Europa könne nicht länger wegschauen und sich abschotten. Europa brauche Immigration. Und man müsse einen Weg finden, diesen Menschen eine legale Einreise zu ermöglichen. Die Asylpolitik der EU werde im Mittelpunkt der luxemburgischen Ratspräsidentschaft stehen, so Asselborn. Auch eine Reform des Dublin-Abkommens stehe dabei auf der Agenda.
Auch Europa habe Fehler gemacht, die mit zu dem Flüchtlingsdrama im Mittelmeer beigetragen hätten, räumte Außenminister Jean Asselborn ein. Ohne aber weitere Details zu geben. Gemeint war damit wohl die Beteiligung an den US-Militärschlägen gegen ungeliebte Herrscher in Ländern, die heute völlig destabilisiert sind. Und aus denen die Menschen nach Europa flüchten. Die Rettung von Flüchtlingen in Seenot habe erste Priorität, so der Außenminister, der sich zufrieden darüber zeigte, dass nach dem Beschluss des EU-Rats am vergangenen Donnerstag die Finanzmittel für die Triton- und Poseidon-Programme auf ein vergleichbares Niveau wie das Ende 2014 ausgelaufene (von Italien allein getragene) Mare Nostrum aufgestockt wurden.
Legale Einreise-Möglichkeiten
Skeptisch zeigte sich Asselborn bezüglich der Idee, die Schlepperboote zu zerstören. «Dazu wäre ein UN-Mandat notwendig». Wichtiger sei es, Informationen über diese „kriminellen Banden“ zu bekommen und ihre Geldquellen zu kappen. Klar sei aber, dass ohne eine Stabilisierung Libyens die Flüchtlingswelle nicht zu stoppen sei.
«Kooperation und regionale Partnerschaft ist das stärkste Instrument, das wir haben», so Asselborn. Visiert sind da in erster Linie die Türkei, Jordanien, Ägypten und der Libanon. Die EU brauche Immigration. Und sie arbeite daran, einen regulären Weg für die Einwanderung dieser Menschen zu schaffen. Überarbeitung der «Carte bleue» und ein «Visa humanitaire» seien einige der Pisten, die nicht uninteressant seien.
Gebraucht werde auch eine Reform des Dublin-Abkommens (das bestimmt, dass Asyl nur in dem Land beantragt werden kann, in dem jemand zuerst EU-Boden betritt). Man brauche Mechanismen, um die Asylsuchenden auf die EU zu verteilen, kein Land dürfe allein gelassen werden. Und auch Luxemburg werde wohl mehr machen müssen. «Herz zeigen», so Asselborn, der ankündigte, die Flüchtlingspolitik werde einer der Schwerpunkte der luxemburgischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2015.
Eine Agenda, die wir «zu 300 Prozent mittragen», meinte Marc Spautz (CSV), der bedauerte, dass «einige Nationalstaaten den Fuß noch immer auf der Bremse haben». Menschenrettung sei oberste Priorität, so Spautz, für den aber auch klar ist, dass «Europa seine Grenzen nicht einfach über Nacht öffnen kann». Man müsse «auch über die Rückführung von denen reden, deren Asyl nicht anerkannt wird. Das gilt vor allem für Menschen aus Ländern, die auf dem Sprung in die EU sind.» Ja zu einer fairen Aufteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten, wobei auch Luxemburg mehr tun müsse, so Spautz. Er hoffe, dass die Regierung dabei die Gemeinden nicht im Regen stehen lasse.
Zustimmung zur Position des Außenministers gab es auch von Marc Angel (LSAP), Gusty Graas (DP), Claude Adam («déi gréng») und David Wagner («déi Lénk»), für den die aktuelle Flüchtlingswelle der «Ausdruck des Konflikts zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden» ist.
Ein wenig Immigrationsgeschichte
Und dann entführt er die Abgeordnetenkollegen zu einem Weg durch die rezente Weltgeschichte. «Haben nicht europäische Flüchtlinge den amerikanischen Kontinent erobert?», fragt er ins Plenum. Ist nicht Australien ein Staat, der eigentlich aus Flüchtlingen besteht?“, schiebt er nach. Und verkracht sich mit Fernand Kartheiser (ADR), der das australische Konzept, Flüchtlinge konsequent in «humanitär gesicherte Zonen», de facto auf einsame Inseln, zu verbannen, als «diskutierbares Thema» sieht.
Es sei ein Irrweg, Flüchtlinge mit egal welchen Mitteln stoppen zu wollen, so Wagner «Das sind Menschen, die wissen, dass sie sterben können. Die haben nichts mehr zu verlieren.» Auch die Bekämpfung der Schlepper sei «eine falsche Lösung».
Europa habe allein schon deshalb eine besondere Verantwortung gegenüber diesen Menschen, weil die Militäraktion, zusammen mit den USA, in Libyen aus einer sicherlich nicht demokratisch perfekten eine katastrophale Situation gemacht habe. Eine Analyse, in der ihm Kartheiser zustimmt, die aber wiederum vom Außenminister ganz und gar nicht geteilt wird. Gaddafi habe zuletzt «Völkermord» in seinem eigenen Land betrieben, da habe man eingreifen müssen, geht Asselborn dazwischen.
Zu Demaart
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