Hochkonzentriert streichen die Siebenjährigen mit dem Bogen über ihren Geigen, Bratschen und Celli. Mal ertönt ein G, dann ein D, ein A und ein E – und schließlich ein Liedchen. Die kleinen Nachwuchsmusiker sitzen aber nicht in einer Musikschule, sondern in einem Klassenraum der Trierer Grundschule Olewig. Denn hier steht der Unterricht mit Streicherinstrumenten genauso auf dem Stundenplan wie Mathe oder Deutsch. «Die Kinder zeigen im Streicherunterricht eine Konzentration, die in der normalen Klasse so nicht möglich ist», sagt die Klassenlehrerin der zweiten Klasse, Carolin Bambauer.
Und wirklich: Kein Gezappel, kein Reinrufen und kein abstürzendes Mäppchen stört den Unterricht an Violine, Viola und Violoncello. Stattdessen werden Saiten gegriffen und gezupft, Noten gelesen und dazu geklatscht. «Die Kinder lernen das Zusammenspiel in der Gruppe», sagt die Leiterin der Grundschule, Bernadette Wendling. Und: «Gerade Kinder, die sich im Klassenunterricht schwertun, können jetzt Erfolge haben», fügt Bambauer hinzu. Denn an den Streichern sind alle Kinder gleich. «Und alle gleich wichtig.»
Ein Beispiel, das Schule machen soll
Laut Landesmusikrat Rheinland-Pfalz gibt es derzeit Bestrebungen, derartige Musikklassen im Lehrplan für weiterführende Schulen zu empfehlen. Eine fachdidaktische Kommission tage bereits dazu. «Das aktive Musizieren bringt einen ganz anderen Zugang zur Musik als theoretisches Lernen», sagt der Geschäftsführer des Landesmusikrates, Etienne Emard, in Mainz. Zudem fördere es Kompetenzen, die weit über die Musik hinausgingen. «Die Klasse wächst anders zusammen: Man lernt aufeinander zu hören – und dass jeder nur ein Teil vom Ganzen ist.»
Lena-Emily macht das Spiel auf ihrer Bratsche viel Spaß – und sie übt auch fleißig zu Hause. Und Ben habe über die Fingerbewegungen an den Saiten schöner schreiben gelernt, sagt seine Mutter. Ganz klar: «Der Streicherunterricht wirkt sich positiv auf das Lernverhalten in der Klasse aus», sagt Wendling. Auf die Konzentrationsfähigkeit, die Disziplin – und das Selbstbewusstsein der Kinder: «Wenn wir einen Auftritt haben, sind sie so stolz», sagt sie. Jeweils drei Stunden Musik pro Woche haben die erste und zweite Klasse der Schule.
Musikklassen sind noch selten
Musiklassen – ob mit Streichern oder Bläsern – gibt es in Rheinland-Pfalz auch an anderen Schulen. «Grundschulen, die so etwas anbieten, sind aber eher selten», sagt Experte Emard. Dies liege auch daran, dass Grundschulkinder kleinere Instrumente bräuchten – und diese nicht einfach zu besorgen seien. Denn ein solcher Unterricht gehe immer nur auf freiwilliger Basis über die Bühne.
In Trier werden die Kinder von einer Violinpädagogin der städtischen Musikschule in das Saiten-ABC eingeführt. Die Instrumente werden teils von der Musikschule gegen eine Leihgebühr angeboten. Einen zweiten Streichersatz mit 13 Instrumenten hat die Grundschule inzwischen auch mit Geldern der Deutschen Orchesterstiftung gekauft. «Bei der Finanzierung der Streicherklasse sind wir immer auf Unterstützung angewiesen», sagt Wendling.
Kooperation wird wichtiger
Nach Angaben der Karl-Berg-Musikschule der Stadt Trier werden derartige Kooperationen mit Schulen immer wichtiger. Denn für Kinder, die Ganztagsschulen besuchten, sei Einzelunterricht an Nachmittagen nur noch schwer einzurichten, sagt Leiterin Pia Langer. «Da ist ein solcher Unterricht im Klassenverbund ein Glücksfall». Hinzu komme, dass es zunehmend an Schulen einen Mangel an Musiklehrern gebe.
Die musikalische Förderung von Kinder müsse noch weiter ausgebaut werden, fordert Emard. Auch im Kindergarten: «Wenn man ganz früh ansetzt, kann man noch alle Kinder erreichen.» An der Hochschule für Musik in Mainz sei gerade ein neuer Studiengang für elementare Musikpädagogik geplant, der Erziehern dafür Konzepte an die Hand geben solle. Musik mache nicht nur Freude, sondern sie fördere auch die Intelligenz, meint der Geschäftsführer des Landesmusikrats.
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