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Japan gibt Gebiet um Katastrophenreaktor auf

Japan gibt Gebiet um Katastrophenreaktor auf

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Drei Wochen nach Beginn des Atomdesasters in Japan wächst im Unglücksgebiet die Angst vor einer langanhaltenden Strahlenkatastrophe.

Die Anwohner des havarierten Atomkraftwerks Fukushima werden möglicherweise nie wieder in ihre Häuser zurückkehren können. Die Evakuierung des Katastrophengebiets sei langfristig angelegt, sagte Regierungssprecher Yukio Edano am Freitag. Der AKW-Betreiber Tepco werde für die Schäden zahlen müssen, betonte Ministerpräsident Naoto Kan. Eine Verstaatlichung des Konzerns strebe die Regierung zwar nicht an. Angesichts erwarteter Entschädigungsforderungen in Milliardenhöhe werde der Staat allerdings nicht um Finanzhilfen an das Unternehmen herumkommen.

«Wir können mit Sicherheit sagen, dass Tepco am Ende zur Zahlung von Entschädigungen verpflichtet sein wird», sagte Kan auf einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. «Wir werden sie unterstützen müssen. Aber grundsätzlich würde ich gerne sehen, dass Tepco als privates Unternehmen hart weiterarbeitet.» In japanischen Medien war spekuliert worden, dass die Regierung die Kontrolle über den Betreiber übernehmen könnte. Der Konzern ist seit dem Unglück wegen Führungsschwäche und diverser Fehler heftig unter Beschuss geraten. Der Börsenwert des Versorgers ist seit dem Unglück um rund 80 Prozent gefallen. Analysten von Bank of America/Merril Lynch schätzen die Höhe der Entschädigungsforderungen auf mehr als 130 Milliarden Dollar.

Radioaktivität in großen Mengen

Auch Kan warnte die Bevölkerung, dass ein schnelles Ende der Atomkatastrophe nicht in Sicht sei: «Ich bin darauf vorbereitet, einen langanhaltenden Kampf am Atomkraftwerk Fukushima zu führen und diese Schlacht zu gewinnen.» Die Lage an den Reaktor-Ruinen habe sich nicht ausreichend stabilisiert. «Aber wir wappnen uns für alle nur denkbaren Szenarien und ich bin überzeugt, dass das Kraftwerk stabilisiert werden kann.» Experten befürchten seit längerem, dass in den Reaktoren eine Kernschmelze im Gang ist.

Aus den Reaktor-Ruinen tritt mittlerweile in großen Mengen Radioaktivität aus. Meer- und Grundwasser sind stark verstrahlt, weshalb Russland ein teilweises Einfuhrverbot für Fisch und Meerestiere aus Japan erwägt. Um das AKW gilt bislang eine Sperrzone von 20 Kilometern, wovon mehr als 70.000 Menschen betroffen sind. In einem Umkreis von weiteren zehn Kilometern wird den Einwohnern lediglich empfohlen, das Gebiet freiwillig zu verlassen oder sich zumindest nicht im Freien aufzuhalten. Nach UN-Angaben wurden aber auch in einem Dorf 40 Kilometer von Fukushima entfernt hohe Strahlungswerte gemessen. Nach Einschätzung von Experten könnte der Boden im Unglücksgebiet über Jahrzehnte verseucht sein.

Evakuierungszone wird logistische Herausforderung

Auch deshalb haben die UN-Atomenergiebehörde (IAEA) und die die japanische Nuklearaufsicht der Regierung zu einer Ausweitung der Evakuierungszone geraten. Würde die Sperrzone um nur zehn Kilometer erweitert, müssten 136.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden. Dies dürfte die Behörden allerdings vor eine logistische Herausforderung stellen. Auch deshalb warnt die Regierung vor Überreaktionen. Wegen der als zu zögerlich empfundenen Krisenpolitik wächst die Kritik an Kan aber stetig.