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Rheinland-Pfalz„Mir fehlt es an nichts“: Friedmunt Sonnemann lebt seit 14 Jahren als Aussteiger im Wald

Rheinland-Pfalz / „Mir fehlt es an nichts“: Friedmunt Sonnemann lebt seit 14 Jahren als Aussteiger im Wald
Friedmunt Sonnemann zeigt in seinem Garten eine Huacatay (Gewürztagetes) aus den Anden in Südamerika Fotos: dpa/Harald Tittel

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Seit mehr als drei Jahrzehnten lebt Friedmunt Sonnemann im Wald. In einer Lehmhütte ohne Strom und Wasseranschluss. Wenn der Ofen in der Stube an ist, findet er 14 Grad ganz angenehm.

Friedmunt Sonnemann ist einer der ganz wenigen Deutschen, den die gestiegenen Strom- und Gaspreise nicht treffen. „Das alles tangiert mich nicht“, sagt er in einer selbstgebauten Lehmhütte in einem abgelegenen Waldstück im Hunsrück bei Longkamp. Seit 32 Jahren lebt er mitten in der Natur – ohne Strom- und ohne Wasseranschluss. „Mir fehlt es an nichts“, sagt der 56-Jährige, der langes Haar und langen Bart trägt, auf seinem kleinen Bauernhof, der „Königsfarm“. „Das hier ist die einzige Art, wie ich leben möchte.“

Das Wasser zum Trinken holen er und seine „Mitstreiter“, wie er temporäre Mitbewohner nennt, aus einer nahe gelegenen Quelle, zum Kochen und Waschen wird meist Regenwasser genommen. „Das Klo ist Trockenkompostierung.“ Und geheizt wird mit Holz. „Wenn in dem Raum ein Ofen an ist und das Thermometer in der Ecke 14 Grad zeigt, dann empfinden wir das als angenehm“, sagt der gebürtige Bonner, der in Köln aufgewachsen ist.

„Auf keinen Fall“ werde in der kalten Jahreszeit die Stube auf 20 oder 21 Grad geheizt. „Das wäre wirklich Verschwendung“, sagt der schlanke Mann. „Wir ziehen uns im Winter auch warm an.“ Das Holz holt sich Sonnemann von eigenen Flächen, aber auch von außerhalb. „Da sind die Preise natürlich auch gestiegen. Aber damit kann ich leben, das ist nicht so dramatisch.“

Friedmunt Sonnemann steht am frühen Morgen vor seinem Haus. Seit mehr als drei Jahrzehnten lebt er als Aussteiger in einer selbst gebauten Lehmhütte im Wald.
Friedmunt Sonnemann steht am frühen Morgen vor seinem Haus. Seit mehr als drei Jahrzehnten lebt er als Aussteiger in einer selbst gebauten Lehmhütte im Wald.

Insgesamt, meint Sonnemann, könne der Mensch mit weniger auskommen als er annehme. Ihm sei klar, dass nicht jeder so wie er im Wald leben könnte. „So viele Plätze gibt es in Deutschland nicht.“ Aber die Lebensweise in den Industrieländern, die der überwiegende Teil der Bevölkerung genossen habe, werde auf Dauer nicht zu halten sein, meint er. „Es wird auf jeden Fall ein Umdenken einsetzen.“

Sonnemanns Leben sind seltene Pflanzen, die er auf dem rund vier Hektar großen Areal hegt – und das Saatgut, das er gewinnt und verkauft. Einige 100 Arten habe er inzwischen, erzählt er und streicht die Samen aus getrockneter Nachtkerze in eine Schüssel. „Da sind auch Pflanzen aus Urgroßmutters Zeiten dabei, die sonst verschwunden wären.“ Wie die Mangold-Sorte „Hunsrücker Schnitt“ oder die Stangenbohnen „Hunsrücker Weiße“ und „Blauhülsige“.

Gerade im Klimawandel sei der Erhalt alter Kulturgutpflanzen wichtig, weil sie auf kargen Böden und bei extremer Witterung gut klarkämen. Er baut aber auch Exotischeres an: etwa Zucchini aus Kroatien und Huacatay (Gewürztagetes) aus den Anden in Südamerika. „Das ist eine meiner Lieblingspflanzen. Die wird regelmäßig für Suppen und Soßen genommen, wir machen auch Tee davon.“

Sonnemann sitzt in der Küche seines Lehmhauses und streicht Samen aus getrockneter Nachtkerze in eine Schüssel
Sonnemann sitzt in der Küche seines Lehmhauses und streicht Samen aus getrockneter Nachtkerze in eine Schüssel

Bei der Arbeit helfen ihm Menschen, die für eine gewisse Zeit mit auf der Farm wohnen. „Gerade sind wir acht.“ Sie kämen auch, um „einen gewissen Abstand“ zu „der Welt draußen“ zu bekommen. „Wir leben hier nicht in einer separaten Welt. Aber die Auswirkungen von dem, was gerade in der Welt passiert, sind vergleichsweise klein.“ Manchmal kämen Leute sogar aus Mexiko oder aus Taiwan auf den Hof.

Man rede viel über das, was in der Welt passiere. Von Corona sei die Farm bisher verschont geblieben. „Wenn, dann hatte ich es mit einem sehr leichten Verlauf“, sagt Sonnemann, der in den letzten Jahren nur beim Zahnarzt war. „Ich bin eigentlich mein eigener Heiler.“

Jahrelang hatte Sonnemann gegen den Bau der Hochmoselbrücke in der Nähe seiner Farm gekämpft, über die nun seit drei Jahren der Verkehr läuft. Zeitweise, bei Ostwind, höre er „schon kräftig den Lärm“, sagt er. Aber es bleibe ihm nichts anderes übrig, „als sich damit zu arrangieren“. Die für das Projekt erfolgte „Landschaftszerstörung“ finde er aber nach wie vor „ganz furchtbar“.

Die Bewohner von Longkamp im Kreis Bernkastel-Wittlich respektieren ihren Nachbarn im Wald. „Die Arbeit, die er macht, wird hier akzeptiert“, sagt Ortsbürgermeister Horst Gorges (CDU). Es sei ja eine gute Sache, Saatgut und Pflanzen zu erhalten, die vom Aussterben bedroht seien. Die wenigsten aber im Ort könnten nachvollziehen, wie Sonnemann dort lebe.

Friedmunt Sonnemann sitzt in der Küche seines Lehmhauses
Friedmunt Sonnemann sitzt in der Küche seines Lehmhauses

Auf dem Gelände, das Sonnemann gehört, ist inzwischen ein zweites Lehmhaus entstanden. Und auf einer Scheune habe man ein Solarpanel angebracht, um ab und an mal eine Waschmaschine laufen lassen zu können oder den Akkuschrauber aufzuladen.

Von Kräutern, Kürbis, Äpfeln und Quitten alleine können die Farmbewohner aber nicht leben. „Wir kaufen auch Reis oder Nudeln dazu“, sagt Sonnemann, der sich nicht als Einsiedler oder Aussteiger sieht, sondern eher als Lebenskünstler. „Ich wohne nicht alleine und ich bin aus der Welt nicht ausgestiegen, sondern hier eingestiegen. Ich mache das ja nicht alles alleine nur für mich selber.“

JJ
23. November 2022 - 10.13

Aussteiger eben. Wer bei 14 Grad und 6 Monaten Kälte und Feuchtigkeit solange überleben kann ist schon ein harter Brocken. Wünsche ihm,dass er nicht morgens mit einem akuten Blinddarm o.ä. aufwacht. Zivilisation hat auch Vorteile.

Jill
22. November 2022 - 19.49

Filet de Boeuf - Ich finde Ihre ewigen Neidkommentare zum Erben, besonders bei diesem Artikel, ziemlich unpassend. Der Herr hat sich ja aus „freiem“ Willen und aus Überzeugung für diese Art zu leben entschieden - und nicht aus Geldnot.

Jemp
22. November 2022 - 19.06

Sympathisch an diesem Mann finde ich die Tatsache, dass er selbst so lebt, wie es manche grünen Politiker im Prinzip hemmungslos von den anderen verlangen, dies ohne aber selbst so leben zu wollen.

Filet de Boeuf
22. November 2022 - 13.40

@Heiner: Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied, aber einige haben schon von Geburt an ein paar Goldklumpen in der Tasche.

Heiner August M. Von der Vogelweide
22. November 2022 - 11.05

Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.

Leila
22. November 2022 - 10.53

Würde hier nicht funktionieren - wo man doch schon für ein Unterdach für Weidetiere eine Baugenehmigung braucht...