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Kein Kompromiss in Sicht

Kein Kompromiss in Sicht
(Reuters/Francois Lenoir)

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Normalerweise geht im Europaparlament die Wahl des Präsidenten glatt über die Bühne.

Es ist seit Jahrzehnten üblich, dass sich die großen Fraktionen vorab auf einen Kandidaten einigen, der dann auf Anhieb die notwendige Mehrheit erhält. Doch diesmal ist alles anders: Am Dienstag wird jede der beiden größten Gruppen einen eigenen Bewerber ins Rennen schicken.

Für die Fraktion der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) tritt der Italiener Antonio Tajani an, für die Sozialdemokraten sein Landsmann Gianni Pittella. Da keiner von ihnen mit der absoluten Mehrheit der Stimmen rechnen kann, könnte sich die Personalie erst am Abend bei einer Kampfabstimmung entscheiden – bei der möglicherweise europafeindliche Populisten den Ausschlag geben.

Unterstützer

Dabei schien ursprünglich alles geklärt: Nach der Europawahl Mitte 2014 hatten Christ- und Sozialdemokraten vereinbart, sich das Spitzenamt für jeweils die halbe Legislaturperiode zu teilen. Die EVP-Fraktion unterstützte damals die Wiederwahl von Martin Schulz. Die Sozialdemokraten versprachen, sie würden im Januar 2017 einen Bewerber der EVP unterstützen.

Dennoch kündigte Pittella im Dezember an, er werde selbst kandidieren. Mit Jean-Claude Juncker und Donald Tusk stünden bereits Konservative an den Spitzen von EU-Kommission und Ministerrat, begründete er seine Entscheidung. EVP-Fraktionschef Manfred Weber lässt dieses Argument nicht gelten. Das Parlament sei eigenständig, nicht «Teil eines Pakets». Der konservative Politiker pocht daher auf die Einhaltung der Vereinbarung. Deren Ziel sei vor allem gewesen, eine Partnerschaft der Proeuropäer gegen Extremisten im Parlament zu schmieden.

Mehrheiten

Wer nun sein Wort breche, sorge dafür, dass der Einfluss von europafeindlichen Abgeordneten steige. In der Tat konnten seit dem Einzug von mehr als 100 europaskeptischen oder gar europafeindlichen Abgeordneten nach der letzten Wahl viele Gesetze nur verabschiedet werden, weil Christ- und Sozialdemokraten an einem Strang zogen.

Mit dieser informellen «Großen Koalition» will Pittella nun Schluss machen. Der 58-Jährige will stattdessen neue Mehrheiten suchen – er zählt dabei vor allem auf die Grünen, die Linksfraktion und einen Teil der Liberalen. Ob diese Rechnung aufgeht, ist allerdings fraglich. Denn Christdemokraten, Konservative sowie Abgeordnete aus dem euroskeptischen und rechtsextremen Lager stellen zusammen 391 der 751 Europaabgeordneten.

Zwist

Dennoch macht sich Pittella Hoffnung – nicht zuletzt, weil sein Konkurrent Tajani im Parlament alles andere als unumstritten ist. Der 63-Jährige ist ein Weggefährte des italienischen Ex-Regierungschefs Silvio Berlusconi, dessen Sprecher er eine zeitlang war. Schon deshalb ist er für die meisten Abgeordneten links von der Mitte nicht wählbar.

Außerdem wird ihm vorgeworfen, als ehemaliger EU-Industriekommissar die Augen vor den Manipulationen bei den Tests mit Dieselmotoren verschlossen zu haben. Von dem Zwist zwischen Christ- und Sozialdemokraten möchte der Liberale Verhofstadt profitieren, der ebenfalls kandidiert. Der ehemalige belgische Regierungschef kennt das Räderwerk der EU, ist ein brillanter Redner und genoss bisher fraktionsübergreifend Respekt.

Protestbewegung

Doch bei der Suche nach Unterstützung liebäugelte er damit, ausgerechnet die 17 Abgeordneten der anti-europäischen italienischen Protestbewegung Fünf Sterne (M5S) in die liberale Fraktion aufzunehmen. Die Liberalen lehnten dies mehrheitlich ab, auch von anderen kam harsche Kritik. Mit dieser Blamage dürften Verhofstadts Chancen deutlich gesunken sein. Keinerlei Aussicht auf Erfolg dürften vier Kandidaten haben, die für die Grünen, die Linksfraktion, die rechtsgerichtete Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) sowie für die Rechtsextremen antreten.

Angesichts der vertrackten Lage könnte sich die Wahl bis zum Abend hinziehen. Laut Geschäftsordnung ist in drei ersten Durchgängen die absolute Mehrheit der Stimmen nötig. Zwischen den einzelnen Wahlgängen sind jeweils Pausen von einigen Stunden geplant. Theoretisch könnten die maßgeblichen Fraktionen diese Zeit nutzen, um doch noch einen Kompromiss zu finden. Die Chancen dafür gelten aber als gering. Somit zeichnet sich eine Stichwahl unter den beiden Bestplatzierten ab. Prognosen wollte am Montag niemand wagen.