Nun ist Vizepräsidentin Harris sicherlich nicht an Kuss-Schlagzeilen interessiert. Aber die ranghöchste Politikerin der USA, die ihr Land diese Woche bei der Münchner Sicherheitskonferenz vertritt, kämpft jetzt schon seit zwei Jahren um mehr politische Sichtbarkeit. Und zu einem Zeitpunkt, zu dem Biden eine erneute Präsidentschaftskandidatur 2024 erwägt, häufen sich die Fragen zur politischen Zukunft der 58-Jährigen.
Harris war im Januar 2021 mit großen Erwartungen Vizepräsidentin geworden: Als erste Frau und erste Schwarze in dem Amt schrieb sie Geschichte, der Posten galt als Sprungbrett für eine spätere eigene Präsidentschaftskandidatur.
Doch die einstige Senatorin der Demokratischen Partei kann als Vizepräsidentin kaum punkten. Sie scheint noch immer nach ihrer Rolle zu suchen, in Umfragen kommt sie auf Zustimmungswerte von knapp unter 40 Prozent. Mehrere US-Medien berichteten zuletzt, bei vielen Demokraten würden die Zweifel an Harris wachsen, insbesondere mit Blick auf die Frage, ob sie für die Partei künftig Wahlen gewinnen könne.
Die Probleme liegen teilweise an dem Amt selbst: Vizepräsidenten hatten es in den USA fast immer schwer, aus dem übermächtigen Schatten des Präsidenten hervorzutreten. Biden übergab seiner Stellvertreterin zudem recht undankbare Aufgaben, insbesondere den Umgang mit der Migrationskrise an der Grenze zu Mexiko – ein politisch extrem aufgeladenes Thema, bei dem es insbesondere für die Demokraten wenig zu gewinnen gibt.
Die Tochter von Einwanderern aus Jamaika und Indien stand sich aber auch immer wieder selbst im Weg. Bei Interviews und öffentlichen Auftritten leistete sie sich mehrere Patzer, nicht immer wirkt sie souverän.
Es hängt von Biden ab
Harris war zudem in den ersten zwei Jahren ihrer Amtszeit stark an Washington gebunden. Weil ihre Demokratische Partei und die oppositionellen Republikaner im Senat jeweils 50 Senatoren stellten, musste Harris vor wichtigen Abstimmungen in der Hauptstadt bleiben, um bei einem Patt in ihrem Amt als Senatspräsidentin den Ausschlag zu geben. Dass die Demokraten bei den Kongress-Zwischenwahlen im November einen Senatssitz hinzugewinnen konnten, gibt auch Harris mehr Freiheit, die sie unter anderem mit Reisen zu den Wählern im Land ausfüllen will.
Die Vizepräsidentin hat sich seit der Abschaffung des landesweiten Grundrechts auf Abtreibungen durch den Supreme Court im vergangenen Juni auch verstärkt mit dem Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen befasst. Für die Demokraten ist das nicht nur eine Herzensangelegenheit, sondern auch ein wichtiges Wahlkampfthema. Einen größeren Auftritt hatte Harris zudem Anfang Februar bei der Trauerfeier für den von Polizisten in Memphis zu Tode geprügelten Afroamerikaner Tyre Nichols.
Die nächsten großen Etappen ihrer politischen Karriere hängen jetzt von Biden ab. Sollte der 80-Jährige trotz seines hohen Alters wie erwartet eine zweite Amtszeit anstreben, dürfte Harris wieder als seine Vizekandidatin ins Rennen gehen. Sollte Biden wider Erwarten nach einer Amtszeit abtreten, müsste Harris über eine eigene Präsidentschaftskandidatur entscheiden – und Zweifler in den eigenen Reihen von sich überzeugen.
Bei der Münchner Sicherheitskonferenz wird sie voraussichtlich andere Überzeugungsarbeit leisten. Sie dürfte versuchen, die westlichen Verbündeten auf weitere Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland einzuschwören. (AFP)
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