Spanien erwartet bei der Europawahl eine außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung. Hintergrund ist, dass zusammen mit dem europäischen Urnengang am Sonntag in Spanien auch Kommunal- und Regionalwahlen stattfinden. Deswegen wurde der kommende Wahltag von den spanischen Medien auch zum „Supersonntag“ ernannt.
Normalerweise ist in Spanien, wie in den meisten Nachbarländern, die Beteiligung bei Europawahlen niedrig. So machten in 2014 nur 43,8 Prozent der in Spanien Berechtigen mit – das lag nur wenig über dem EU-Durchschnitt von 42,6 Prozent. Doch die Gemeinde- und Regionalwahlen mobilisieren in dem südeuropäischen Land erfahrungsgemäß mehr Menschen – in der letzten Abstimmungsrunde vor vier Jahren gaben rund 65 Prozent der Berechtigten ihre Stimme ab. Von dieser Mobilisierung dürften in Spanien nun auch die Europawahlen profitieren.
Schon bei Spaniens nationaler Parlamentswahl Ende April war eine hohe Wahlquote von 76 Prozent registriert worden. Was auch daran lag, dass das politische Klima im Land wegen des brodelnden Unabhängigkeitskonflikts in Katalonien und des damit zusammenhängenden Erstarkens nationalpatriotischer Strömungen angespannt ist. Übrigens kandidieren auch die beiden katalanischen Separatistenführer Carles Puigdemont und Oriol Junqueras fürs EU-Parlament. Der 2017 vor der Justiz nach Belgien geflüchtete Puigdemont ist die Nummer eins der Partei Junts per Catalunya (Zusammen für Katalonien).
Junqueras, der in Madrid wegen des illegalen Unabhängigkeitsreferendums 2017 vor Gericht steht, ist Spitzenmann seiner Liste Esquerra Republicana (Republikanische Linke). Ob die beiden angesichts ihrer Justizprobleme ihre Mandate antreten können, scheint derzeit aber eher fraglich.
Im Wesentlichen dürfte das Europawahlergebnis in Spanien ähnlich wie beim jüngsten nationalen Urnengang aussehen: Die europafreundlichen Sozialisten (PSOE) von Regierungschef Pedro Sánchez liegen laut Umfragen unangefochten vorne, der oppositionellen und ebenfalls proeuropäischen konservativen Volkspartei (PP) werden Verluste vorausgesagt. Die europaskeptische und rechtspopulistische Partei Vox könnte erstmals mit 8-10 Prozent ins EU-Parlament einziehen.
Von unserem Korrespondenten Ralph Schulze, Madrid
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