Warum hat der frühere technische Direktor der Luxair, Marc Gallowitch, die «Fokker50-Service-bulletins und letters» über die Schubhebelprobleme nicht erhalten? Seit zwei Tagen versucht das Gericht eine Antwort zu finden. Zu Beginn der Sitzung am Mittwoch wollte einer der Anwälte von Marc Gallowitch wissen, ob es eine Wichtigkeitseinstufung bei den «Service-Dokumenten» gab. Ab wann musste eine Kommunikation offiziell gemacht werden? Die Klassifizierung der Dokumente in die Kategorien «optional», «Warnung», «obligatorisch» werde vom Flugzeughersteller vorgenommen. Der Gesetzgeber kann allerdings einige der Dokumente als bindend erklären, sofern die Flugsicherheit gefährdet ist, erklärte der Angeklagte.
Der Anwalt legte damit nach, dass die «Service-Dokumente» keiner Regelung unterworfen waren. Seien wirklich alle eingegangenen Bulletins und Letters analysiert worden?, wollte er wissen. «Alle wurden geöffnet», antwortete der Ex-Direktor. Die «Service-bulletins» wurden in ein spezielles Computer-Programm eingetragen.
Keine Verbindung
Das ändere aber nichts daran, dass damals eine Verbindung zwischen der 1994 und 1998 erhaltenen Schriften nur sehr schwer herzustellen war. 1994 wurde auf ein Problem mit dem Schubhebel hingewiesen und 1998 wurde vor einer Fehlmanipulierung des Hebels gewarnt. Oft wurde im «Service-letter» in einem «Service-bulletin» (das detaillierter war) über das gleiche Thema geschieben, unterstreicht der ehemalige Direktor.
Seine Aufgabe im Bereich des Engeneering und der Wartung war es, vor allem die reibungslose Zusammenarbeit zwischen beiden Abteilungen zu garantieren, erklärte Gallowitch. Wurde in einem «Service-Bulletin» eine größere Investition erwähnt, wurde dies weiter an die Generaldirektion weitergeleitet.
Dokument verloren?
Anschließend wurde der Chef-Techniker der Wartung, Leon Moes, in den Zeugenstand gerufen. Eigentlich kümmert er sich um die «Service-Dokumente», als Chef des Engeneering. Er habe nie ein Bulletin des Zulieferers des Schubhebels erhalten, sagte Moes vor Gericht. Und spielte den Ball zu Gilbert Schummer, der verantwortliche Ingenieur für die Fokker 50. Es sei auch möglich, dass das Dokument verloren ging.
Staunen beim Richter Prosper Klein. Er hätte Probleme, die Theorie des verlorenen Bulletins zu glauben.
«Ich habe nur das Dokument von 1994 von Fokker gesehen, nicht das von 1992, betonte Moes. Wieder Staunen beim Richter, der daran erinnerte, dass in dem Dokument von 1994 auf das Bulletin von 1992 hingewiesen wurde. Moes erklärte anschließend, dass er keinen Grund sah, nach dem Bulletin von 1992 zu suchen, da das «Service-bulletin» von 1994 ihm «sehr komplett» erschien. «Wie konnten sie aufgrund des fehlenden Papiers eine fundierte Entscheidung treffen?», fragte Klein. «Die Dokumente von 1994 über die ‚Skit Control Unit‘ (SCU) waren nur optional», versuchte sich der Angeklagte, der sichtlich nervös war, zu rechtfertigen.
Nicht reagiert?
Warum hat er entschieden, dem Papier keine Beachtung zu schenken? Weil er glaubte, Fokker schicke ein weiteres «Service-Bulletin» mit mehr Details, entgegnete der Angeklagte. Ja, aber ein paar Monate nach dem Dokument von 1994 hatte doch Fokker eine «Service-letter» geschickt, in welcher der Hersteller erneut auf die Probleme mit dem Schubhebel hinwies, setzte der Richter nach. «Warum haben Sie spätestens dann nicht reagiert?» Fokker hätte Klartext reden müssen, verteidigte sich der Angeklagte. «Rethorische Bemerkung», sagte Richter Klein. Fokker stehe nämlich nicht vor Gericht.
Hätte man nicht vielmehr das Vorsorgeprinzip anwenden müssen und die Vorgesetzten über das Risiko und die Lösung informieren müssen? Der ehemalige Chef-Techniker hatte keine glaubhafte Erklärung für seine «Passivität» parat und spielte den Ball erneut zu seinen Kollegen. Sie hätten ebenfalls alle die Kommunikationen des Herstellers Fokker über den Schubhebel erhalten. Und alle anderen Fluggesellschaften hätten das zusätzliche Sicherheitssystem auch nicht in ihre Flugzeuge integriert, argumentierte Moes weiter.
Chronisch unterbesetzt
Leon Moes gab anschliessend zu, die Warnung von 1998, die sich an die Piloten richtete und vor einer Fehlmanipulierung des Schubhebels warnte, gesehen zu haben. Damit sei die Verbindung zwischen Mensch und Technik hergestellt worden, resümierte der Präsident der Strafkammer und fragte, warum er nicht seine Vorgesetzten über das Problem mit der SCU informiert habe. Wenn es um die Flugsicherheit ging, sei er keine Kompromisse eingegangen, betonte Moes. Er konnte aber keine plausible Erklärung für seine erneute Passivität liefern.
War diese «Passivität» des Chef-Technikers ein Einzelfall? Ein optionales «Service-Bulletin» über den Schutz vor elektromagnetischen Strahlen, von 1999 sei auch nicht umgesetzt worden, da dies den Einbau eines zuvor angeregten Sicherheitssystems vorausgesetzt hätte, gab ein Anwalt zu bedenken.
Ein anderer Anwalt prangerte die Informationspolitik bei der Luxair an und fragte, ob bei den verschiedenen Meetings mit den anderen Abteilungen und der Direktion nicht über solche Probleme gesprochen wurden. «Nein, dort wurde nie über die Bulletins und Letters geredet», unterstrich Moes. Seine Abteilung sei chronisch unterbesetzt gewesen, da konnte man keine Zeit mit langen Diskussionen verlieren.
Erinnerungslücken
Nach Leon Moes trat Guy Arend in den Zeugenstand. Er war ebenfalls Techniker bei der Luxair und unter anderem für die elektrischen Fragen verantwortlich. Arend ersetzte Leon Moes als Chef des Ingeneering, als dieser in Rente ging. Auch er erinnerte sich nicht mehr an die «Service-letter» (Sl). Arend sagte aber, jede Sl sei genau unter die Lupe genommen worden. Habe er etwas über das Schubhebel-Problem gewusst? «Nein», kam es von der Anklagebank. Es sei schon zu lange her. Richter Klein zeigte sich verwundert über die mangelnde Erinnerung des Angeklagten und hakte nach. Der Ex-Techniker der Luxair erzählte jedoch nur, wie er sich im Zusammenhang mit der Untersuchung des Crashs auf die Suche nach den Dokumenten gemacht habe.
Prosper Klein erklärte dem Angeklagten, er habe nachweislich 1994 die Dokumente von Fokker erhalten. «Warum haben Sie nicht reagiert?», so die Frage des Richters. «Ich sah nicht das Problem. Wir flogen schon seit Jahren ohne dieses System», war die Rechtfertigung des Angeklagten. Das erregte Klein, der Guy Arend daran erinnerte, dass bei Sicherheitsfragen die größtmögliche Sorgfalt herrschen müsste.
Der Angeklagte machte es seinem Vorgänger gleich, Leon Moes, indem er erklärte, er sei nie von Gilbert Schummer, dem Spezialisten für Fokker- Maschinen bei der Luxair, oder Gjert Angelsen, den Chefpiloten, auf das Schubhebelproblem aufmerksam gemacht worden. Die Antwort von Klein folgte auf dem Fu225: Er wusste von den Service-Bulletins und Service-Letters. Die Schuld bei anderen zu suchen ändere nichts an der Tatsache, dass er nichts unternommen haben, so ein genervter Richter. Fakt sei, dass die Sorgfaltspflicht verletzt wurde. Man könne sich nicht hinter dem Argument verstecken, Fokker habe lediglich ein harmloses «Upgrade» vorgeschlagen.
Am Donnerstag geht die Anhörung des Angeklagten Guy Arend weiter.
Zu Demaart





















































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