An der Atomruine Fukushima wurde ein Riss gefunden, aus dem hochradioaktives Wasser ins Meer sickert. Bis Sonntagabend gelang es den Arbeitern aber nicht, das Leck zu versiegeln.
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Der 20 Zentimeter lange Spalt klafft in einem Kabelschacht des Turbinengebäudes von Reaktor 2. Die Regierung warnte, dass es Monate dauern könnte, das Leck zu schließen. Zudem wurden auf dem AKW-Gelände erstmals Tote gefunden. Die Leichen zweier Arbeiter konnten geborgen werden. Die Männer waren bei dem Tsunami vor mehr als drei Wochen gestorben.
Der 24- und der 21-Jährige hatten am Block 4 gearbeitet. Ihre Leichen wurden am Wochenende Angehörigen übergeben. Die bei ihnen gemessene Strahlung sei unproblematisch, hieß es. Ihre Leichen hätten zahlreiche äußere Wunden aufgewiesen, berichteten Medien. Die Männer starben demnach offensichtlich an Schock nach Blutverlust. Sie waren bereits am 30. März gefunden worden.
Unmöglich, das Leck abzudichten
Versuche, das entdeckte Leck mit Beton und Kunststoff abzudichten, schlugen am Wochenende fehl. Auch Sägespäne und zerschredderte Zeitung halfen nicht. Der Betreiber Tepco bestätigte, dass Wasser mit einer Strahlung von mehr als 1000 Millisievert pro Stunde ins Meer geflossen sei. Zudem wurde radioaktives Jod-131 erstmals mit einer Strahlung doppelt so hoch wie der zulässige Grenzwert 40 Kilometer vom AKW entfernt im Meer nachgewiesen.
Regierungssprecher Yukio Edano kündigte einen «langen Kampf» gegen die Atomkrise an. Es werde möglicherweise mehrere Monate dauern, bis die Lecks gestopft seien. «Was soll nur aus unserem Leben nun werden», zitierte die japanische Nachrichtenagentur Jiji Press einen Fischer in der angrenzenden Katastrophenprovinz Ibaraki. «Wenn die Leute auch nur «Fisch aus Ibaraki» hören, werde ich ihn nicht verkaufen können.»
Radioaktive Partikel wehen nach Tokio
Schlechte Nachrichten auch für die Millionenstadt Tokio: Drehender Wind wird in den nächsten Tagen radioaktive Partikel aus dem zerstörten Atomkraftwerk Fukushima zur Hauptstadt wehen. Die Partikel sollten die Metropole Dienstag und Mittwoch erreichen, teilte der Deutsche Wetterdienst mit.
Erstmals seit Beginn der Katastrophe haben die Regierung und Tepco die Radioaktivität in der Luft innerhalb der 20-Kilometer-Sperrzone um das AKW gemessen. Dabei wurden nach ersten Informationen Werte von bis zu 50 Mikrosievert – 0,05 Millisievert – pro Stunde ermittelt, wie der Fernsehsender NHK berichtete.
Kritik an Tepco wird laut
Unterdessen wird die Kritik an Tepco und der Regierung immer lauter: Vor der Unternehmenszentrale demonstrierten am Wochenende Dutzende Bürger. Der Gouverneur der Präfektur Fukushima, in der das AKW steht, rügte die Informationspolitik der nationalen Atomaufsichtsbehörde. Die Angaben zur Radioaktivität landwirtschaftlicher Produkte aus der Region seien zu spät veröffentlicht worden, sagte Yuhei Sato nach einem Kyodo-Bericht. «Können Sie die Zahl der Prüfer nicht erhöhen?», fragte Sato. «Das Leben der Bauern steht auf dem Spiel. Die Frage ist, ob sie morgen leben können.» Ein Beamter der Behörde entgegnete lediglich: «Ich habe verstanden.» Anschließend habe er Journalisten erklärt, es gebe nicht genügend Materialien für die Tests in der Präfektur.
Auch Ministerpräsident Naoto Kan geriet in die Kritik, weil er am Samstag zum ersten Mal seit der Naturkatastrophe und inzwischen mehr als 12.080 Toten ins Krisengebiet reiste. Dabei suchte er lediglich einen Ort auf und verbrachte wenig Zeit mit den Opfern – gerade mal 20 Minuten. Kan sprach den Überlebenden Mut zu. Feuerwehrmännern in der Region sagte er: «Es ist ein etwas langer Kampf, aber die Regierung wird Ihnen bis zum Ende beistehen und ihr Bestes tun, bleiben auch Sie bitte zäh.»
Immer noch 15.552 Menschen vermisst
Am 11. März war einem Mega-Beben eine Flutwelle gefolgt, die nach Erkenntnissen von Wissenschaftlern der Universität Tokio an einigen Orten knapp 38 Meter hoch gewesen sein soll. Nach Polizeiangaben werden noch immer 15.552 Menschen vermisst. Tausende japanische und US-amerikanische Soldaten waren am Wochenende auf der Suche nach weiteren Opfern.
Zwei große japanische Hilfsorganisationen sammelten nach Kyodo-Angaben für die von der Naturkatastrophe getroffenen Menschen Spenden in Höhe von umgerechnet fast einer Milliarde Euro. Die größte Einzelspende kam mit umgerechnet mehr als 83,5 Millionen Euro vom Präsidenten der Softbank, Masayoshi Son. Er will nach Mitteilung des Instituts auch sein gesamtes Gehalt zugunsten von Waisenkindern spenden, das er vom Geschäftsjahr 2011 bis zu seinem Ausstieg verdient.
Die japanische Regierung denkt derweil über eine Umsiedlung von Menschen aus den vom Tsunami zerstörten Küstengebieten nach. Unter anderem werde erwogen, dort Landflächen und Grundstücke aufzukaufen, meldete Kyodo unter Berufung auf Regierungskreise. Die Bewohner könnten in höher gelegene Gebiete ziehen, die Wohnviertel an der Küste komplett aufgegeben werden. In anderen Regionen, wo ein Wiederaufbau möglich scheint, solle auch die Privatwirtschaft helfen.
Eric Rings, geboren 1979 in Esch/Alzette, studierte Germanistik und Romanistik an der Universität Heidelberg und fing 2010 als Journalist beim Tageblatt an. Seit 2019 schreibt er über innenpolitische Themen.
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