Es ist ein Polit-Poker der Extraklasse, der sich gegenwärtig in Washington abspielt. Ein Tanz auf dem Vulkan. Noch lassen sich die Republikaner beim Streit um die Erhöhung des Schuldenlimits zu taktischen Mätzchen hinreißen, zu Muskelspielen und Abstimmungen, die bloße Demonstrationen sind. Dabei steht der Tag, an dem alle Spielchen ein Ende haben und es bitter ernst werden könnte, längst fest: Am 2. August, sagt Finanzminister Timothy Geithner, geht der größten Volkswirtschaft der Welt finanziell die Luft aus – falls bis dahin nicht eine Lösung gefunden und die Schuldenobergrenze heraufgesetzt wird.
Präsident Barack Obama steht vor der womöglich größten Herausforderung seiner Amtszeit. Unter Kennern herrscht Einigkeit: Sollte es keine Lösung geben, wäre dies finanzpolitisch der Super-Gau. Die Weltmacht Nummer eins ohne Bargeld – undenkbar. Die Finanzmärkte würden verrückt spielen, die Folgen wären unabsehbar.
«Katastrophale Konsequenzen»
Selbst Geithner, ansonsten eher ein chronischer Optimist, malt ein Bild, das düsterer nicht sein könnte. «Katastrophale wirtschaftliche Konsequenzen» fürchtete er unlängst. Fast flehentlich war sein Ton: «Ich rufe den Kongress erneut dringend auf, die gesetzliche Schuldenobergrenze anzuheben.» Das war schon vor Wochen – doch viel bewegt hat sich seitdem nicht.
Statt auf echte Lösungssuche konzentrieren sich die Republikaner auf Machtdemonstrationen im Parlament. So brachten sie einen Antrag ins Repräsentantenhaus ein, nur um ihn mit den eigenen Stimmen scheitern zu lassen. Es ging um eine Erhöhung des Limits von derzeit 14,3 Billionen Dollar (9,94 Billionen Euro) ohne gleichzeitige Einsparvorschläge – obwohl auch Obama und die Demokraten längst ihre Bereitschaft zu Einschnitten signalisiert haben, obwohl hinter den Kulissen längst Verhandlungen zwischen Republikanern und Demokraten laufen.
Drakonische Einsparungen
«Diese Abstimmung ist ein politischer Trick», ärgert sich ein Demokrat. Doch die Taktik der Republikaner ist simpel: Alles unternehmen, was den Druck auf Obama erhöht. Zugleich drängen die Republikaner mit aller Macht auf Schuldenabbau, drakonische Einsparungen – nicht zuletzt bei den Sozialsystemen.
Kein Zweifel: Die USA haben seit Jahrzehnten über ihre Verhältnisse gelebt. Teure Kriege haben zusätzliche Finanzlöcher gerissen. Wie ernst die Lage ist, machte unlängst der Chef der Nordamerika-Abteilung beim IWF, Charles Kramer, deutlich: Die Bruttoverschuldung werde dieses Jahr 99 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) betragen. Bis 2015 steigt sie auf 110 Prozent. «Das ist die höchste Verschuldungsquote zum BIP für ein entwickeltes Land nach Japan, Italien und Griechenland», meinte er in einem dpa-Interview.
Riesiges Etatloch
Besorgniserregend auch das klaffende Etatloch. Im laufenden Haushaltsjahr könnte es sich auf die Rekordsumme von 1,65 Billionen Dollar ausdehnen – knapp elf Prozent der US-Wirtschaftsleistung. Im Vergleich: Laut Maastricht-Regeln sind in der EU höchstens drei Prozent erlaubt.
Obama hat zwar schon erste Vorschläge vorgelegt. «Jeder muss Opfer bringen», überschrieb er seine große Rede zur Finanzkonsolidierung im April. Auf vier Billionen Dollar (2,77 Billionen Euro) innerhalb der nächsten zwölf Jahre beläuft sich sein ehrgeiziges Sparziel. Selbst das Gesundheitssystem und das Pentagon bleiben nicht unangetastet. Er will allerdings auch eines: höhere Steuern für die Reichen.
Unter Druck
Da wiederum machen die Republikaner nicht mit. Zumindest bisher lehnen sie höhere Belastungen für Besserverdienende kategorisch ab. Die Krux: Die Führung der Republikaner steht unter enormem Druck der «Finanz-Fundamentalisten» der populistischen Tea-Party-Bewegung. Mehr noch: Das Thema Schulden und Steuern droht zum Wahlkampfthema zu werden – was vernünftige Lösungen langfristig nochmals erschweren dürfte.
Und die «New York Times» berichtet von weiteren Gefahren: Viele der im November neu gewählten und politisch unerfahrenen radikalen Republikaner seien sogar bereit, die Erhöhung des Schuldenlimits platzen zu lassen – weil sie einfach nicht glauben, dass die Weltmacht Nummer eins zahlungsunfähig werden könnte.
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