit braucht, um dies überhaupt hinzukriegen.“

Wie ist es um die Zukunft der Gastronomietempel bestellt? Was essen wir in 20 Jahren?

H.W.: „Da habe ich keine Bedenken, im Gegenteil, wenn der ‚grüne Gedanke‘ sich zumindest auf die Landwirtschaft überträgt und die Produzenten dazu animiert, weniger Pestizide und sonstige Chemikalien einzusetzen, werden wir in 20 Jahren gesünder und besser essen als heute. Dies würde der gesamten Bevölkerung zugute kommen und nicht nur dem Gast der Gourmetrestaurants.
Die Szene ist lebendiger denn je und ‚Nouvelle cuisine‘ ist angesagt. Im Moment ist es die moderne Avantgarde, die sich ins Gespräch bringt, Junge wollen Veränderungen suchen und es wird sich auch was verändern, es herrscht Aufbruchsstimmung, eine richtige Revolution, was in den Küchen überall stattfindet.“

Haben Sie schon mal mit dem Gedanken gespielt, ein Restaurant in einer Weltmetropole wie Tokio oder New York zu lancieren?

H.W.: „Ich verstehe was von der Heimat und kenne die Heimatmärkte, hier fühle ich mich sicher, habe hier ein Umfeld geschaffen, in dem ich mich wohlfühle. Natürlich hat es Abwerbungsversuche für mich gegeben, aber wir haben hier so etwas Einmaliges für uns geschaffen, dass die Menschen, die mir wichtig sind, hierhin kommen, die lernen mich hier kennen, dafür brauche ich nicht nach New York. Für mich ist jeder Mensch eine eigene Persönlichkeit mit einer eigenen Daseinsberechtigung. Ob ich hier für Bürger koche, die aus Frankreich kommen, oder für eine Zielgruppe, die mehr europäisch ausgerichtet ist, eine andere, die aus Amerika oder Asien anreist – ich sag mir heute, die Gäste, die mir wichtig sind, die kommen einfach nach Tonbach.“