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Kubas «Karibik-Kapitalismus»

Kubas «Karibik-Kapitalismus»
(dpa/David Tesinsky)

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Die vorsichtige wirtschaftliche Liberalisierung auf der Karibikinsel hat Hoffnungen geweckt, die bisher oft enttäuscht wurden. Mit seinem neuen Kuba-Dekret legt US-Präsident Trump amerikanischen Unternehmen jetzt zusätzliche Steine in den Weg.

Das Goldene M leuchtet nur über einer einzigen McDonald’s-Filiale in Kuba – auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay. Nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den Vereinigten Staaten und der vorsichtigen wirtschaftlichen Öffnung befürchteten viele, die nordamerikanischen Kapitalisten würden sich die sozialistische Karibikinsel im Handumdrehen unter den Nagel reißen. Weit gefehlt. Und mit der Kalte-Krieg-Rhetorik von Präsident Donald Trump könnten gerade US-Firmen in die Röhre schauen.

«Die Öffnung geht nur sehr langsam voran», sagt der Wirtschaftswissenschaftler Ricardo Torres vom Forschungszentrum der kubanischen Wirtschaft an der Universität von Havanna. In der Sonderwirtschaftszone in Mariel nahe der Hauptstadt haben sich beispielsweise nach vier Jahren gerade einmal 24 Firmen angesiedelt, nur neun von ihnen produzieren schon. «Entweder die kubanische Regierung will die Macht nicht aus der Hand geben oder sie weiß nicht, wie man mit ausländischen Investoren umgeht», sagt Torres.

Dabei könnte das von Mangelwirtschaft geprägt Kuba Finanzspritzen aus dem Ausland gut gebrauchen: Während Kubas Wirtschaftsleistung von 2006 bis 2015 durchschnittlich um zwei Prozent wuchs, schrumpfte sie im vergangenen Jahr um 0,9 Prozent. Der wichtigste Handelspartner Venezuela steckt in einer schweren Krise und schickt immer weniger Rohöl nach Kuba, das in der Raffinerie Cienfuegos zu Treibstoff verarbeitet und auf dem Weltmarkt verkauft wird. Wegen der niedrigen Ölpreise bringt das Geschäft zudem immer weniger Devisen. Auch der Preis für das wichtige Exportgut Nickel ist im Keller.

Alternativen zu Venezuela

«Die venezolanische Wirtschaft ist praktisch kollabiert. Das hat starke Auswirkungen auf Kuba. Wir suchen jetzt nach Alternativen», sagt Jesús Pulido vom Nationalen Verband der Wirtschaftswissenschaftler. Eine weitere Stärkung des Tourismus, der erneuerbaren Energien, der Landwirtschaft und der IT-Technologie könnten seiner Einschätzung nach den Weg aus der Krise weisen. «Dafür brauchen wir aber ausländische Investitionen», sagt Pulido. «Unsere eigenen Mittel reichen für die notwendige Entwicklung nicht aus.»

Indes werden Investoren in Kuba hart an die Kandare genommen. Hotelketten wie Melía, Kempinski und Marriott dürfen zwar gemeinsam mit der kubanischen Militärholding GAESA Hotels auf der Insel betreiben, aber nicht selbst entscheiden, wen sie einstellen, was sie Angestellten zahlen oder von wem sie was importieren.

«Die internen Rahmenbedingungen sind nach wie vor sehr restriktiv und für ausländische Investoren unattraktiv», sagt Evita Schmieg von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik. «Kuba ist es trotz aller Absichtserklärungen kaum gelungen, nennenswerte Investitionen anzulocken.» Die neue Kuba-Politik von US-Präsident Donald Trump bringt zudem weiter Fallstricke. Da US-Firmen direkte Zahlungen an Kubas Militär künftig untersagt sind, könnten Geschäfte im Tourismussektor schwierig werden. Über die Holding GAESA kontrollieren die kubanischen Streitkräfte weite Teile der Branche.

Kleinunternehmer

Auch Kleinunternehmer könnten die Wirtschaft ankurbeln und Versorgungslücken schließen. Vom Erdnussverkäufer auf der Straße bis zum Restaurantbesitzer, vom Taxifahrer bis zum Klempner arbeiten 565.000 Menschen auf eigene Rechnung. Aber die «Cuentapropistas» haben mit vielen Problemen zu kämpfen. «Handwerkern fehlt es häufig an Material», räumt Idalmys Álvarez vom Arbeitsministerium ein.

Der Einkauf wird zentral gesteuert, Privatleute dürfen nicht im großen Stil importieren. «In einer Planwirtschaft gibt es immer Probleme mit der Versorgung», sagt Wirtschaftswissenschaftler Torres. «Die Regierung kann nicht schnell genug auf Veränderungen bei der Nachfrage reagieren. Was sie bei ihrer Planung nicht als essenziell ansieht, gibt es einfach nicht.» Zudem mangelt es an Devisen, um Güter auf dem Weltmarkt einzukaufen.

Andererseits machen einige Kleinunternehmer etwa in der Gastronomie durchaus gute Geschäfte. In Havanna kostet ein Abendessen in einigen «Paladares» nicht weniger als in guten Restaurants in Frankfurt oder München. Der Großteil der Kubaner hingegen verdient noch immer nicht mehr als 30 Dollar pro Monat. «Bislang haben nur wenige profitiert», sagt Torres. «Das könnte langfristig zu sozialen Spannungen führen.» Damit sich die Schere zwischen Menschen mit Zugang zu Devisen und Kubanern im Staatssold nicht zu weit öffnet, sind beispielsweise große Restaurantketten weiterhin untersagt.

Trotz der Hindernisse loten auch deutsche Unternehmen Chancen auf Kuba aus. Zuletzt war eine Wirtschaftsdelegation aus Niedersachsen und Bremen auf der Karibikinsel. «Die größten Chancen sehen wir im Agrarbereich und bei erneuerbaren Energien», sagt der Leiter der Abteilung Mittelstand im niedersächsischen Wirtschaftsministerium, Ralf Borchers. Es sei aber kaum möglich, schon im ersten Jahr auf Kuba einen Abschluss zu erreichen. «Es gibt viele bürokratische Hürden, die überwunden werden müssen. Wenn aber erstmal Vertrauen da ist, kann man gemeinsame Projekte erfolgreich realisieren.»