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Ist Gott ein Brasilianer?

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Die Werbung hat es so in sich, dass man das zu bewerbende Produkt in ein gutes Licht stellt, hie und da werden die Kanten etwas geschliffen. Es gilt aber, immer die richtige Balance zu finden, wenn man vor einem Fachpublikum spricht.

So präsentiert sich Luxemburg im Ausland meistens mit dem Argument, man habe z.B. solide Staatsfinanzen. Im internationalen Vergleich stimmt dies sogar. Zuhause wird natürlich von denselben Akteuren eine andere Sprache gesprochen. Ist alles hinlänglich bekannt et „de bonne guerre“ im Wirtschafts- und finanzpolitischen Spiel.

Etwas überrascht waren einige Mitglieder der luxemburgischen Wirtschaftsmission gestern dann doch, als Paulo Oliveira, CEO von Brain Brasil – die Promotionsagentur für Finanzen und Wirtschaft in São Paolo –, die Gründe, warum Luxemburg Brasilien braucht, um in der Welt – besonders in Asien und im Nahen Osten – Geschäfte zu tätigen, auf die lapidare Formulierung „God is brazilian“ brachte. So einfach formuliert sich Werbung für den eigenen Standort. Was in und für Luxemburg lächerlich klingen würde – und seien die wirtschaftlichen Daten und Perspektiven noch so gut – sagt man hier eigentlich nur halb im Scherz.

Es gib einiges, was diese „Theorie“ in wirtschaftlichen Fragen für das Land am Zuckerhut mit der sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt durchaus „legitimiert“.

Gute Nachricht

Der Bedarf an Investitionen in vielen Bereichen (Infrastruktur, Wohnraum, Bildung, um nur diese zu nennen) ist auf dem Markt, mit dem stetig steigenden Pro-Kopf-Einkommen, schlicht enorm. Zwar dümpelt das Wachstum nach jahrelangem Wirtschaftsboom momentan bei lediglich zwei Prozent vor sich hin, doch immerhin gibt es welches. Der Bedarf an Geld aus dem Ausland ist für die anstehenden Projekte gigantisch. In den nächsten 30 Jahren braucht Brasilien Investitionen in Höhe von fünf Billionen Dollar, hat man hier errechnet.

Eine gute Nachricht für den luxemburgischen Finanzplatz. Es täuscht demnach nicht, dass etliche Akteure aus der Fondsindustrie deshalb in São Paulo und Rio Station gemacht haben. Auch will das in den vergangenen Jahren verdiente Geld und die Internationalisierung und Strukturierung der brasilianischen Unternehmen in kompetente Hände gelegt werden.

Auch hier hat Luxemburg eine Rolle zu spielen.

Schwerfällige Bürokratie

Schlechter sieht es allerdings in anderen Bereichen Brasiliens aus. Dass die Wirtschaft nicht mehr so brummt, ist nicht etwa Gottes Schuld, das schreiben die Brasilianer in aller (aufrichtigen) Bescheidenheit sich schon selber zu. Man spricht hier von den brasilianischen „custos“ (Kosten), also der schwerfälligen Bürokratie oder der oft wechselnden politischen Regulierung. Die Unternehmer werfen dem Staat zu viel Einmischung vor. Zudem kämpft man seit langem – und wohl vergebens – gegen den steigenden Kurs der Währung an. Dies drückt auf die Wettbewerbsfähigkeit der Exportunternehmen. Auch scheint die Zeit der Rohstoff-Bonanza – nach den sinkenden Preisen für Erdöl und Eisenerze und den fehlenden Infrastrukturinvestitionen – vorerst vorbei zu sein.

Zwar hat der Staat nun bereits zum dritten Mal ein gewaltiges Konjunkturprogramm für den Infrastrukturausbau aufgelegt, doch die Brasilianer kritisieren sowohl, dass es sich hierbei um übertriebene Versprechen handelt, als auch, dass dadurch die Korruption gefördert wird. „Suchst du die Korruption, dann suche zuerst nach der Konstruktion“, ist ein geflügeltes Wort, das in Brasilien die Runde macht.

Über Brasilien

Im Gespräch mit dem Tageblatt meinte Paulo Oliveira, Luxemburg und Europa müssten über Brasilien fahren, um mit dem Nahen Osten und Asien Geschäfte zu machen. Warum, entzieht sich allerdings unserer Kenntnis, und die Erfolge Deutschlands und Luxemburgs in dieser Hinsicht sprechen eine andere Sprache.

Mag also sein, dass Gott Brasilianer ist, ob er sich aber ständig am Zuckerhut aufhält, darf bezweifelt werden. Fußballfreunde wissen zudem, dass dem ohnehin nicht so ist. Dies ist allerdings ein Argument, das die Anhänger des „jogo bonito“ am Zuckerhut eh nicht hören wollen.