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Daniel starb unter unser aller Augen

Daniel starb unter unser aller Augen

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BONNEWEG - Ja, Daniel war ein Sturkopf. Ja, Daniel wollte eigentlich nie für die Nacht in eine feste Unterkunft, da er seinen Stammplatz in Bonneweg nicht verlieren wollte.

Ja, Daniel erhielt Hilfe von vielen Seiten … und dennoch starb er unter unseren Augen, auf der Straße, an den Folgen einer Unterkühlung.

Nun kann man sich natürlich die Frage stellen, wie es möglich ist, dass ein Obdachloser in einem reichen Land wie Luxemburg mitten auf der Straße an Unterkühlung stirbt. Doch eigentlich sollte man sich eher die Frage stellen, warum es in einem der wohlhabendsten Länder der Welt überhaupt Leute gibt, die auf der Straße leben müssen.

«SAMU social»

Warum gibt es in Luxemburg noch immer keinen «SAMU social», der auch nachts unterwegs ist? Warum gibt es in Luxemburg (neben einer «Wanteraktioun» mit doch sehr strikten Regeln) keine Einrichtungen, wo die Obdachlosen unter lockeren Bestimmungen leben könnten? Diese und andere Fragen kommen für Daniel Marinelli viel zu spät. Er starb am Wochenende an den Folgen einer Unterkühlung.

In Bonneweg war der 58-jährige Daniel längst kein Unbekannter, er gehörte fast schon zum Stadtbild. Wenn er einmal nicht an seinem Stammplatz schlief oder sich dort tagsüber aufhielt, dann fiel das den Anrainern auf.

Der Franzos», so ein Mitarbeiter von «Streetwork“ am Dienstag dem Wort gegenüber, musste bereits oft in medizinische Behandlung. Doch nie hielt er sich lange in einem «gesicherten Umfeld» auf, da er immer wieder um seinen Platz in Bonneweg fürchtete. Dort hatte er eine Matratze, eine Decke und eine Tüte Hab und Gut neben Telefonkabinen. Letztes Jahr musste ihm nach einem Zwischenfall ein Fuß amputiert werden. Er hätte eigentlich nach Brüssel ins Klinikum gebracht werden sollen, doch der Streetworker gab zu verstehen, dass Daniel sich standhaft weigerte, in die Ambulanz einzusteigen.

Beispiele aus dem Ausland

In den vergangenen Wintermonaten war er erneut mehrmals in der Tagesklinik und in der «Wanteraktioun» auf Findel, doch jedes Mal machte er sich nach nur einem kurzen Aufenthalt zurück nach Bonneweg auf die Straße.

Am Freitag (20.02.15) vergangener Woche, so der Streetworker, sei Daniel erneut gestürzt und habe sich am Kopf verletzt. Er habe sich aber wiederum geweigert, in die Ambulanz zu steigen. Er wurde vor Ort behandelt, doch sein Allgemeinzustand sei nicht gut gewesen. Er starb in der Nacht zum Samstag. Die Präsidentin der «Stëmm vun der Strooss», Alexandra Oxacelay, zeigte sich am Dienstag gegenüber dem Tageblatt entrüstet und traurig zugleich über den Vorfall. Auch sie spricht davon, dass es im nahen Ausland sehr gute Beispiele gebe, wie man die Probleme der Obdachlosen besser in den Griff bekommen kann: «Warum inspirieren sich unsere Politiker nicht an diesen Beispielen?»

Die «Wanteraktioun» werde heute gerne als das Heilmittel schlechthin dargestellt, doch spätestens am 1. April wissen wir wieder, wie viele Leute auf der Straße leben müssen. Am 31. März schließt die 80 Betten umfassende Einrichtung der «Wanteraktioun» auf Findel, und dann … Diese Leute werden dann zu den schätzungsweise 20 zurzeit trotz Kälte auf den hauptstädtischen Bürgersteigen und Plätzen «Lebenden» stoßen, so kann man sich leicht ausrechnen, wie groß das Problem wirklich ist. Der Tod von Daniel Marinelli sollte uns natürlich alle zu denken geben. Doch ebenso viele Gedanken müssten wir uns darüber machen, dass wir im reichen Lande Luxemburg noch immer derart viele Leute dazu verurteilen, auf der Straße zu «vegetieren».