Ein belgischer Rechtsanwalt hat in Zusammenarbeit mit einem Luxemburger Kollegen im Namen von 180 britischen Staatsbürgern Strafanzeige gestellt gegen die ehemaligen Vorstandsmitglieder, gegen die Konkursverwalterin, und gegen die Versicherung, mit der die isländische Bank zusammenarbeitete. Der Vorwurf unter anderem: Betrug.
Die Abwicklung der Bank nimmt damit eine neue Größenordnung an. Bisher hat die Justiz in Spanien und in Frankreich gegen Landsbanki strafrechtlich ermittelt. In Luxemburg hat die Liquidatorin nur zivilrechtlich gearbeitet. Mit der am Montag eingereichten Klage ist in Luxemburg nun auch die strafrechtliche Seite der Landsbanki Liquidation Gegenstand der juristischen Arbeit. Worum geht es?
Hintergrund
In den Jahren 2006 bis 2008 hat Landsbanki in Südfrankreich und in Spanien über Agenten Immobiliengeschäfte abgewickelt. Die Sache lief recht einfach ab. Landsbanki schlug Besitzern von Häusern und Grundstücken vor, sie zu Geld zu machen, sie aber weiter zu nutzen. Lesley Milton zum Beispiel erhielt 76.000 Euro in bar für ein Haus, das nach Schätzungen damals 326.000 Euro wert war. Weiter richtete Landsbanki für die Britin, die mit ihrem Mann ihren Ruhestand in Spanien verbringen wollte, ein Wertpapier Depot ein, das mit seinem Wertzuwachs den Wert des Hauses abdecken sollte. Nach der Krise blieb von dem Depot nicht mehr viel übrig. Und die Liquidatorin treibt unnachsichtig auf zivilem Wege Geld ein.
Verfahren haben die Opfer dieser Verträge in Luxemburg bisher verloren. „Noch“, sagen Lesley Milton, Tom Page und Mike Mcinnes, „gibt es die Drohung der Zwangsversteigerung nicht und noch können sie in ihren Häusern leben. Die Briten sind dabei nicht ganz alleine. Prominenter Kunde dieser wundersamen Geldbeschaffung ist der Sänger Enrico Macias, der seine Villa bei Landsbanki gegen Bargeld und ein Wertpapierdepot verpfändete. Der Anwalt von Enrico Macias hat als erster mit großem Erfolg die französische Strafjustiz angerufen. In Spanien haben die Briten sich zusammengetan und gehen per Anwalt ebenfalls auf strafrechtlichem Wege gegen Landsbanki vor.
«Seltsame Dinge»
Der belgische Anwalt Bernard Maingain hat in Luxemburg den jungen Kollegen Benjamin Bodig aus Diekirch gefunden. Beide haben den Fall durchgearbeitet und sind auf seltsame Dinge gestoßen, sagen sie. Sowohl in Spanien als auch in Frankreich soll die Justiz ihrer Aussage nach festgestellt haben, dass sowohl Landsbanki als auch der mit ihr kooperierenden Versicherung die Zulassung zum Bank- und Versicherungsgewerbe gefehlt habe.
Bank und Versicherung wären somit illegal in Spanien und in Frankreich tätig geworden. Der französische Untersuchungsrichter Renaud van Ruymbeke hat den Fall Landsbanki zu instruieren. Er hat von der Bank eine Sicherheit in Höhe von 50 Millionen Euro gefordert. Die Liquidatorin hat ein Luxemburger Gericht gefragt. Während der Verhandlung hat die Staatsanwaltschaft sich gegen die Zahlung ausgesprochen, weil mit der Zahlung die Interessen der anderen Gläubiger geschädigt würden. Es gibt nur zwei Gläubiger: Island und die Zentralbank Luxemburg. Im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen wird wohl auch zu klären sein, in welcher Form und warum die luxemburgische Zentralbank Gläubigerin einer isländischen Privatbank ist, die sich in der Abwicklung befindet.
Angebot
Die beiden Anwälte stellten weiter fest, dass die Kunden der Bank für ihr Depot zwei Jahre gar nichts erhielten und im April 2008 dann ein Angebot bekamen, ihr Wertpapierdepot umzugestalten in Obligationen der Landsbanki. Im April 2008 tobte gerade die Finanzkrise und die Finanzwelt rund um den Globus hatte das „blutige Vierteljahr“ hinter sich, in dem Börsen abstürzten, Banken vor dem Zusammenbruch gerettet werden mussten und Wertpapierdepots in wenigen Stunden über die Hälfte ihres Wertes verloren. In den Unterlagen der beiden Rechtsanwälte befinden sich überdies Zeugenaussagen, dass Landsbanki nicht im Interesse der Kunden gehandelt haben soll. So heißt es in einer Aussage, dass Landsbanki mit Fondsgesellschaften unabhängig von der möglichen Entwicklung des Fonds nur Kommissionen und möglichst hohe Abschläge verhandelt haben soll. Rechtsanwalt Maingain: “Es ging hier gar nicht mehr um das Interesse der Kunden, sondern nur noch um möglichst hohe Einnahmen. Landsbanki arbeitete im Eigeninteresse“.
In den Augen des Anwaltes ist der gesamte Vorgang von der Akquirierung des Kunden bis heute ein Betrugsvorgang zur Rettung der Bank. Der Anwalt stützt sich dabei auf Untersuchungsergebnisse in Spanien und in Frankreich. Der Gerichtsstandort für die Verträge ist Luxemburg, sagt Mcinnes. In Luxemburg hat die Liquidatorin allerdings bisher immer nur die zivilrechtliche Seite des Falles bearbeitet. Anzeigen ihrerseits gegen Vorstandsmitglieder der Bank sind nicht bekannt. Dabei hätte sie durchaus aufmerksam werden können, meinen die Rechtsbeistände der Briten.
Liquidation
Die Liquidation in Luxemburg wird in der Regel von zwei Personen geleitet: Einem Wirtschaftsprüfer und einem Juristen, im Falle Landsbanki einer Juristin. Der Wirtschaftsprüfer für Landsbanki nahm im Oktober 2008 seine Arbeit auf. Im Dezember 2008 legte er ein Gutachten vor, in dem viele Merkwürdigkeiten stehen sollen, die ein strafrechtliches juristisches Eingreifen rechtfertigen sollen, meinen die beiden Anwälte. Der Wirtschaftsprüfer von der Agentur Deloitte trat zu Beginn des Jahres 2009 von seinem Amt zurück, ohne offizielle Begründung. Ein neuer Wirtschaftsprüfer wurde von der luxemburgischen Justiz nicht benannt.
Es ist nicht bekannt, warum das nicht geschah. Aber seit Februar 2009 agiert die Liquidatorin alleine. Die Strafanzeige, die Bodig und Maingain am Montag eingereicht haben, richtet sich daher auch gegen die Liquidatorin. Dass die Aktion in Frankreich und in Spanien möglicherweise nicht sauber war, ergibt sich aus Briefen, die ein Agent der Landsbanki an seine Kunden geschrieben hat. Darin ist Rede von einer zweifelhaften Kooperation zwischen Versicherung und Bank, erzählen die Anwälte.
Strafrecht
Luxemburg, das sich bisher nicht strafrechtlich mit dem Fall Landsbanki beschäftigt hat, muss sich andererseits mit den strafrechtlichen Auswirkungen in Frankreich befassen. Die Liquidatorin hat in Frankreich alle Prozesse verloren, die sie gegen die Verfügung angestrengt hatte, 50 Millionen zu hinterlegen. Da die Zahlung bisher nicht erfolgt ist, hat der französische Untersuchungsrichter alle Hypotheken kassiert, die die Landsbanki in Frankreich besitzt. Die Liquidatorin hat dagegen wieder den Rechtsweg beschritten.
Angezweifelt wird von den beiden Juristen auch die Rolle der Finanzaufsicht. Sie fragen, warum die Landsbanki ungehindert ihre Geschäftspolitik betreiben konnte, ohne von der Finanzaufsicht gebremst worden zu sein. Und schließlich steht von ihnen die Frage im Raum, warum die Isländer mit einer Kommission d´enquete arbeiten, aber in Luxemburg nichts geschieht. Und sie verweisen darauf, dass der Landsbanki von den Aufsichtsbehörden in den USA die Eröffnung einer Bank verweigert wurde.
„Ich verstehe nicht, warum in Luxemburg kein Vorstandsmitglied der Landsbanki je belangt worden ist“, sagt Maingain, der davor gewarnt worden sein soll, nach Luxemburg vor die Justiz zu gehen, weil er dort keinen Erfolg haben werde. Maingain aber meint, dass Strafrecht etwas anderes ist als Zivilrecht und will der Luxemburger Justiz nicht mit Misstrauen gegenüber treten. Maingain hat den Vorteil, über Mandanten in Frankreich zu verfügen. Die beiden Anwälte können daher die Erkenntnisse der Akteneinsicht dort jederzeit in Luxemburg einbringen. Beide Anwälte sind auch entschlossen, eine größtmögliche Transparenz herzustellen. Sos haben sie alle Mitglieder der Chambre von der Strafanzeigte informiert. Benjamin Bodig jedenfalls ist fest entschlossen, den Fall für die 180 Briten durchzuziehen. Landsbanki wird die Luxemburger Strafjustiz wohl für längere Zeit beschäftigen.
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