Carlos Pereira wird am 28. Juli 1966 in Porto geboren. Er ist drei, als er 1969 mit seiner Mutter über die grüne Grenze im Norden Portugals nach Spanien flüchtet. Über Frankreich gelangen sie nach Luxemburg, wo der Vater auf sie wartet.
Die Geschichte über die Flucht aus der Diktatur hat Carlos Pereira schon öfters erzählen müssen: „Oh ja, ich weiß gar nicht mehr wie oft!“ Eigene Erinnerungen habe er keine mehr. „Das, woran ich mich erinnere, ist das, was der Schleuser Basilio, mein Vater und meine Mutter mir erzählt haben.“ Das Ganze sei eine Nacht-und-Nebel-Aktion gewesen. „Ich war unter dem Rücksitz des Fluchtautos versteckt“, schildert Pereira.
Basilio aus Esch, ein junger Mann portugiesischer Abstammung, hatte mit einem umgebauten Peugeot 504 bereits zuvor mehrfach Menschen aus Portugal nach Luxemburg geschleust. „Meiner Mutter wurde irgendwann gesagt, sie solle mit mir und mit leichtem Reisegepäck an einem verlassenen Ort auf den Wagen warten“, erzählt Carlos Pereira. Am vereinbarten Treffpunkt seien sie von Basilio abgeholt worden. „Uns ist damals geraten worden, einfach ins Auto zu steigen, keine Fragen zu stellen und nicht zu plaudern.“ Auch sei die „Pide“, die geheime portugiesische Staatspolizei, ihnen auf den Fersen gewesen: „Angeblich sind wir nur mit knapper Not entkommen.“
„Luxemburg ist Zufall“
Materielles lassen Carlos und seine Mutter nicht zurück. In Porto hätten sie in einem Armenviertel gelebt. Zwei Jahre ohne den Vater und Ehemann. Der, so erzählt Carlos Pereira, sei Landarbeiter gewesen und habe Portugal bereits 1967 wegen Armut und Diktatur hinter sich gelassen und sich auf die Suche nach einer besseren Zukunft für die Familie begeben. Er landet in Luxemburg. Zwei Jahre später lässt er Frau und Sohn nachkommen.
Der Güterzug, in den sich mein Vater und ein Freund in Marseille eingeschlichen haben, ist halt in Luxemburg angekommen. Es hätte durchaus irgendwo anders sein können, dann wäre ich dort aufgewachsen.
Seine Mutter habe nie gerne über die Flucht geredet, sagt Carlos Pereira: „Vielleicht, weil zu viele Angstgefühle mitgespielt haben und weil sie nicht mehr in der Nähe ihrer Familie und ihrer Freundinnen war.“ Luxemburg sei eigentlich ein Zufall gewesen: „Der Güterzug, in den sich mein Vater und ein Freund in Marseille eingeschlichen haben, ist halt in Luxemburg angekommen. Es hätte durchaus irgendwo anders sein können, dann wäre ich dort aufgewachsen.“
Carlos’ Vater trifft in Luxemburg auf verständnisvolle Zollbeamten. Die hätten ihn ins Café Bruna gebracht. Dort habe er sich waschen können und etwas zu essen bekommen. Die Nächte verbringt der Neuankömmling in den Bussen, die damals unter dem Escher Viadukt abgestellt waren. Dank des Einsatzes von zwei italienischstämmigen Wirtsfrauen bekommt er einen Aushilfsjob am Bau und eine Unterkunft. „Das war ein Haus, in dem Schichtarbeiter übernachteten und sich die Betten teilten“, erzählt Pereira.
„Als wir nach Luxemburg kamen, hatte mein Vater schon eine Wohnung angemietet. Ein Zimmer und eine Küche und eine Toilette draußen im Hof.“ Die für den Aufenthalt nötigen Papiere zu bekommen, sei relativ unkompliziert gewesen: „Luxemburg brauchte dringend Arbeitskräfte, da kamen die Portugiesen genau richtig. Und die konnten vor allem auf die Unterstützung jener Migranten zählen, die bereits vor ihnen ins Land gekommen waren.“
Die Migranten aus Portugal hätten damals eigentlich alle nur Portugiesisch gesprochen. „Ich habe Luxemburgisch auf der Straße gelernt.“ Im Berg- und Stahlarbeiterviertel „Hiehl“ sei er das einzige portugiesische Kind gewesen. Bei den Nonnen der italienischen katholischen Mission habe er zudem Italienisch gelernt. Die portugiesische Gemeinschaft sei bei seiner Ankunft in Luxemburg noch relativ klein gewesen, erzählt Pereira: „Die meisten kamen nach der Revolution von 1974. Damals hatte sogar das Luxemburger Arbeitsamt ein Büro in Lissabon, um Arbeiter zu rekrutieren.“
„Dunkles Esch“
Die Revolution vom 25. April 1974, als die Armee die Diktatur binnen weniger Stunden wegfegte, bekommt Familie Pereira nur zum Teil mit: „Wir waren weit weg, wir hatten keinen Fernseher, Internet gab es nicht, Telefonieren war schwierig. Wir haben, soweit ich mich erinnere, vor allem mitbekommen, dass es keine blutige Revolution war und dass sie von allen begrüßt wurde.“ Wieder nach Portugal zurückzukehren, ist zu diesem Zeitpunkt allerdings keine Option: „Alles war noch recht unsicher, zudem besaßen wir in Portugal nichts mehr. Ich glaube, meine Eltern wollten damals erst mal abwarten.“
Somit beschließt die Familie, in Esch zu bleiben. Dunkel sei ihnen die Stadt vorgekommen: „Wegen der Stahlindustrie waren die Häuserfassaden alle schmutzig. Für jemanden, der aus dem Süden kommt, mangelte es an Sonne und Licht. Und die Winter in Esch waren damals richtig kalt.“ Erst 1980 kehrt der junge Pereira nach Portugal zurück, als Tourist: „Da habe ich zum ersten Mal meinen Patenonkel und meine Tanten kennengelernt.“ Mit 18 wird er schließlich Luxemburger. „Ich musste dafür meine portugiesische Nationalität abgeben, eine doppelte Staatsbürgerschaft war damals noch nicht möglich. Ich habe die portugiesische nie zurückgefragt, obwohl das heute ja geht. Wegen der fehlenden Bindungen zu meinem Geburtsland habe ich den Sinn darin nie gesehen. In Portugal habe ich heute vielleicht noch einige wenige Kusinen.“
Karriere beim OGBL
Seine berufliche Karriere startet Pereira nach einer Lehre als Elektromechaniker bei der Arbed. „An der Knachemillen“, wie er es heute beschreibt. Am 15. Februar 1988, an das Datum erinnert er sich ganz genau, beginnt er beim OGBL: „Gewerkschaftspräsident John Castegnaro hat mich überzeugt und mit ins Boot geholt.“ Zunächst wird Carlos Pereira zuständig für die Escher Sektion, dann für den ganzen Süden. Heute sitzt er im geschäftsführenden Vorstand der Gewerkschaft und ist zuständig für Soziales im weitesten Sinne. Zudem ist er Mitglied in vielen Verwaltungsräten, unter anderem bei der Gesundheitskasse (CNS).
Die Nelkenrevolution im April 1974 in Portugal spiele heute für ihn eine wichtige Rolle. Am 3. Mai werde der OGBL eine diesbezügliche Feier zum 50. Jubiläum organisieren, sagt er. „Die Revolution ist ein Akt der Befreiung für das portugiesische Volk gewesen. Es war eine friedliche Revolution hin zur Demokratie. Mir bedeutet das wirklich viel“, so Carlos Pereira.
„Wenn man heute die Lieder hört, die während der Revolution gesungen wurden, dann ist darin der Wunsch nach Demokratie, nach Freiheit und Frieden sehr stark präsent. Es ist deshalb wichtig, daran zu erinnern. Man darf das nicht vergessen, auch, um jüngeren Generationen zu zeigen, dass Freiheit, Frieden und Demokratie nicht selbstverständlich sind.“
A história de uma integração bem sucedida no Luxemburgo
Carlos Pereira tinha três anos quando fugiu de Portugal com a mãe para o Luxemburgo „a salto“, em 1969, devido à pobreza e à ditadura de Salazar e para se juntar ao pai que já tinha vindo em 1967.
A família Pereira viveu apenas parcialmente a revolução de 25 de abril de 1974, quando o exército varreu a ditadura numa questão de horas: „Estávamos longe, não tínhamos televisão, não havia Internet e era difícil fazer telefonemas. Tanto quanto me lembro, a principal coisa que percebemos foi que não foi uma revolução sangrenta e que foi bem recebida por toda a gente.“ No entanto, regressar a Portugal não era uma opção na altura. O jovem só voltou a ver o seu país natal em 1980. Aos 22 anos, começou a trabalhar para a OGBL. Atualmente, o jovem de 57 anos é membro do conselho de administração do sindicato. A sua história é sobre uma integração bem sucedida no Luxemburgo.
(Sandra Martins Pereira)
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