Für den Wahlabend hatten sich die Fernsehmacher von Antenne 2 etwas ganz Besonderes ausgedacht. Anstatt langweilige Prozentzahlen einzublenden, pixelte der staatliche Sender das Porträt des Wahlsiegers, Zeile für Zeile von oben, um die Spannung zu erhöhen. Am Sonntag, dem 10. Mai 1981, um 19.59 Uhr und 55
Sekunden begannen sie. Beide Kandidaten hatten jedoch eine Glatze, sodass sekundenlang nicht klar war, wer denn nun gewonnen hatte. Um 20.00 Uhr und 1 Sekunde wurde das Bild erkennbar: Der Sozialist François Mitterrand war der neue Präsident Frankreichs, er hatte den Amtsinhaber Valéry Giscard d’Estaing geschlagen.
Im Fernsehen:
9. Mai 20.15 bzw. 20.40 Uhr auf Arte: „Letzte Tage im Elysée“ (Le promeneur du Champs de Mars) – Der schwer kranke Staatspräsident Frankreichs, der kurz vor dem Ende seiner Amtszeit steht, erlaubt einem jungen Journalisten, seine Memoiren zu schreiben.10. Mai ab 20.35 Uhr auf France 2: Themenabend mit mehreren Dokumentarfilmen über François Mitterrand.
Vor genau 30 Jahren entlud sich die Spannung spontan auf den Straßen: 500.000 Menschen kamen auf der Place de la Bastille in Paris in strömenden Regen zusammen und skandierten «Mitterrand, président!» Auch in Marseille, Lyon, Lille und anderen Städten feierten sie. Nach 23 Jahren war aus der Opposition die Regierung geworden.
Drei Versuche
Wenige Jahre vor Mitterrands Wahlsieg hatte der Soziologe Michel Crozier Frankreich in einem Buch als «Die blockierte Gesellschaft» bezeichnet. 1958 war der General Charles de Gaulle in der Krise um den Kolonialkrieg in Algerien an die Macht gekommen. Er löste die Nationalversammlung am 30. Mai 1968 auf und gewann haushoch am 30. Juni. Fini Generalstreik, fini revolutionärer Karneval.
Mitterrand, einst Justiz- und Innenminister in den 50er Jahren, hatte drei Versuche gebraucht: 1965 wurde er von De Gaulle geschlagen, 1974 von Giscard. 1978 hatte die Linke die Parlamentswahlen nur knapp verloren, obwohl die Umfragen sie vorne
sahen.
«110 Vorschläge»
Als Mitterrand im dritten Anlauf Präsident wurde, setzte er sofort seine «110 Vorschläge» aus dem Wahlkampf um: Er erhöhte den Mindestlohn um 10 Prozent, die Mindestrente um 20 Prozent. Er ließ Privatradios zu, die damals Freie Radios hießen. Und sein Justizminister Robert Badinter schaffte die Todesstrafe ab. Mitterrand holte sogar kommunistische Minister in seine Regierung. Frankreich wurde umfassend reformiert. Bei den Parlamentswahlen im Juni 1981 gewann die Linke haushoch.
Doch der Schwung vom Anfang hielt nur zwei Jahre. Der Staatshaushalt ging in die Knie, die Währungsmärkte spekulierten gegen den Franc. 1983, nach verlorenen Kommunalwahlen, musste Premier Pierre Mauroy eine Sparpolitik verkünden. Prompt ging 1986 die Parlamentswahl verloren, der konservative Jacques Chirac wurde Premierminister. Doch das ermöglichte es Mitterrand, 1988 wiedergewählt zu werden.
Linke hofft
Gleichwohl hielt Mitterrand bis 1995 durch und wurde so mit 14 Jahren Amtszeit der am längsten amtierende Präsident Frankreichs im 20. Jahrhundert. Im kommenden Jahr aber wartet die französische Linke dann auch schon wieder 17 Jahre auf den Wechsel im Präsidentenamt. Derzeit liegt der Sozialist Dominique Strauss-Kahn, Chef des Internationalen Währungsfonds in Washington, haushoch vorn in den Umfragen, in einer Umfrage sogar mit 69 Prozent zu 31 Prozent vor Amtsinhaber Nicolas Sarkozy.
Doch die Sache ist noch nicht entschieden. Ségolène Royal, sozialistische Kandidatin 2007, feierte bereits am Sonntag Mitterrands Wahlsieg mit einer Großveranstaltung – um sich für 2012 in Stellung zu bringen. Niemand weiß derzeit, wer 2012 für die Sozialisten kandidiert, denn Strauss-Kahn hat sich noch nicht erklärt, auch nicht Parteichef Martine Aubry, auch nicht der ehemalige Premier Laurent Fabius.
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