Für eine Botschaft der Einigkeit und der Stärke ist er gekommen. Am 40. Tag seiner Präsidentschaft tritt Donald Trump vor den Kongress, die Versammlung von Senatoren und Abgeordneten. Eine Erneuerung des amerikanischen Geistes erlebe man. Kräftig sei Amerika, stolz und frei. Früh lässt der Präsident den uramerikanischen Geist aus Pathos, Härte, Zuversicht und Anpacken in den Saal. Das ist sein Abend. Heute kein Keifen.
Auch wenn Trump all seine Ziele wiederholt, die Linien aus dem Wahlkampf einmal mehr ins Amt verlängert, ist seine Rede bei weitem nicht so tiefschwarz und aggressiv wie bei seinem Antritt. Manchmal überkommt es ihn, dann klatscht er ein bisschen für sich selber. Bemerkenswerterweise ist das Sakko geschlossen. Der Kragen ist größer und höher.
Offensichtlich will Trump staatsmännischer sein. Echter, einigender Präsident für alle. Er reklamiert Optimismus, Patriotismus, Hoffnung, und er spricht dabei alle an: Alle hätten das selbe Blut, grüßten die selbe Flagge, seien ein Volk mit einem Schicksal. Das gehe nur zusammen.
Trump: We will keep our promises to the American people https://t.co/nIl8iuy7rE pic.twitter.com/5R7AOBU5mk
— BBC News (World) (@BBCWorld) 1. März 2017
Auch wenn Trump dabei die Wärme fehlt und alles Charismatische, diese Botschaft hat er noch nicht allzu oft verbreitet. Er wirkt in dieser Nacht zum Mittwoch, als habe er etwas verstanden. Der Saal quittiert es mit einer Standing Ovation nach der anderen. Die Demokraten bleiben ein ums andere Mal sitzen. Zerknirschte Gesichter, um Würde bemüht. Stilles Kopfschütteln, seltenes Klatschen.
Die Mittelklasse, der amerikanische Arbeiter, Jobs, die Interessen Amerikas, – das ist Trumps Achse, darum dreht sich alles. Zu lange hätten die USA ein globales Projekt nach dem anderen finanziert, während die Innenstädte vor die Hunde gegangen seien. Für Trump ist das blinder Globalismus, und der sei nun zu Ende. Amerika zuerst.
Während hinter ihm Vize Mike Pence und Speaker of the House Paul Ryan entrückt lächeln, fährt Trump in exakt einer Stunde einmal durch das gesamte Themenregal. Darin unter anderem: der Islamische Staat, der Handel, Infrastruktur, Kriminalität, Terrorismus, Steuern, das Militär, Respekt für die Gesetzeshüter, der Oberste Gerichtshof, der Bau von Pipelines. Das kannte man, auch wenn Trump es in den hellen Rahmen einer geschlossenen, disziplinierten, im Vergleich gut gearbeiteten Rede hängt. Als er den Kampf gegen Obamacare erwähnt, brüllt der Saal vor Jubel. Von den Millionen, die sich im Land vom Verlust ihrer Versicherung bedroht sehen, ist keiner im Saal.
Viele Pläne nichts Konkretes
Insgesamt bietet Trump nicht viel Substanz. Er bleibt oft ungefähr und allgemein, deutet an, streift. Nichts Konkretes, viele Pläne.
Im eher schmalen außenpolitischen Teil ist Trump vergleichsweise zahm. Die Botschaften sind unverändert, aber sie klingen verhaltener, höflicher, weniger ungehobelt. Gleichwohl: Internationaler wird die Zukunft des Landes in den nächsten Jahren wohl kaum werden. Bündnisse wie die Nato sind Ok, solange alle ordentlich zahlen.
Eine kleine Bombe zündet Trump fast versteckt, sie war den Tag über sozusagen vorgeglüht worden. Er sei bereit für eine echte Einwanderungsreform, wolle das ganze System verändern. Das ist für die USA ein riesiges Thema, Generationen haben sich die Zähne daran ausgebissen. Gerade erst hat Trump massenhafter Abschiebung Tür und Tor geöffnet. Die Berichte über friedliche Immigranten-Familien, seit Jahrzehnten im Land lebend und arbeitend, die über Nacht auseinandergerissen und deportiert werden, häufen sich.
Trump nennt Kanada als Vorbild und Australien, aber keine Details. Einwanderung, das macht er klar, definiert er als Wirtschaftsthema. War das hier nur ein Testballon? Eine solche Reform wäre eine Riesensache. In den acht Jahren unter Barack Obama hatten die Republikaner nicht das geringste Interesse daran.
Einen der stärksten, bewegendsten Momente erlebt der Abend, als Trump die Witwe eines jüngst im Jemen getöteten US-Soldaten begrüßt, die Armee preist, ihre Werte und Helden. Tränenüberströmt nimmt Carryn Owens langanhaltenden Applaus des Saales entgegen. Für kritischere Bewertungen des umstrittenen US-Einsatzes ist dies nicht der Abend.
Der Abend im Kongress war für Trump nicht ganz einfach. Das Verhältnis ist heikel, mindestens, ist der Kongress doch Teil des Systems. Trump aber will das System ändern, zurückbauen, in Teilen abschaffen. Mit seiner Amtsübernahme am 20. Januar, hat er gesagt, sei dem Volk die Macht zurückgegeben worden.
Der Chor der vielen, er sei 2016 ein Erdbeben geworden, sagt der Präsident, die Erdstöße brachten ihn ins Oval Office. Einmal mehr verspricht er, alle Versprechen zu halten. Aber, aber: Um den Volkswillen ins Werk zu setzen, braucht der Präsident die Gesetzgeber. Das kann auch er, der – so das Eigenlob – aktivste und überhaupt allererfolgreichste Präsident aller ersten Amtswochen nicht alleine. Nach dem donnernden Applaus seiner Rede warten politische Kärrnerarbeit und die berühmten dicken Bretter. Das ist nicht so sein Ding.
Republikanische Programmatik
Deswegen wird es mit einem Ersatz für Obamacare und einer Steuerreform, mit einem Infrastrukturgesetz und seinem Haushalt auch länger dauern als angekündigt und verbreitet. Das politische System ist kompliziert. Die Republikaner im Senat, im Abgeordnetenhaus und in all den Bundesstaaten haben zum Teil völlig andere Interessen als der Boss im Weißen Haus. Es muss verhandelt werden. Das dauert.
Trump hat mit dieser Rede einen Rahmen gesetzt. Er hat seine Zusammenhänge erklärt, Prioritäten und Wünsche. Nicht alles, aber vieles war klassische republikanische Programmatik. Um die Details müssen sich andere kümmern. Es ist ein bisschen wie bei Malen nach Zahlen: Stifte, Pinsel und Farben liegen nun im Kongress. Der Präsident hat keinen Zweifel gelassen, was er erwartet. Der große Störer will liefern. Es werden spannende Monate, mindestens.
Zu Demaart
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