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Brief an die Ungeliebte

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Warum die Koalition ihre Politik ändern muss

„Brief an die Nicht-mehr-Geliebte“ wäre wohl richtiger, aber zu lang für die Titelzeile. Der Form halber passt sowieso:

asold@tageblatt.lu

Liebe Regierung,

Damit du uns nicht unterstellst, wir hätten etwas gegen dich, denn es kommt gleich knüppeldick, kriegst du zuerst Lob für die gute „Présidence“. Vor zwei Jahren traute die CSV dir den Vorsitz des EU-Rats überhaupt nicht zu. Für diese gewaltige Aufgabe brauche man einen Juncker, hieß es. Nun, es ging perfekt ohne den; Asselborn war ja da, und die Neuen, Bettel zuvorderst, waren so gut, dass die große Presse Anerkennung zollte.

Umso verwunderlicher ist, dass du dein Geschick, mit wirklich schwierigen Problemen umzugehen (so wild wie während der letzten Monate ging es in Europa ja seit dem Krieg nicht mehr zu!), zu Hause nicht zeigst.
Im Gegenteil: In Luxemburg benimmst du dich wie der berühmte Elefant im Porzellanladen. In nur zwei Jahren hast du es fertiggebracht, so unpopulär zu werden wie keine Regierung zuvor.

Das dürfen wir aufgrund des neuen Tageblatt-TNS-Ilres-Politbarometers behaupten, das wir ab nächsten Mittwoch veröffentlichen. Die Resultate sind grauenhaft für dich, in jeder Hinsicht; nur der Außenminister schwebt über den Wolken.

Wenn nun der Premier, wie leider bereits zu oft, die Arbeit der Demoskopen mit lässiger Hand wegschiebt, weil er seine Politik nicht nach Umfragen auszurichten habe, nehme er doch zur Kenntnis: Meinungsforscher irren, im Gegensatz zu Experten aller Art, nur geringfügig, selten über 3%. Wer das ignoriert oder verdrängt, hat den Bezug zur Realität verloren.

Die Realität, liebe Regierung, ist folgende: Du stützt dich im Parlament auf lediglich 32 von 60 Abgeordneten. Das ist wohl das absolute Minimum. Es müsste dir also daran gelegen sein, deine Politik so auszurichten, dass du deine Stellung bei den nächsten Wahlen festigen kannst. Eine Regierungsperiode ist keine und sollte jedenfalls kein Ziel sein.
Verweise jetzt nicht auf die LSAP-DP-Koalition von 1974-1979. Diese wurde nur knapp geschlagen, während du einem Debakel entgegentaumelst, wie es nie eines in Luxemburg gab.

Was hast du falsch gemacht? Hundert, tausend kleine Benimmfehler werden dir angelastet, und zahllose Fußtritte, die mal diesen, mal jenen trafen und treffen. Nenn eine einzige Berufsgruppe, die du in deinem Reformeifer nicht irgendwie falsch angefasst hast, eine Gewerkschaft, mit der du noch klarkommst, eine Interessengruppe, die sich nicht geschädigt fühlt!

Liebe Regierung, in deinem Sparwahn hast du übersehen, dass deine Argumente nicht überzeugen. Was du als notwendig darstellst, wird als Schikane empfunden. Die einfachen Leute – ja, die gibt es noch! – wollen keine „Brüsseler Reden“, sie wollen mehr Geld in der Tasche, also weniger Steuern, weniger Taxen, mehr staatliche Leistungen. Und erspar uns die Mär von der Verschuldung. Es ist rechtens, es ist sogar klug, für Investitionen Neukredite aufzunehmen in einer Zeit, in der das Geld zu günstigsten Zinsen zu haben ist.

Wir wünschen dir für 2016 so viel Einsicht, dass du deinen Wählern – die meisten sind Lohnabhängige und Pensionäre – entgegenkommst. Hör endlich auf, alles besser wissen zu wollen und so vieles schlechter zu machen, liebe Regierung!