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Statue und Ausstellung: Marx polarisiert in Trier

Statue und Ausstellung: Marx polarisiert in Trier
(Harald Tittel)

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China will Trier zum 200. Geburtstag von Karl Marx eine Riesen-Statue schenken. Das gefällt nicht jedem. Der Trierer Oberbürgermeister ist aber überzeugt: Das Kunstwerk wird "eine Bereicherung" für die Geburtsstadt von Marx.

So ein großes Geschenk hat in Trier keiner erwartet. 6,30 Meter hoch ist die Karl Marx-Statue, die Chinas Regierung der Stadt Trier zum 200. Geburtstag des Philosophen im Mai 2018 vermachen will. Inklusive Podest zwar, aber deutlich massiver als Anfang des Jahres gedacht, als der chinesische Künstler Wu Weishan mit einer Delegation aus Peking zu Gesprächen über sein Kunstwerk in die Marxsche Geburtsstadt kam. Nicht nur die Höhe des Bronzestücks, sondern auch ihr geplanter Standort hat in Trier teils heftige Kritik ausgelöst: Der Riesen-Marx soll auf den Simeonstiftplatz bei der Porta Nigra kommen.

«6,30 Meter sind für unsere Stadt im Bereich der historischen Altstadt schon sehr hoch», sagt Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD). Künstlerisch mache es aber Sinn: Der Künstler wolle eine Sichtachse zu dem Haus in der Simeonstraße zu schaffen, in dem Karl Marx im Alter von einem bis 17 Jahren lebte. Da das Gelände falle, brauche man die Höhe, wenn man vom Wohnhaus aus Kopf und Brust der Statue sehen wolle. Der Platz gewinne durch das moderne Werk. «Es wird eine Bereicherung für Trier», sagt Leibe. Ob Trier das Geschenk annimmt – darüber soll noch der Stadtrat entscheiden.

FDP lehnt Geschenk ab

Die FDP-Fraktion lehnt die Statue ab: «Wir sind dagegen, dass Trier von einem kommunistischen Regime eine Statue als Geschenk annimmt, die natürlich auch der Glorifizierung von Karl Marx dienen soll», sagt Vorsitzender Tobias Schneider. Und dann noch an so einem «stadtbildprägenden Platz. Wir halten das für verfehlt.»

Die CDU ist mehrheitlich für die Annahme des Geschenks, auch wenn sich «sicherlich über die Größe und den Standort diskutieren» lasse. «Wir wünschen uns mehr Gelassenheit in dieser Frage», sagt ihr Vorsitzender Udo Köhler. Die Skulptur ermögliche, sich kritisch mit Werken und Wirken des wohl «berühmtesten Sohnes» der Stadt Trier auseinanderzusetzen.

Dabei weiß noch niemand in Trier, wie die Statue eigentlich aussieht. Wu Weishan, Direktor des Nationalen Kunstmuseums in Peking, ist für seine abstrakten Arbeiten bekannt. «Es ist nie geplant gewesen, dass da ein sozialistisch-stalinistisches Denkmal hinkommt», sagt Leibe, der am Montag, 31. Oktober, dazu den chinesischen Botschafter in Berlin trifft. Es gehe jetzt um den Zeitplan – und einen möglichst baldigen Entwurf. «Dann machen wir einen Schattenriss, stellen den auf und jeder kann mitdiskutieren.»

Tausende chinesische Touristen

«Marx bleibt umstritten», sagt Professorin Beatrix Bouvier, die eine in Trier für das Jubiläumsjahr 2018 geplante große Ausstellung über den großen Denker wissenschaftlich leitet. Kritik sei legitim. «Ich sehe die Diskussion als Chance, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen», meint die Historikerin in Bonn. «Und sich klar zu werden: In vielen Ländern wird Marx anders gesehen als bei uns.» Jedes Jahr kommen Tausende chinesische Touristen nach Trier – auch in das Geburtshaus von Marx.

In Wuppertal habe es eine «ganz ähnliche Diskussion» gegeben, als China der Geburtsstadt von Friedrich Engels (1820-1895) ein Engels-Denkmal schenken wollte, berichtet Bouvier. Die rund vier Meter große Bronzestatue des chinesischen Bildhauers Zeng Chenggang wurde 2014 eingeflogen und im Stadtpark Engelsgarten übergeben.

Große Ausstellung geplant

Zum 200. Geburtstag von Marx richten das Land Rheinland-Pfalz und die Stadt Trier die Ausstellung «Karl Marx 1818-1883. Leben. Werk. Zeit.» aus. «Wir wollen Marx in seiner Zeit zeigen und ein differenzierteres Bild von ihm zeichnen», sagt Bouvier. Dabei gehe es nicht um eine Verherrlichung. «Jemanden in seiner Zeit zu begreifen, ist null Verherrlichung.» Es sei der Versuch, Marx aus den «Verkrustungen» durch die politische Inanspruchnahme seiner Ideen im 20. Jahrhundert herauszulösen.

Auch dies polarisiert: Die Ausstellung dürfe nicht «als Jubelveranstaltung für Marx» konzipiert werden, kritisiert der Trierer CDU-Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster. «Man kann und darf die Person und ihr Werk nicht von den Folgen trennen, die diese ausgelöst hat. Das unzählige Leid der Menschen darf daher nicht auf eine Fußnote reduziert werden.»

Dies sei auch nicht der Fall, sagte Bouvier. Mit der Nachgeschichte werde sich das Museum Karl-Marx-Haus in einer neuen Dauerausstellung beschäftigen. Zudem werde Marxismus & Co auch in zig Veranstaltungen im Begleitprogramm im Fokus stehen. Die gut fünf Millionen Euro teure rheinland-pfälzische Landesausstellung soll vom 5. Mai bis 21. Oktober mindestens 150 000 Besucher anlocken.