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„L’enfant terrible de la cuisine“

„L’enfant terrible de la cuisine“
(Leslie Schmit)

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Von langer Hand geplant hat Fabrizio Annicchiarico seine Kochkarriere nicht. Es hat sich einfach so ergeben. Mit uns spricht der Immobilien- und Finanzfachmann über die Wendepunkte und Neustarts in seinem Leben und seine Leidenschaft, mit frischen Lebensmitteln, u.a. auf dem Markt in Düdelingen, zu kochen.

Unsere Verabredung zum Gespräch ist spontan, improvisiert. Fabrizio Annicchiaricos Art ist freundlich, einladend, kurzum ein sympathischer Typ, mit dem man Pferde stehlen könnte. Er spricht fokussiert, überzeugend, kommt schnell auf den Punkt. Yoga, Meditation, Atemübungen helfen ihm dabei, die Kraft für seine zahlreichen Projekte zu schöpfen. Der Mann, der mit den Händen spricht, dessen Mimik seinen Worten Nachdruck verleiht, der gern und viel lacht, wirkt nur einmal während unseres Gesprächs sehr ernst und kurz angebunden. Dann beschreibt Fabrizio einen Wendepunkt in seinem Leben, der eigentlich einen Neuanfang bedeutete.

Alles begann vor drei Jahren, als Fabrizio Annicchiaricos Leben sich von einem Tag auf den anderen änderte. Nachdem er mehrere Jahre in der Immobilienbranche tätig war, musste er sich neu orientieren. „Ich musste die Kurve kriegen“, erzählt der sympathische Hobby-Koch mit italienischen Wurzeln in seiner typisch direkten Art.

Den Neustart wagen

Sein zweites Berufsleben begann eher zufällig. Ein Bekannter suchte zu diesem Zeitpunkt einen Ersatz für einen Koch, der kurzfristig ausgefallen war. „Könntest du einspringen und montags bei uns kochen?“, fragte der Bekannte. Fabrizio hatte nichts zu verlieren: „Ich hatte keinen Job, also versuchte ich es.“ Eine Bedingung hatte er aber: Diese hatte sich der junge Mann, der Musik leidenschaftlich liebt, überlegt, nachdem er sich bei den Beatles inspiriert hatte. Der Manager der weltberühmten Pilzköpfe hatte ihnen versprochen, sie unter Vertrag zu nehmen, wenn sie bei einem Spontankonzert im Park die Menschen zum Verweilen und Zuhören begeistern. Die gleiche Forderung stellte auch Fabrizio seinem Bekannten.

Das Abenteuer und seine zweite Karriere als Koch begannen. „Ich stellte mich mit zwei Campingkochern, den geborgten Kochtöpfen meiner Mutter und ein paar Rezepten im Kopf hin und legte los. Von Mittag bis zum späten Abend.“ Frische Produkte und ein stimmiges Preis-Leistungs-Verhältnis – die langen Schlangen vor den Kochtöpfen sprechen für seinen Erfolg. Nach drei Monaten standen rund 50 Gerichte zur Auswahl. Angefangen hatte alles mit drei wechselnden Speisen täglich, die beliebteste von ihnen schaffte es in die nächste Runde. Ein Gericht – „Gnocchi mit Trüffel“ – blieb in der Stammauswahl, sagt Fabrizio voller Stolz.

„Cucina povera“ neu gedacht

Wie sein zweites Berufsleben als Koch begonnen hatte, so ging es ab diesem Zeitpunkt weiter. Fab, wie ihn seine Freunde nennen, kochte auf Festivals wie dem Rock-A-Field – immer frisch, sehr zum Erstaunen seiner Kunden. „’Das ist nicht dein Ernst!›, sagten die Kunden“, erinnert er sich mit einem breiten Grinsen an seine „Cateringeinsätze“.

Bis zu seinem zehnten Lebensjahr wuchs Fabrizio im Restaurant der Eltern auf. Diese Erfahrungen prägten später seinen gastronomischen Weg. Seine Art zu kochen beschreibt er als „cucina povera“. Sie lehnt sich an die „Küche der armen Menschen in Süditalien“ an. Früher stand nur sonntags Fleisch auf dem Tisch, mit dem reichhaltigen Angebot an Obst und Gemüse mussten die Menschen kulinarisch kreativ umgehen, damit keine Langeweile auf dem Teller aufkam.

Kochen auf dem Frischmarkt

Vielleicht ist diese ehrliche, energische Art Fabrizios in Verbindung mit seiner gastronomischen Arbeit, welche die Zuschauer seiner Marktvideos begeistert. Seit Anfang 2016, im Zusammenhang mit dem „Rebranding“ von Düdelingen, steht der frühere Immobilienmakler mitten auf dem Markt in einem improvisierten Studio und kredenzt mit marktfrischen Zutaten einfache und leckere vegetarische und vegane Gerichte. Zu diesem Job kam er ebenfalls über einen Bekannten, der für die Agentur hinter dem „Rebranding“ arbeitete: „Du sprichst viel und gerne, weißt dich vor der Kamera zu bewegen, hast eine Ahnung von dem, was du den Menschen erklärst“, zitiert Fabrizio aus seinem improvisierten Einstellungsgespräch.

Er willigte ein, erneut nur vorübergehend, bis eine Stammbesetzung gefunden war. Kurzum: Fabrizio ist die derzeitige Stammbesetzung. „Ich habe freie Hand, was die Gerichte, die ich vorkoche, angeht.“ Ein Kamerateam begleitet ihn vor Ort. Die Menschen belohnen Fabs unorthodoxe Art, den Kochlöffel zu schwingen, mit Zigtausenden Klicks auf Facebook und YouTube. „Ein Video erreichte 125.000 Views auf Facebook. Für Luxemburg, einen Staat mit 500.000 Einwohnern, ist das enorm“, freut sich Fabrizio.

„Back to the roots“

Der Quereinsteiger selbst bezeichnet sich mit Blick auf die etablierte Konkurrenz von ausgebildeten Köchen als „enfant terrible de la cuisine“. Diese „Back to the roots“-Philosophie passt zu Fabrizios Lebensart: ehrlich, energiegeladen, direkt, Tausendsassa. All das trifft auf die Küche, Lebensart und Person von Fabrizio zu. Ganz bei sich sein und sich trotzdem in seiner Arbeit entfalten, Fabrizio Annicchiarico meistert diesen Spagat bravourös. Jobmäßig braucht er sich keine Sorgen zu machen: Einen Cateringservice hat er nebenbei aufgebaut, kredenzt „als One-Man-Show“ auf Hochzeiten, Firmenevents und Festivals seine leckeren Gerichte (www.fabelicious.lu).

In seinem früheren Job hatte Fabrizio „sein Herz verloren“, sagt er rückblickend. „Deshalb bin ich zurückgekommen.“ Ein Lächeln voller Zufriedenheit erstrahlt auf seinem Gesicht. Fabrizios Herz geht auf.

Über dem Lesen Appetit bekommen? Dann müssen Sie sich unbedingt das Tageblatt-Magazin «Frisch vom Markt» von diesem Wochenende zulegen. Hier gibt Fabrizio nämlich auch zwei seiner Rezepte preis: «Ravioli ricotta e spinaci al sugo di pomodoro» und eine «Crème brûlée» stehen auf dem Menü.