Es hatte die Form eines Referendums, war es aber nicht. Es hat keine bindende Wirkung, ist lediglich eine Meinungsäußerung. Dennoch lässt sich die Region Lothringen eine Abstimmung ihrer Bevölkerung mindestens eine halbe Million Euro kosten. Viel Geld für eine Region, deren Kassen leer sind, die verschuldet ist und in der über 200.000 Menschen eine Arbeit suchen.
Ein Bahnhof ist Streitpunkt in Lothringen. Als der TGV seinen Weg nach Lothringen fand, stritten bereits Metz und Nancy darum, wo denn der lothringische Bahnhof seinen Platz finden sollte. Provisorisch wurde er fast zwei Kilometer vom Flughafen Lothringen entfernt in Louvigny als «Gare TGV Lorraine» konzipiert. Flughafen und Bahnhof sollten sich gegenseitig befruchten. Weil zu weit voneinander entfernt, taten sie das nie.
Viele Probleme
Louvigny ist ein einfacher Bahnhof. Je ein Bahnsteig auf jeder Seite. Ein schlichtes Abfertigungsgebäude. Das war´s als lothringischer TGV Bahnhof, den man eigentlich überhaupt nicht braucht.
Der TGV hat in Lothringen zahlreiche Probleme. Damit er überhaupt gebaut werden konnte, griffen die Regionen, die Départements, die Städte tief in ihre leeren Kassen und verschuldeten sich. Als Gegenleistung verlangten sie den Hochgeschwindigkeitszug in ihren Bahnhöfen. Der TGV fuhr also nicht mehr als schnellste Eisenbahnverbindung von Punkt zu Punkt, sondern bediente als Prestigeprojekt die Fläche. In Lothringen sind Nancy, Epinal, Metz, Destinationen. Die Region Champagne Ardennes bekam ihren Zentralbahnhof, an dem man nach Reims umsteigt.
Das Drehkreuz
Der Bahnhof Vandières, der von Anfang an gewünscht war, wurde bisher nie gebaut. Sowohl das Département Meurthe et Moselle mit der Hauptstadt Nancy als auch die Region Lothringen wollen ihn aber unbedingt als den lothringischen Bahnhof haben.
Das Département Moselle wehrt sich gegen Vandières. Der Bahnhof wäre zwar eine vernünftige Lösung, ist er doch ein Drehkreuz zwischen der Strecke Paris/Straßburg und Luxemburg/Metz/Nancy, aber der Präsident des Generalrates in Metz hat ganz praktische Gründe, um sich gegen den lothringischen Bahnhof zu wehren.
Ein Wirtschaftsfaktor
Der Bahnhof Louvigny ist der derzeitigte Anschluss an die Strecke Straßburg/Paris. Er bietet mittlerweile auch Anschlüsse an andere regionale Hauptstädte, zum Beispiel Lille an, von wo aus man den Eurostar nach London nimmt. Oder er bietet die direkte Fahrt nach Rennes an. Innnerhalb von vier Stunden ist man in der bretonischen Hauptstadt. Das ist unschlagbar gegenüber dem Auto. Die Destinationen Metz, Nancy, Epinal hingegen führen nach Paris und nicht mehr.
Der lothringische TGV Bahnhof in Louvigny ist zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. Da er mit der Eisenbahn nirgendwo in Lothringen angebunden ist, fahren Busse von Nancy, von Metz, von Luxemburg zu ihm hin. Wer auf der Rückfahrt seinen Bus verpasst, der hat Pech gehabt. Ihm bleibt nur das Taxi. 50 Euro für die Fahrt nach Metz.
Lothringischer Hub
Vandières hingegen hat seinen Bahnhof mitten im Moseltal. Also auf der Strecke von Luxemburg über Metz nach Nancy und nötigenfalls nach Epinal. In Vandières kann man – wie am Bahnhof Champagne-Ardennes – umsteigen in Richtung Straßburg, in Richtung Rennes oder in Richtung Lille oder Paris. Vandières würde der lothringische TGV Bahnhof der lothringische Hub werden.
«Warum sollen die TGV dann noch nach Metz, nach Nancy, nach Epinal fahren?», fragt nicht unberechtigt Patrick Weiten, Präsident des Generalrates in Metz. Weiten ist von Hause aus Ingenieur, hat häufig andere – rationale – Denkansätze als Politiker. Die Passagiere aus Luxemburg, Metz, Nancy könnten mit Zubringer-Regionalzügen nach Vandières fahren und dort in die Züge auch nach Paris einsteigen. Die Bus- und Taxi-Unternehmer würden ihr Geschäft verlieren. Metz, Nancy, Epinal auf Dauer ihren TGV. Und das zu einem Zeitpunkt, wo Metz und Nancy im Rahmen der Zusammenlegung der Regionen Elsaß, Lothringen, Champagne Ardennes eh´ schon mit einem Bedeutungsverlust zu kämpfen haben werden. Die französische Eisenbahn bestreitet den Gedanken, Metz und Nancy vom TGV Netz abzukoppeln, gibt aber keine Garantie ab.
Der Quertreiber
Der Präsident der Region Lothringen, Jean-Pierre Masseret, der Lothringen seinen TGV Bahnhof auch aus dem Gedanken der zukünftigen Absicherung heraus geben will, ist auf keinem schlechten Weg. Das Mosel-Département ist in Lothringen nicht so gut gelitten. Zwar wohnt jeder zweite Lothringer zwischen Metz, Forbach und Luxemburg, aber das Département gilt als zu mächtig und hat den Ruf des Quertreibers. Das Ergebnis der unverbindlichen Volksbefragung gibt es am 6. Februar.
(Helmut Wyrwich)
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